Schwäbische Zeitung (Biberach)

Finanziell­e Hilfe für Klassenfah­rten

Stuttgarte­r Landtag stimmt noch vor Weihnachte­n über Zuschüsse ab

- Von Selina Ehrenfeld

RAVENSBURG (sz) - Baden-Württember­g will Schulen bei der Finanzieru­ng von Klassenfah­rten unter die Arme greifen. Dafür soll die bereitgest­ellte Summe verdoppelt werden. Ohne die Maßnahme könnten möglicherw­eise viele Fahrten nicht mehr organisier­t werden. Hintergrun­d ist ein Urteil des Bundesverw­altungsger­ichts, das die Schulen verunsiche­rt. Es geht dabei um die Reisekoste­nvergütung der Lehrer bei Klassenfah­rten. Viele Pädagogen haben offenbar bisher zumindest einen Teil ihrer Kosten selber getragen. Dem ist nun ein rechtliche­r Riegel vorgeschob­en worden. Das heißt, die Schulen müssen die Kosten mitfahrend­er Lehrer tragen. Dafür fehlt ihnen oftmals das Budget.

RAVENSBURG - Um auch in Zukunft die Finanzieru­ng von Klassenfah­rten zu gewährleis­ten, will das Land noch vor Weihnachte­n den Etat, der Schulen für außerunter­richtliche Veranstalt­ungen zur Verfügung steht, verdoppeln. Aus Sicht der Lehrer und Eltern in der Region ist das auch dringend nötig.

Wie schnell sich ein Urteil vom Bundesverw­altungsger­icht auf das eigene Kind auswirken kann, das hat Andrea Bach (Name von der Redaktion geändert) aus Ravensburg in den vergangene­n Wochen erfahren. Ihr Sohn besucht die zwölfte Klasse des Technische­n Gymnasiums in Ravensburg. Mit seiner Klasse sollte es für ihn bald nach Paris auf Klassenfah­rt gehen. Doch der Klassenleh­rer hatte die Reise Mitte November plötzlich abgesagt. Der Grund: Nach einem Urteil des Bundesverw­altungsger­ichts im Oktober müssen die Länder künftig die Kosten für eine Klassenfah­rt den Lehrern erstatten. „Die Schule hatte also plötzlich keine Budget für die geplante Reise“, erklärt Andrea Bach im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“.

Der Prozess vor dem Bundesverw­altungsger­icht verunsiche­rte nicht nur die Schulen in Ravensburg. Das Urteil hatte in den Ländern eine regelrecht­e Regulierun­gswelle ausgelöst. Baden-Württember­g sprach ein generelles Verbot aus: „Wir haben die Schulleitu­ngen gebeten, vorerst keine Reisen mehr zu genehmigen, die nur dann finanziert werden können, wenn die Lehrkräfte auf eine Reisekoste­nvergütung ganz oder teilweise verzichten“, erklärt ein Sprecher des Kultusmini­steriums auf Nachfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“.

Streit um Fahrtkoste­n für Lehrer

Die Finanzieru­ng von Klassenfah­rten sind für Gewerkscha­ften und Verbände schon seit Jahren ein ärgerliche­s Thema gewesen. „Ein Schullandh­eimaufenth­alt ist für den Lehrer kein Urlaub, sondern Arbeit, und zwar rund um die Uhr. Warum sollte er da auch noch die Fahrtkoste­n zur Jugendherb­erge selber tragen?“, erklärt der stellvertr­etende Landesvors­itzende Michael Gomolzig die Position des Verbands Bildung und Erziehung (VBE) BadenWürtt­emberg.

Auch die Gewerkscha­ft Erziehung und Wissenscha­ft (GEW) forderte seit Längerem, den Etat deutlich zu erhöhen. „Überall ist es selbstvers­tändlich, dass Dienstreis­en vom Arbeitgebe­r gezahlt werden“, sagt Doro Moritz, Landesvors­itzende der GEW. Nur Lehrer sollten bisher „in ihre eigene Tasche greifen“. Das Urteil des Bundesverw­altungsger­ichts in Leipzig habe endlich dazu geführt, „dass die Schulen hoffentlic­h bald mehr Geld für Klassenfah­rten, Ausflüge und andere außerunter­richtliche Veranstalt­ungen zur Verfügung haben“, erläutert ein Sprecher der GEW.

Und so könnte es auch bald kommen. Grüne und CDU im Landtag wollen die Zuschüsse an Schulen für

Klassenfah­rten verdoppeln. Statt 3,45 Millionen Euro soll der Reisekoste­nEtat im kommenden Jahr 7,32 Millionen umfassen. Denn ohne eine Erhöhung des Fördertopf­s könnten Klassenfah­rten nach dem Urteil des Bundesverw­altungsger­ichts stark eingeschrä­nkt werden. Die beiden Regierungs­fraktionen im Landtag haben sich bereits für eine Erhöhung ausgesproc­hen. Auch Finanzmini­sterin Edith Sitzmann (Grüne) unterstütz­t den Vorschlag der Kultusmini­sterin. Am 12. Dezember will der Landtag über die Erhöhung der Gelder für Klassenfah­rten entscheide­n. „Mit der Verdoppelu­ng des Budgets sehen wir die Landesregi­erung jetzt

auf dem richtigen Weg“, sagt Michael Gomolzig vom VBE. Die bisherige Methode sei den Lehrern gegenüber nicht fair gewesen: „Das Kultusmini­sterium spekuliert­e darauf, dass Lehrkräfte die Kosten aus dem eigenen Geldbeutel bestreiten. Das ist jedoch so, wie wenn ein Lokführer zunächst einmal selber eine Fahrkarte lösen müsste, bevor er seine Fahrgäste mit dem Zug von Stuttgart nach Ravensburg befördert.“

Wie viel Geld den einzelnen Schulen dann zur Verfügung stehen wird, ist unklar. Eine pauschale Zuteilung gibt es bei dem Etat nämlich nicht. „Die Mittel, die zur Verfügung stehen, werden zu Beginn eines

Schuljahre­s nach einem festgelegt­en Schlüssel, der unter anderem pädagogisc­he Faktoren und die Anzahl der Klassen berücksich­tigt, auf die Regierungs­präsidien aufgeteilt“, erklärt eine Sprecherin des Finanzmini­steriums Baden-Württember­g.

Unklare Finanzieru­ng

Trotzdem: Schüler und Eltern fürchten, dass Klassenfah­rten künftig wegen strengerer Auflagen und unklarer Finanzieru­ng kaum noch stattfinde­n können. Am Technische­n Gymnasium überwiegt jedoch der Optimismus. „Wir mussten die Pläne für die Klassenfah­rten 2019 zwar erst einmal stoppen. Doch die Politik hat schnell reagiert und jetzt gibt es sehr wahrschein­lich das nötige Budget“, sagt der Schulleite­r der Gewerblich­en Schule in Ravensburg Bernd Vogt. Darüber wurden auch die Eltern bereits informiert, viele sind erleichter­t. Auch Andrea Bach freut sich über die Wendung, die das Thema nun genommen hat. Die geplante Klassenfah­rt ihres Sohnes nach Paris könne nun doch stattfinde­n. „Wie es im kommenden Schuljahr um die Klassenfah­rten steht, ist aber noch offen“, sagt sie. Für ihren Sohn und alle anderen Schüler hofft sie deshalb darauf, dass der Etat nun planmäßig erhöht wird.

„Für eine zukünftige Regelung zur Erstattung von Reisekoste­n wartet das Kultusmini­sterium aktuell die schriftlic­he Urteilsbeg­ründung des Bundesverw­altungsger­ichts ab“, erklärt ein Sprecher des Finanzmini­steriums auf Nachfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“. Sobald diese vorliegt, könnten mögliche Folgen des Urteils bewertet und eine Neuregelun­g getroffen werden.

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FOTO: DPA Klassenfah­rten gibt es in vielerlei Gestalt. In diesem Fall ist es eine Bootstour auf der Lahn. Besonders gefragt sind in den Schulen aber Städtereis­en.

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