Schwäbische Zeitung (Biberach)

400 Kilometer zu Fuß um Oberschwab­en

Charly Wehrle beschreibt in seinem aktuellen Buch seine Heimat

- Von Gabi Ruf-Sprenger

MASELHEIM – Charly Wehrle, Bergsteige­r, Hüttenwirt und Autor, hat am Mittwochab­end im Rahmen der Reihe „Kultur im Rathaus“in Maselheim aus seinem aktuellen Buch „400 Kilometer Heimat – zu Fuß um Oberschwab­en“gelesen.

Charly Wehrle ist ein bekannter Mann: geboren 1949 in Wangen, war er 1976 Teilnehmer der deutschen Expedition zum Nanga Parbat. Seine Begeisteru­ng für die Berge und sein Interesse an anderen Ländern und Kulturen führten ihn nach Afrika, Australien, Neuseeland, Amerika, Asien und natürlich immer wieder in die Alpen. Im Oberreinta­l gelangen ihm zwei Erstbegehu­ngen im sechsten Schwierigk­eitsgrad.

Bekannt wurde er jedoch vor allem als Hüttenwirt. Zunächst bewirtete er ab 1978 sechs Jahre lang die Oberreinta­lhütte im Sommer und die Stuibenhüt­te im Winter, bis er ab 1986 als Wirt für 23 Jahre die Reintalang­erhütte übernahm. Durch seine unnachahml­iche Art im Umgang mit seinen Gästen ist er einer der erfolgreic­hsten Hüttenwirt­e geworden. Und auch als Autor hat er einen Namen: „400 Kilometer Heimat – zu Fuß um Oberschwab­en“ist sein zehntes Buch. Keine Überraschu­ng also, dass an diesem Abend in Maselheim zur Lesung der Rathaussaa­l voll war.

Überrasche­nd war es jedoch wohl für die meisten, wie eng die Verbindung von Charly Wehrle zu Maselheim ist: 1961 zog es die Familie Wehrle aus berufliche­n Gründen von Herfatz in Wangen nach Maselheim. Hier verbrachte Charly Wehrle einen großen Teil seiner Kindheit und seiner Jugendzeit bis zum Wehrdienst, zu dem er sich als Gebirgsjäg­er gemeldet hatte. Regelmäßig zog es ihn zurück, um seinen zwei Jahre jüngeren Bruder Siggi und das Maselheime­r Musikfest zu besuchen. „Als Elmar Braun 1991 als der erste grüne Bürgermeis­ter in Deutschlan­d ins Maselheime­r Rathaus einzog, ist aus meiner zweiten Heimat auch eine politische geworden“, erklärte Charly Wehrle. Und so liest er als „halber Maselheime­r“viele Jahre später hier in Maselheim aus seinem aktuellen Buch vor, in dem er seine Eindrücke, die Erlebnisse seiner Oberschwab­en-Umrundung sowie viele Erinnerung­en zusammenge­fasst hat.

Feinsinnig­e Beobachtun­gen

„400 Kilometer Heimat – zu Fuß um Oberschwab­en“ist kein Wanderführ­er. Freilich beschreibt der Autor darin Oberschwab­en, seine Landschaft, archäologi­sch, kulturell und politisch Wissenswer­tes, wie beispielsw­eise den Blautopf, die Venus vom Hohe Fels, Graf Ferdinand von Zeppelin, Inge Aicher-Scholl und die Gruppe 47 im Gasthaus Adler in Großholzle­ute. Doch es sind vor allem die feinsinnig­en Beobachtun­gen seiner Heimat und deren Menschen während seiner Wanderung, die in diesem Buch begeistern. Heimatverb­unden, unverstell­t, klar und präzise schreibt Charly Wehrle von seinen Erlebnisse­n, Eindrücken und Gedanken.

Er sieht den zinnoberro­ten Kelchbeche­rling, einen sehr seltenen Pilz, beim Sotzenhaus­er Nägelesfel­sen. Er zieht sich bis auf die Unterhose aus und watet am frühen Morgen mitten im Winter durch die über die Ufer getretene Donau: „Es geht zum Glück alles gut, auch wenn das kalte Wasser meinen Körper bis zum Bauchnabel hoch eisig kühlt. Immerhin bin ich jetzt hellwach.“Die Menschen, denen er begegnet, erzählen ihm von ihrem Leben. Manche, wie die anfangs sehr kurz angebunden­e Wirtin, deren Mann zwei Tage vor seinem Eintreffen in jenem Gasthaus verstorben war, öffnen sich ihm, wenn sie von seiner Wanderung hören.

Er erfährt Hilfsberei­tschaft und hört von menschlich­en Schicksale­n, beobachtet Menschen im Wirtshaus, die mehr mit ihren Mobiltelef­onen beschäftig­t sind, als mit ihrer Umwelt. Manches, was Charly Wehrle zu hören bekommt, lässt sich nur gut schwäbisch wiedergebe­n. Und so finden sich in diesem Buch viele Zitate in schönstem Schwäbisch, „gradraus“und treffend. Eingerahmt in Bilder von der oberschwäb­ischen Heimat – das Titelbild zeigt Charly Wehrles Heimat, den Huberhof in Nannenbach – macht dieses Buch große Lust, Oberschwab­en neu oder wieder zu erkunden, zu Fuß oder beim Lesen auf dem Sofa vor dem warmen Ofen.

Charly Wehrle liest am 23. Januar, ab 19.30 Uhr in der Stadtbüche­rei Biberach aus seinem aktuellen Buch.

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FOTO: GABI RUF-SPRENGER Charly Wehrle liest aus seinem aktuellen Buch „400 Kilometer Heimat – zu Fuß um Oberschwab­en“.

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