Schwäbische Zeitung (Biberach)
In die Erhaltung des Friedens investieren
Gedenkfeier zum Volkstrauertag – 100 Jahre nach dem Ende des Ersten Weltkriegs
BIBERACH - Der Volkstrauertag, ursprünglich als Gedenktag für die Toten des Ersten Weltkriegs eingeführt, ist inzwischen zu einem Tag der Trauer über die vielen Millionen Opfer von Gewalt und Krieg auf der ganzen Welt geworden. Die Erinnerung daran soll mahnen, dass Frieden und Freiheit nicht selbstverständlich sind und immer aufs Neue verteidigt werden müssen. In einer Feierstunde in der Aussegnungshalle des Stadtfriedhofs erinnerte die Theologin und Schulseelsorgerin Karin Walter daran, wie es nur wenige Jahre nach dem Ersten Weltkrieg erneut zum Krieg kam. „Fassungslos fragen wir uns heute, wie das geschehen konnte.“Deshalb sei es so wichtig, die Lektion der Geschichte zu lernen und zu lehren – und besonders junge Menschen in diesen Prozess einzubinden.
Schüler des Oberstufen-Geschichtskurses des Pestalozzi-Gymnasiums trugen deshalb ihre Gedanken über den Krieg vor. Sie zeigten auf, dass nicht nur die Soldaten an der Front leiden mussten; auch ihre Familien zu Hause lebten in Angst um ihre Männer und Söhne. Auch abseits der Kampfhandlungen verhungerten Hunderte von Menschen.
Der Pastoralreferent und Klinikseelsorger Johannes Walter erinnerte an die 17 Millionen Toten und 21 Millionen Verwundeten des Ersten Weltkriegs. 17 Millionen Tote in vier Jahren – das waren mehr als 11 000 Tote jeden Tag – versuchte er die unfassbare Zahl zu veranschaulichen.
Am Beispiel des Autos zeigte Walter auf, wie viel wir heute bereit sind für unsere Sicherheit im Straßenverkehr aufzubringen. Vom Sicherheitsgurt über den Airbag bis zu zahlreichen Assistenzsystemen darf nichts fehlen. „Unsere Sicherheit, unser Leben ist uns viel wert“rekapitulierte er und fragte dann: „Aber wie viel investieren wir in die Erhaltung des Friedens?“
An den Schicksalen seines Großvaters und seines Vaters schilderte er eindringlich, was es bedeutet, einen Teil der Jugend im Krieg verbringen zu müssen. Und aus seinen Erfahrungen als Krankenhausseelsorger berichtete er von den nachhaltigen seelischen Verletzungen von Kriegsteilnehmern. Es sei erschreckend, dass trotzdem Strömungen Gehör finden, die Alternativen für Deutschland fordern. „Was für Alternativen?“, fragte er. „Deutschland lebt im Frieden.“Allerdings könnte es sein, dass es sich zu sehr auf seinem Wohlstand ausruht.
Um den Frieden zu erhalten sei es auch aus seiner Sicht unabdingbar, die jungen Menschen einzubeziehen. Deshalb stellte er ein Zitat von Wolfgang Schneiderhan, dem Präsidenten des Volksbunds Deutsche Kriegsgräberfürsorge, an den Schluss: „Wer Kriege verhindern will, muss dafür sorgen, dass vor allem junge Menschen die Geschichte kennen, dass sie Vorbehalte und Vorurteile durch direkte Begegnungen überwinden können, dass sie selbst ein Gefühl für moralische Werte und ihre Verantwortung entwickeln und sich durch diese Erfahrung für Toleranz, Demokratie und Völkerfreundschaft einsetzen – was auch den europäischen Zusammenhalt einschließt.“
Kränze am Ehrenmal
Umrahmt wurde die Feier vom Musikverein Bergerhausen mit dem Dirigenten Wolfgang Kammerlander und den St.-Martins-Chorknaben unter der Leitung von Johannes Striegel. Nach einem Gebet marschierten alle zum Kriegsopfer-Ehrenmal. Die Ehrenwache der Reservistenkameradschaft Biberach und die Altersabteilung der Freiwilligen Feuerwehr Biberach legten dort Kränze für den Landkreis und die Stadt Biberach nieder. Den Text zum Totengedenken sprachen anschließend alle Anwesenden gemeinsam. Mit dem Musikstück „Ich hatt‘ einen Kameraden“und der Nationalhymne endete die Feier.