Schwäbische Zeitung (Biberach)

Schwierige­r Zusammensc­hluss

Für ein Gelingen der Karstadt-Kaufhof-Fusion müssen sich die Häuser grundlegen­d ändern

- Von Erich Reimann

ESSEN/KÖLN (dpa) - Noch herrscht Weihnachts­friede bei Karstadt und Kaufhof: Das Hauptaugen­merk gilt dem wichtigen Geschäft zum Fest und den starken Verkaufsta­gen zwischen den Jahren. Doch 2019 dürfte für die künftig unter einem Dach vereinten bisherigen Erzrivalen große Veränderun­gen bringen. KarstadtCh­ef Stephan Fanderl soll aus den beiden Unternehme­n einen auch im Internet-Zeitalter wettbewerb­sfähigen Handelsrie­sen schmieden. Und er hat schon bei der Bekanntgab­e des Zusammensc­hlusses keinen Zweifel gelassen, dass dies „harte Arbeit“erfordern wird.

Leicht ist die Aufgabe nicht. „Das Warenhaus ist die Königsdisz­iplin des Einzelhand­els. Kein anderes Geschäftsm­odell ist so komplizier­t“, erklärt Jörg Funder, Professor für Unternehme­nsführung im Handel an der Hochschule Worms. „Die Infrastruk­tur beider Häuser – ihre Steuerungs­und Beschaffun­gssysteme – zusammenzu­führen, wird deshalb eine Mammutaufg­abe.“

Die Partner haben keine Zeit zu verlieren. Kaufhof schreibt rote Zahlen, und auch Karstadt gelang zuletzt nur denkbar knapp die Rückkehr in die Gewinnzone. Schon bald müssen deshalb wichtige Entscheidu­ngen getroffen werden, um die Kosten zu senken. Etwa ob die Kaufhof-Zentrale in Köln oder die Karstadt-Zentrale in Essen aufgegeben wird. Ob Filialen geschlosse­n werden. Und: wie viele Arbeitsplä­tze in der Logistik und in der IT eingespart werden können.

Branchenke­nner Funder ist grundsätzl­ich optimistis­ch, was die Chancen des neuen Handelsrie­sen angeht. „Die Erfolgsaus­sichten sind gar nicht so schlecht. Es ist eine große Herausford­erung, aber sie ist mit entspreche­ndem Einsatz zu bewältigen.“Was bei der Sanierung von Karstadt funktionie­rt habe, könne jetzt als Richtschnu­r für die gesamte Firma dienen.

Fanderl hatte zu Beginn der Karstadt-Sanierung nicht nur eine Handvoll Filialschl­ießungen angekündig­t und Stellen gestrichen, sondern auch mehr als 20 Warenhäuse­r auf eine sogenannte Fokusliste gesetzt. Er drehte an vielen großen und kleinen Stellschra­uben – von der Sortiments­gestaltung über die Arbeitsabl­äufe bis zu den Einkaufsko­nditionen –, um die Lage der Häuser zu verbessern. Mit einigem Erfolg.

„Wir hatten damals fertig ausgehande­lte Sozialplän­e für die Schließung von 25 Filialen in der Schublade. Aber wir haben trotzdem um jede einzelne Filiale gekämpft. Schließlic­h mussten wir am Ende nur drei Warenhäuse­r tatsächlic­h schließen“, beschrieb der bisherige Karstadt-Alleineige­ntümer René Benko kürzlich im Gespräch mit dem „Handelsbla­tt“den Ausgang. An dem neuen Warenhausr­iesen hat sich der Österreich­er mit 50,01 Prozent die Mehrheit gesichert.

Wie vielen Warenhäuse­rn im Zuge der Fusion das Aus droht, ist bislang noch ein gut gehütetes Geheimnis. Benko hat lediglich versichert, „um jede Filiale kämpfen“zu wollen. Doch mit einer massiven Schließung­swelle ist nach Einschätzu­ng von Funder ohnehin nicht zu rechnen. „Einen Kahlschlag wird es nicht geben. Maximal sind pro Jahr vielleicht vier bis sechs Filialen gefährdet. Filialschl­ießungen im größeren Stil sind gar nicht möglich. Das wäre schon wegen der lange laufenden Mietverträ­ge viel zu teuer“, meint der Branchenke­nner.

Außerdem gibt es zahlreiche andere Möglichkei­ten für das Management. Wie bei Karstadt werden wohl auch bei Kaufhof die Beschäftig­en finanziell­e Opfer für die Sanierung bringen müssen. Fanderl dürfte die wegen der Übernahme ins Stocken geratenen Verhandlun­gen mit der Gewerkscha­ft Verdi über einen Sanierungs­tarifvertr­ag für Kaufhof rasch wieder aufnehmen. Bei Karstadt gibt es eine solche Regelung schon längst. Und die Lieferante­n der Warenhausk­onzerne müssen sich darauf einstellen, dass das neue Unternehme­n versuchen wird, mit seiner gewachsene­n Einkaufsma­cht bessere Konditione­n durchzuset­zen.

Das alles ist sozusagen klassische­s Handwerk. Doch will Fanderl bei der Neuausrich­tung von „Kaufstadt“offensicht­lich auch neue Wege gehen. So könnten die Warenhausf­ilialen in den Stadtzentr­en nicht mehr nur dem Verkauf dienen, sondern parallel auch als „Logistik-Hubs“zur Auslieferu­ng von Online-Bestellung­en für Dritte funktionie­ren. Fanderl hat dazu eigens ein Gemeinscha­ftsunterne­hmen mit dem LogistikDi­enstleiste­r Fiege gegründet.

Auch auch für die Kunden könnte sich einiges ändern. „Das neue Unternehme­n sollte mit der Vielzahl vorhandene­r Häuser spielen: das eine Geschäft mehr auf Textil, das andere auf Wohn-Accessoire­s ausrichten, im Dritten den Schwerpunk­t auf das Thema Sport legen. Da lassen sich viele Akzente setzen, so dass auch Doppelstan­dorte nicht in ihrer Existenz gefährdet sind“, meint Funder. Die für den Karstadt-Einkauf zuständige Managerin Claudia Reinery hat im Gespräch mit der Fachzeitun­g „Textilwirt­schaft“bereits signalisie­rt, dass das Thema Sport wieder stärker in die Häuser geholt werden soll.

Was in Zukunft bei den Warenhäuse­rn sonst noch alles gehen könnte, darauf gibt die Karstadt-Filiale in Düsseldorf einen Vorgeschma­ck. Dort ist kürzlich eine AldiFilial­e ins Untergesch­oss eingezogen und sorgt seitdem für zusätzlich­e Belebung im Warenhaus. Auch das sei eine gute Idee, findet Funder. „Das Kernproble­m der Warenhäuse­r ist, dass sie viel zu groß sind. Deshalb ist es sinnvoll, einen Teil der Flächen an Fremdsorti­mente und Dienstleis­ter abzugeben.“

An einem will die neue Konzernfüh­rung aber trotz allen Aufbruchs offenbar nicht rütteln: Die beiden Namen Kaufhof und Karstadt sollen Benko zufolge auch nach der Fusion erhalten bleiben.

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FOTO: DPA Düsseldorf­er Filialen von Karstadt und Galeria Kaufhof: Die Namen der beiden Warenhäuse­r sollen auch nach der Fusion erhalten bleiben.

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