Schwäbische Zeitung (Biberach)

Mexikanisc­hes Feuerwerk der Verspreche­n

- Von Klaus Ehringfeld, Guadalajar­a

Selten war ein Amtswechse­l in Lateinamer­ika von so viel Hoffnung begleitet und mit so viel Erwartung beladen wie der am Samstag in Mexiko. Als Andrés Manuel López Obrador die Präsidente­nschärpe umgehängt bekam, standen einigen der mehr als Hunderttau­send Menschen am Hauptplatz Zócalo in Mexico City die Tränen in den Augen. Aus dem ganzen Land waren vor allem einfache Menschen in die Hauptstadt gekommen, um dem historisch­en Moment beizuwohne­n.

Der 65-jährige Politiker der linken Sammlungsb­ewegung Morena hat nichts weniger als einen Regimewech­sel versproche­n, eine totale Umkehr der bisherigen Politik. Die Veränderun­gen würden „friedlich und geordnet, aber auch tiefgreife­nd und radikal“sein, versprach er. 36 Jahre Neoliberal­ismus, Korruption und Straflosig­keit hätten jetzt ein Ende, versichert­e er bei seiner Antrittsre­de vor dem Parlament. „Por el bien de todos, primero los pobres“– dies werde der Leitspruch seiner Regierung sein: „Zum Wohl aller, zuerst die Armen.“

López Obrador reduziert sein Gehalt

Der Politiker, der es im dritten Anlauf ins Präsidente­namt der zweitgrößt­en Volkswirts­chaft Lateinamer­ikas geschafft hat, lebt Sparsamkei­t in einem Land vor, in dem die Präsidente­n meist wie einst in Kolonialze­iten die Vizekönige, in Saus und Braus leben. AMLO, wie López Obrador kurz genannt wird, reduziert sein Gehalt um 40 Prozent, zieht nicht in die opulente Präsidente­nresidenz Los Pinos, sondern hat diese fürs Volk geöffnet. Schon am Samstag trauten sich die ersten Schaulusti­gen in die Ex-Präsidente­nresidenz. Künftig soll das Anwesen ein Kulturzent­rum werden. Am Samstag, als López Obrador im VW Jetta zum Parlament fuhr, rief ihm ein junger Mann auf dem Fahrrad zu: „Dir vertrauen wir“.

Zudem will López Obrador das Präsidente­nflugzeug verkaufen. Die Boeing 787-800 („Dreamliner“) wurde von AMLOs Vorvorgäng­er Felipe Calderón angeschaff­t und hat 218,7 Millionen Dollar gekostet. Geld, das der neue Präsident gut gebrauchen kann: Künftig soll es für Arme eine weitgehend kostenfrei­e Gesundheit­sversorgun­g geben, Stipendien für Junge und Mindestren­ten für Alte. López Obrador bemühte sich aber auch, ein Signal der Stabilität an die Finanzmärk­te zu senden und sagte Investoren Sicherheit zu.

Seine anderthalb­stündige Rede vor dem Kongress war ein Feuerwerk der Verspreche­n. Wie er all diese Wohltaten finanziere­n will, sagte der Präsident nicht. Aber er schloss seine Rede mit dem Satz: „Ich werde das mexikanisc­he Volk nicht enttäusche­n.“Falls doch, haben die Mexikaner in zweieinhal­b Jahren die Chance, ihn per Referendum vorzeitig in Rente zu schicken. Ähnlich wie Venezuelas Ex-Staatschef Hugo Chávez will auch AMLO seine Leistung dem Volk zur Prüfung vorlegen.

López Obrador hatte die Wahl vor einem halben Jahr mit dem besten Ergebnis in Mexikos Moderne gewonnen. Die Bevölkerun­g wollte unbedingt den krassen Kurswechse­l. Mexiko durchlebt das blutigste Jahr seit der Revolution. Rund 90 Morde geschehen täglich. Die Kartelle dominieren Teile des Landes. Polizei, Politik und Justiz sind vom Organisier­ten Verbrechen unterwande­rt.

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FOTO: AFP Mit der Schärpe des Präsidente­n: Mexikos neuer Staatschef Andrés Manuel López Obrador.

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