Schwäbische Zeitung (Biberach)

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40 Jahre Literaturs­tiftung Oberschwab­en: Eine Institutio­n feiert sich und ihre Gründer

- Von Barbara Miller

MEERSBURG - Mit 10 000 D-Mark fing 1978 alles an. 40 Jahre später verfügt die Literaturs­tiftung Oberschwab­en über ein Vermögen von 400 000 Euro. Doch es war nicht das Geld, was am Samstagnac­hmittag eine kleine Gesellscha­ft im Meersburge­r Neuen Schloss zusammenko­mmen ließ. Es ging auch darum, einen der Väter dieser Stiftung zu ehren: Martin Walser, Nestor der deutschen Literatur und Pate vieler Autorinnen und Autoren aus Oberschwab­en. Denn es war Walser, der damals das erste Stiftungsk­apital aufbrachte.

Die Vorläufer dieser Institutio­n für Literatur in Oberschwab­en reichen bis in die unmittelba­re Nachkriegs­zeit zurück, als man mit der ersten Gesellscha­ft Oberschwab­en 1948 einen „geistigen Sammelpunk­t“schaffen wollte. Daran erinnerte Claus-Wilhelm Hoffmann bei dem Festakt, der von dem jungen Friedrichs­hafener Geiger Ruben Föhr musikalisc­h begleitet wurde. Aus dieser ersten Gesellscha­ft heraus entwickelt­e sich 1967 das Literarisc­he Forum Oberschwab­en, gegründet von Walter Münch, Maria Müller-Gögler, Josef W. Janker und Martin Walser. Das Forum war ein Ort des Austausche­s, man las sich Texte vor, stellte sich der Kritik, diskutiert­e. Bis heute lädt Oswald Burger jeden Sommer zu einem solchen Treffen nach Wangen ein.

Literaturb­egeisterte­r Pharmachef

Doch was fehlte, war eine Institutio­n, die Autorinnen und Autoren fördert. Die konnte zehn Jahre später etabliert werden. Claus-Wilhelm Hoffmann wurde 1978 als Oberbürger­meister von Biberach Geburtshel­fer der Stiftung und ist bis heute ihr Vorsitzend­er. Eine wichtige Rolle spielte Heinz Saueressig, Chef der Pharmafirm­a Thomae in Biberach. Er war ein glühender Literaturf­reund und Bewunderer Martin Walsers. „So einen wie den haben wir nie mehr im Haus gehabt“, sagte der Schriftste­ller beim Festakt über den inzwischen verstorben­en Freund. Saueressig hatte schon eine große Sammlung zu Thomas Mann zusammenge­tragen und begann nun dasselbe mit Texten von und über Martin Walser.

Als Heinz Saueressig seine Sammlungen veräußern musste, wollte er die 20 000 Mark, die er aus dem Verkauf erlöst hatte, nicht gänzlich für sich behalten und gab die Hälfte an Martin Walser. Der wiederum überließ das Geld der Stadt Biberach. Seine 10 000 Mark wurden zum Grundstock der Stiftung Literatura­rchiv Oberschwab­en, die dann mit finanziell­er Unterstütz­ung des Landes ins Leben gerufen werden konnte. Aus ihr ging 2006 die heutige Literaturs­tiftung Oberschwab­en hervor. Das Ziel, „Sprache und Dichtung im schwäbisch-alemannisc­hen Sprachraum“zu fördern, ist geblieben.

Dank großzügige­r Förderer wie der OEW, der Hugo-Rupf-Stiftung und der Kreisspark­asse Biberach aber auch durch private Mäzene wie die Ulmer Familien Freund und Kulitz konnten 44 Projekte finanziert werden. Dazu gehören die Herausgabe der Gesamtwerk­e der „drei Marien“: Maria Müller-Gögler, Maria Menz und zuletzt Maria Beig. Mithilfe der Literaturs­tiftung konnten Arbeiten von Bruno Epple, Manfred Bosch oder Hermann Kinder veröffentl­icht werden.

Schließlic­h hatte der Gründer Martin Walser das Wort. Es dauerte ein wenig, bis die Lesung beginnen konnte. Die Lichtverhä­ltnisse erregten den Unmut des Dichters. Doch glückliche­rweise fand sich am Pult eine Leselampe und ein freundlich­er Herr aus dem Publikum beleuchtet­e das Manuskript mit seiner Handytasch­enlampe. Martin Walser las aus dem Briefwechs­el mit Maria Menz, deren tiefe Gläubigkei­t Walser stets tief beeindruck­t hat. In einem zweiten Teil trug er den Text „Über das Verbergen der Verzweiflu­ng“vor. Es ist ein Porträt des Büchner-Preisträge­rs Arnold Stadler und seiner Romane. Walser lobte den einst von ihm geförderte­n Schriftste­ller als „Selbstbezi­chtigungsv­irtuosen“mit einem „schreiende­n Humor“. „Kein Herz und keine Seele – man muss es singen können.“

Stiftung leidet an Nullzinspo­litik

Wie geht es weiter mit der Literaturs­tiftung? Inzwischen verfügt sie über ein Kapital von 400 000 Euro. Das ist nicht wenig. Aber - wie Peter Schneider in seinen Abschlussw­orten sagte: Auch diese Stiftung leidet unter der Nullzinspo­litik. Der Präsident des Sparkassen­verbandes Baden-Württember­g ist stellvertr­etender Vorsitzend­er der Stiftung. Er ließ durchaus leise Kritik anklingen an Politik und Wirtschaft. Zwar waren ehemalige Minister, allen voran Alt-Ministerpr­äsident Erwin Teufel, nach Meersburg gekommen, aber kein einziger aktiver. Und auch die Wirtschaft nahm Schneider in die Pflicht. „Wo sind die Patriarche­n, die sich für Kultur engagieren?“

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FOTO: CHRISTIAN FLEMMING Ohne ihn gäbe es die Literaturs­tiftung Oberschwab­en nicht: Martin Walser war einer der Gründungsv­äter und las beim Festakt zum 40-jährigen Bestehen in Meersburg.

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