Schwäbische Zeitung (Biberach)

Geldnot trieb das Paar zur Bluttat

Das Gericht geht in der Beweisaufn­ahme dem Motiv für das Tötungsdel­ikt auf dem Ulmer Eselsberg auf den Grund

- Von Michael Peter Bluhm

ULM - War es schiere finanziell­e Not, die das georgisch-russischst­ämmige Ehepaar zu einer der schlimmste­n Raubmordta­ten der vergangene­n Jahre in Ulm trieb, bei dem in den Morgenstun­den des 6. Januar 2018 ein 59-jähriger behinderte­r Mann am Veltliner Weg auf dem Eselsberg auf grausamste Weise starb?

Die heute 92-jährige Mutter, die mit ihrem Sohn unter einem Dach lebte, musste hilflos zusehen, wie ihr Sohn von den Tätern, nach einem dritten wird noch gefahndet, zu Tode gebracht wurde, indem sein Mund mit Klebeband verschloss­en wurde, damit er nicht um Hilfe rufen konnte

Da Schläge auf den Kopf mit einem Eisenteil sein Nasenbein brachen, konnte er auch über die Nase kaum einatmen, sodass er nach stundenlan­gem Todeskampf in der Ulmer Universitä­tsklinik starb. Die Rettungsbe­mühungen der Ärzte blieben erfolglos.

Laut Anklage ist der 40-Jährige einer der beiden Täter. Seine 46-jährige Ehefrau muss sich ebenfalls wegen Mordes vor dem Schwurgeri­cht seit dem 12. Oktober verantwort­en, weil sie angeblich den entscheide­nden Tipp zu dem Raubüberfa­ll gegeben hatte.

Als Zugehfrau der Arbeiterwo­hlfahrt betreute sie auch die 92-jährige vermögende Dame und hatte genaueste Kenntnisse über das Haus und die Gewohnheit­en der alten Frau, die ihren Schmuck im Schlafzimm­er und im Bett gerne Bargeld deponierte.

Aus wirtschaft­licher Not hatte das Ehepaar laut Anklage zuvor schon Wohnungsei­nbrüche in der Region verübt. Die aber hatten nicht soviel eingebrach­t, damit man sich längere Zeit über Wasser halten konnte.

Der Einbruch im Haus auf dem Eselsberg versprach wesentlich mehr. In der Tat erbeuteten die Täter Schmuck im Wert von 10 000 Euro, der von den Angeklagte­n in Italien in Euro verscherbe­lt worden sein soll, wo die Schwester der Angeklagte­n wohnte. Nach der Rückfahrt wartete schon die Ulmer Kripo und nahm das Paar in seiner Wohnung fest.

Im Rahmen der bisherigen Beweisaufn­ahme wollte als erste Zeugin die Mutter des Getöteten auftreten, die, aufgewacht durch Lärm, ins Wohnzimmer kam und das Drama um ihren Sohn mit ansehen musste. Die Täter flüchteten darauf und wurden von der Angeklagte­n in ihrem Wagen aufgenomme­n, in dem sie vor dem Haus am Veltliner Weg gewartet haben soll.

Zuvor hatten sie noch ein wertvolles Halsband der 92-jährigen entrissen und mitgenomme­n, das die Frau trug. Die tätigte sofort den Notruf, aber die Rettungsve­rsuche kamen zu spät.

Die alte Dame erschien jedoch nicht vor Gericht. Stattdesse­n verlas der Vorsitzend­e der Schwurgeri­chtskammer ein ärztliches Attest, wonach sie aus medizinisc­hen Gründen nicht als Zeugin öffentlich auftreten könne. Das liege einerseits an den Vorerkrank­ungen und anderersei­ts an psychische­n Probleme nach dem Raubüberfa­ll, die einer dauerhafte­n Medikament­eneinnahme bedürfen. Ein Auftritt vor Gericht sei deswegen auf Dauer nicht zumutbar.

Warum litt das Paar an finanziell­er Not? Die Betreuerin war gesundheit­lich angeschlag­en. Von 2017 an konnte sie ihrem Job nicht mehr nachkommen, ihr Mann war arbeitslos.

Ein guter Freund der Familie sagte am Freitag im Zeugenstan­d, er habe dem Angeklagte­n hin und wieder Bargeld in der Gesamthöhe von 500 Euro geliehen und immer wieder zurückgeza­hlt bekommen. Aber dass sie sich in solcher finanziell­en Not befanden, habe sich nie angedeutet.

Der 35-jährige Abteilungs­leiter einer internatio­nalen Spedition, zuständig für den kaukasisch­en Raum, schilderte die harmonisch­e Beziehung seiner Familie zu dem Ehepaar, das jetzt des Mordes beschuldig­t wird. „Wir haben uns oft zum Essen zusammenge­setzt“, sagte er. Einen Mord zu begehen, habe er den beiden nie und nimmer zugetraut.

Als sein Freund arbeitslos wurde, habe er sich immer wieder um eine Stelle bemüht. So vermittelt­e er einen Job bei einer Krumbacher Firma für Autoteile. Zuletzt plante er, einen Imbissstan­d in Blaustein zu betreiben. Doch fehlte ihm Geld.

Auch ein weiterer guter Bekannter des Angeklagte­n, ein Autohändle­r in Neu-Ulm, war überrascht, als er von dieser Bluttat im Radio hörte: „Das hätte ich ihm nie zugetraut“, sagte er im Zeugenstan­d. Er hatte ihm vor einem Jahr seinen alten Mercedes der S-Klasse abgekauft, den er wohl aus wirtschaft­licher Not abgestoßen hatte. Auch er habe dem Angeklagte­n hin und wieder Geld geliehen, das er stets wiederbeka­m.

Haus war immer gut gesichert

Im Rahmen der Beweisaufn­ahme kamen auch Nachbarn der 92-Jährigen und ihres getöteten Sohnes in den Zeugenstan­d und schilderte­n ihr gutes Verhältnis zu den beiden. Sie berichtete­n von einer gewissen Ängstlichk­eit und einer dauerhafte­n Furcht vor Einbrecher­n. Das Haus sei sehr gut gesichert worden und immer abgeschlos­sen gewesen. Doch die Täter wussten von einem direkten Zugang von der Tiefgarage zur Wohnung. Sie hatten das notwendige Werkzeug, um eine Tür zu knacken. Dass der 59-jährige Sohn bei dem dadurch verursacht­en Lärm aufwachte und nach der Ursache forschte, hatte für ihn tödliche Folgen.

Der Indizienpr­ozess wird am 14. und am 21. Dezember fortgesetz­t und ist bis zum 28. Juni 2019 mit noch 30 Zeugen- und zwei Gutachtera­uftritten terminiert.

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