Schwäbische Zeitung (Biberach)
Geflohener
Am vergangenen Donnerstag hätte Mazedoniens Ex-Premier Nikola Gruevski eine zweijährige Haftstrafe im Shuto OrizariGefängnis in der Hauptstadt Skopje antreten sollen. Er kam aber nicht. Eine landesweite Fahndung blieb erfolglos. Dienstagabend tauchte er in Ungarn auf und bat seinen Freund Viktor Orbán um politisches Aysl. Gruevski bestätigte seine Flucht auf der eigenen Facebook-Seite.
Von 2006 bis 2016 haben der 48-jährige Ex-Premier und seine nationalistische Partei VRMODPMNE den kleinen Balkanstaat wie ein Mafiaclan regiert. Noch vor zwei Jahren wähnte sich Gruevski im Besitz der Allmacht, jetzt ist er ein verurteilter Krimineller. Ein Strafgericht in Skopje hatte am vergangenen Freitag seine Beschwerde gegen eine zweijährige Haftstrafe wegen Amtsmissbrauchs abgeschmettert. Gruevski hatte sich auf Staatskosten eine 600 000 Euro teure Luxuskarosse zugelegt und die zuständigen Behörden zum Stillschweigen genötigt.
In die Flucht getrieben haben dürften ihn weniger Morddrohungen, wie er behauptet, sondern anstehende Verfahren wegen Korruption, Wahlfälschungen und einen der größten Abhörskandale der jüngeren Balkangeschichte. Die Urteile würden reichen, um Gruevski für 20 Jahre hinter Gitter zu bringen. Ein Sprecher der sozialdemokratischen Regierung nennt Gruevskis Abtauchen eine „feige Flucht“. Der neue VRMO-Chef Hristijan Mickoski kontert, sein Vorgänger sei „Opfer einer politischen Justiz“.
Ungarns Premier Orbán hat jetzt ein Problem. Ein internationaler Haftbefehl liegt vor, Orbán müsste Gruevski also an Mazedonien ausliefern. Dazu wollte die Budapester Regierung am Mittwoch noch nichts sagen, nur das Asylansuchen Gruevskis wurde bestätigt. Orbán ist mit Gruevski, den er als „strategischen Partner“bezeichnet, seit Jahren befreundet. Ungarische Firmen kamen in Mazedonien zu lukrativen Aufträgen.
Rudolf Gruber