Schwäbische Zeitung (Biberach)

Familien verlieren Hab und Gut bei Überschwem­mung im Camp Sheikhan

Unwetter verwandelt Zeltstadt in matschigen Sumpf – Jesidische Flüchtling­e brauchen Hilfe der Leser der „Schwäbisch­en Zeitung“dringender denn je

- Von Jan Jessen

Eine kalte, regnerisch­e Nacht Ende November. Um zwei Uhr morgens wird Amer Abo aus dem Bett geklingelt. „Du musst schnell kommen, das Camp geht unter“, ruft eine Stimme durch sein Handy. Amer hört das Prasseln des Regens, springt aus dem Bett, fährt zum Flüchtling­scamp Sheikhan im Nordirak, das er leitet. Es gießt in Strömen.

Als er ankommt, ist er entsetzt. Der Regen hat den Lehmboden des Camps in einen matschigen Sumpf verwandelt. Die ganze Sektion D der Zeltstadt steht unter Wasser. Menschen versuchen aus den überschwem­mten Zelten zu retten, was zu retten ist.

Menschen haben alles verloren

Sheikhan ist eines von gut zwei Dutzend Flüchtling­scamps in der autonomen Region Kurdistan im Norden des Irak. Die Leser der „Schwäbisch­en Zeitung“haben für das bescheiden­e Leben der Bewohner 2016 und 2017 gespendet. In diesem Jahr stehen ein Spielplatz, Gewächshäu­ser, warme Kleidung und Therapiest­unden auf dem „Wunschzett­el“. Doch einige Familien brauchen Geld für einen kompletten Neubeginn.

Fast 5000 Menschen leben hier, sie sind alle Jesiden, Angehörige einer religiösen Minderheit, die von islamistis­chen Extremiste­n besonders gehasst werden. Die meisten der Bewohner von Sheikhan leben hier schon seit fast vier Jahren, sie alle flohen, als im Sommer 2014 Fanatiker des sogenannte­n Islamische­n Staates ihre Heimat in der Shingal-Region überfielen.

Die Menschen sind in Zelten untergebra­cht. Darin ist es in den Sommermona­ten brüllend heiß, im Winter, wenn die Temperatur­en oft weit unter null Grad sinken, sind die Behausunge­n bitter kalt. Dazu kommt der Starkregen. In den vergangene­n Jahren stürzten immer häufiger wahre Fluten vom Himmel, so wie in der Nacht auf Freitag der vorvergang­enen Woche. „35 Zelte sind überflutet worden“, berichtet Campleiter Abo am Telefon. Die Menschen, die darin wohnten, haben das Wenige verloren, was sie besaßen.

Barakat Kasim Haso, 47, hatte sich noch gefreut, als sein altes, zerschliss­enes Zelt vor wenigen Wochen erneuert worden war und ein Fundament bekommen hatte. Das neue Zelt bot ein bisschen mehr Platz für seine sechsköpfi­ge Familie.

Nun ist er verzweifel­t. Die Waschmasch­ine und das Heizgerät, mit dem sich die Familie im Winter notdürftig aufwärmen konnte, sind kaputt, der Teppich, die Kleidung, die Decken schlammver­schmiert, die Lebensmitt­el zerstört.

Zwar hat die Familie als Erste Hilfe ein Paket mit Lebensmitt­eln vom Flüchtling­shilfswerk der Vereinten Nationen bekommen. „Aber wir haben alles verloren“, sagt der Familienva­ter.

Für Campleiter Amer Abo ist der Vorfall einmal mehr ein Indiz dafür, wie schlimm die Lage für die Menschen ist, die er betreut. „Ihre Lebensbedi­ngungen sind prekär, sie haben kaum Hoffnung, dass sie in ihre Heimat zurückkehr­en können. Das belastet die Menschen psychisch sehr stark.“Zumal sich einige ausländisc­he Hilfsorgan­isationen zurückgezo­gen hätten. „Wir sind weiter dringend auf Unterstütz­ung angewiesen“, appelliert Abo.

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FOTO: CAMP SHEIKHAN Barakat Kasim Haso, seine Kinder und Amer Abo, der Leiter des Camps Sheikhan im Nordirak (rechts) bitten um Hilfe für Familien, die bei einer Überschwem­mung ihre ganze Habe verloren haben.

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