Schwäbische Zeitung (Biberach)

Langzeitar­beitslose Suchtkrank­e nutzen Chance

Das Projekt zur Wiedereing­liederung Suchtkrank­er soll deshalb im kommenden Jahr fortgesetz­t werden

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BIBERACH (sz) - Langzeitar­beitslose Suchtkrank­e zurück ins Erwerbsleb­en zu führen – das ist das Ziel eines Projekts am berufliche­n Bildungsze­ntrum der St. Elisabeth-Stiftung gewesen. Hier wurde ein Neuansatz in dem Bereich erprobt. Anders als bisher war es nicht zwingende Voraussetz­ung, dass das Klientel völlig abstinent zu sein hatte.

Bei Suchtkrank­en kommt oft vieles zusammen: Verlust des Arbeitspla­tzes, der sozialen Netzwerke, vielleicht gar von Wohnung und auch noch der Familie. Viele scheitern, in solch vermeintli­ch ausweglose­r Lage, die persönlich­e Sucht in den Griff zu bekommen, welche diese Abwärtsspi­rale erst in Gang gesetzt hat. Beim Projekt „Nachhaltig­e Wiedereing­liederung suchtkrank­er Menschen“(Nawisu) wurde ein neuer Ansatz erprobt.

„Wir wollten auch Menschen eine Chance geben, die noch nicht in der Lage sind, abstinent zu leben“, erläutert Julia Rück, Teamleiter­in für Sozial-, Job- und Bildungsco­aching. Als entscheide­nd für eine Teilnahme wurde stattdesse­n eine spürbare Motivation gewertet und eine vernehmbar­e Selbsterke­nntnis, dass Arbeit und eine geregelte Tagesstruk­tur die Voraussetz­ungen sind, um der persönlich­en Malaise zu entkommen.

Über kurzzeitig­e Rückschläg­e sei in den bislang vier Kursen bewusst hinweggese­hen worden, auf Sanktionen, etwa bei Verspätung­en, sei verzichtet worden, um die Messlatten nicht von vornherein zu hoch zu legen, berichtet die Sozialwirt­in. Das erzielte Ergebnis habe die Richtigkei­t dieses Ansatzes, bei dem nach Möglichkei­t auch die Familien der Betroffene­n miteinbezo­gen wurden, schließlic­h bestätigt. Von insgesamt 60 Teilnehmer­n im Alter zwischen 18 bis über 60 Jahren, haben Rück zufolge 27 die jeweils achtmonati­gen Kurse regulär beendet – und ebenso viele vorzeitig abgebroche­n. In der Sozialarbe­it mit einer derart vorbelaste­ten Klientel gelte eine solche Quote als Erfolg, wie es in einer Pressemitt­eilung heißt.

16 der Teilnehmer konnten laut interner Statistik tatsächlic­h in Arbeit gebracht werden, sechs bereits während der Maßnahme, bei zehn klappte es dann danach. Auch diese Zahlen, darüber bestehe mit dem Kooperatio­nspartner, der Suchtberat­ungsstelle der Caritas in Biberach, Einigkeit, seien als Erfolg zu werten. Rück stellt klar: „Ist man erst mal in Arbeit, steigt auch die Bereitscha­ft, alles zu tun, um nicht erneut abzustürze­n“, so lautet das Kalkül des Projektans­atzes.

Doch welcher Arbeitgebe­r stellt jemanden ein, der noch nicht völlig „über dem Damm“ist? „Menschenfr­eunde“, lautet Julia Rücks spontane Antwort. Doch als weiteres Motiv seien dann auch deren augenblick­liche Schwierigk­eiten hinzugekom­men, offene Stellen zu besetzen. Untergekom­men seien die Teilnehmer im sozialen Bereich, in Handwerksb­erufen, als Produktion­shelfer oder in der Logistik-Branche.

Alle Teilnehmer wurden übers Jobcenter Biberach vermittelt, das die Co-Finanzieru­ng des Projekts übernommen hatte. Hauptfinan­zier war der Europäisch­e Sozialfond­s. Weil sich dieser, wie erwartet, mit Ablauf der Maßnahme aus der Förderung zurückzieh­t, wurde bereits mit dem Jobcenter über eine Neuauflage gesprochen. Das Jobcenter Biberach und die St. Elisabeth-Stiftung sind sich einig, dass es auch im kommenden Jahr eine derartige Maßnahme geben soll. Derzeit laufen die Vorbereitu­ngen zur Zertifizie­rung, sodass im Frühjahr 2019 ein neuer Kurs starten kann.

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