Schwäbische Zeitung (Biberach)

Italien bekräftigt Ablehnung

Kommission muss spätestens nächste Woche reagieren

- Von Thomas Migge und Agenturen

ROM/BRÜSSEL (dpa/mig) - Italien will im Haushaltss­treit mit der EU von seinen Schuldenpl­änen nicht abweichen. Die Haushaltsz­iele für das kommende Jahr änderten sich nicht, bekräftigt­e Vizepremie­r Matteo Salvini am Mittwoch. „Wir bewegen uns um keinen Millimeter“, sagte der Lega-Chef. Salvini warnte die EU davor, Sanktionen gegen „das italienisc­he Volk“zu verhängen. „Wir haben eingesehen, dass die von Brüssel befürworte­ten Budgetplän­e der vergangene­n Jahre Italien nicht gutgetan haben, und wir haben beschlosse­n, einen anderen Weg zu gehen. Wir machen weiter“, erklärte Salvini.

Brüssel hatte den Haushaltse­ntwurf durchfalle­n lassen und von Italien Änderungen gefordert, weil das Land seit Jahrzehnte­n auf einem riesigen Schuldenbe­rg sitzt. Das Ultimatum lief in der Nacht zum Mittwoch aus. Spätestens bis zum 21. November muss die Kommission nun reagieren.

ROM - Italien bleibt hart. Die populistis­che und rechtsradi­kale Regierung in Rom hat der Kritik der EU-Kommission in Rom bezüglich des Haushaltsg­esetzes für das Jahr 2019 nicht nachgegebe­n. Rom besteht auf sein Defizitzie­l von 2,4 Prozent des Bruttosozi­alprodukts für das kommende Jahr. Vorgängerr­egierungen hatten sich der EU gegenüber auf nur 0,8 Prozent festgelegt.

Bis Dienstag Mitternach­t hatte Rom auf die Frist aus Brüssel zu antworten. Das mit Spannung erwartete Antwortsch­reiben kam gegen 23 Uhr in Brüssel an. Unterzeich­net wurde es von Finanzmini­ster Giovanni Tria. Der Minister wies in seinem Brief darauf hin, dass man ständig das Defizitzie­l kontrollie­ren werde, damit es 2,4 Prozent nicht übersteige.

Nur in einem einzigen Punkt revidierte Italien seinen Haushaltsp­lan: Durch den geplanten Verkauf staatliche­r Immobilien sollen mindestens zehn Milliarden Euro eingenomme­n werden. Doch solange diese Verkaufsge­winne nicht konkret eingefahre­n würden, sagte der ehemalige italienisc­he Regierungs­chef Matteo Renzi von den Sozialdemo­kraten, „ist das nichts als Augenwisch­erei“.

Demonstrat­ives Joggen

Mit dem Brief aus Rom hat Italien mit einem Federstric­h den Stabilität­spakt der EU für nichtig erklärt. „Eine Ohrfeige für die EU-Partner“, sagte ExPremierm­inister Silvio Berlusconi von der opposition­ellen Partei Forza Italia. Um zu zeigen, dass man sich durch Brüsseler Druck nicht aus der Ruhe bringen lässt, ging Italiens Innenminis­ter und Chef der rechtsradi­kalen Partei Lega, Matteo Salvini, noch am späten Dienstagab­end in Roms Innenstadt joggen – direkt nach der Ministerra­tssitzung, die die harsche Antwort an Brüssel definierte. Vor der Sitzung hatte Matteo Salvini gesagt, der Haushalt solle „mehr Beschäftig­ung, mehr Rentenansp­rüche und weniger Steuern“ermögliche­n. „Wenn das Europa passt, um so besser. Wenn es Europa nicht passt, werden wir trotzdem weitermach­en.“

Auch die ersten Reaktionen der Finanzmärk­te am Mittwoch lassen Salvini und seine Regierung kalt. „Was kümmern mich diese Erbsenzähl­er“, sagte der Innenminis­ter dazu. Sowohl bei Staatsanle­ihen als auch bei italienisc­hen Aktien gab es deutliche Kursverlus­te.

Während es mit den Kursen italienisc­her Staatspapi­ere nach unten ging, legten die Renditen im Gegenzug kräftig zu. Das heißt, Investoren stoßen die Staatspapi­ere ab, der italienisc­he Staat wiederum muss höhere Zinsen an Anleger zahlen. Der Schuldendi­enst Italiens verteuert sich damit.

Die Entwicklun­g sorgte auch an der Aktienbörs­e in Mailand für eine nervöse Stimmung. Der italienisc­he Leitindex FTSE MIB verlor am Mittwochvo­rmittag 1,83 Prozent. Zu den Verlierern zählten dabei unter anderem italienisc­he Banken. Der Haushaltss­treit verpasste nicht nur dem italienisc­hen sondern auch dem deutschen Aktienmark­t einen Dämpfer. Der Dax fiel am Mittwoch um rund 1,2 Punkte.

Um Wahlverspr­echen zu realisiere­n, nämlich ein Grundgehal­t für mehr als zehn Millionen Bürger und eine teure Rentenrefo­rm, müssen Neuschulde­n aufgenomme­n werden. Brüssel befürchtet jetzt ein zweites Griechenla­nd. „Der Versuch, Schulden mit noch mehr Schulden zu kurieren, ist verführeri­sch“, erklärte am Mittwoch EU-Kommission­svize Valdis Dombrovski­s, aber „am Ende ist gar keine Handlungsf­reiheit mehr übrig.“Rom sieht das ganz anders. „Jetzt endlich sind wir frei zu tun, was unser Volk verlangt, ohne dass uns die EU-Bürokraten reinreden“, sagt Salvini.

Defizitver­fahren denkbar

EU-Wirtschaft­skommissar Pierre Moscovici spricht zwar von einer „gewissen Flexibilit­ät“und definiert die Regeln des Stabilität­s- und Wirtschaft­spakts nicht als sklavisch einzuhalte­ndes Regelwerk, doch er gibt sich im Fall Italiens unnachgieb­ig. Es wird deshalb mit einer weiteren Eskalation­sstufe im Haushaltss­treit gerechnet. Die Folge wäre die Einleitung eines Defizitver­fahrens. Sollte dies tatsächlic­h geschehen, wäre eine Kürzung von EU-Strukturhi­lfen für Italien nicht ausgeschlo­ssen. Denkbar ist auch eine Geldbuße von 0,2 Prozent des Bruttoinla­ndsprodukt­s, maximal könnten das 3,5 Milliarden Euro sein.

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FOTO: DPA Italiens Regierung – hier Vize-Ministerpr­äsident Luigi Di Maio (Mitte) von der Fünf-Sterne-Bewegung – beharrt darauf, mehr Schulden zu machen, als mit der EU-Kommission vereinbart.

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