Schwäbische Zeitung (Biberach)

Hoffnungst­räger der SPD

Kevin Kühnert redet in Friedrichs­hafen über die Zukunft der europäisch­en Sozialdemo­kratie

- Von Selina Ehrenfeld

FRIEDRICHS­HAFEN - Der erste Jubelschre­i aus dem Publikum wirkt an diesem Abend noch etwas deplatzier­t. Kevin Kühnert, Bundesvors­itzender der Jungsozial­isten der SPD, scheint zu Beginn seiner Rede noch etwas zaghaft, muss sein Selbstbewu­sstsein erst noch herbeirede­n. Der 29-Jährige ist aus Berlin nach Friedrichh­afen an die Zeppelin-Universitä­t gereist, um über die Zukunft der europäisch­en Sozialdemo­kratie zu sprechen. Keine leichte Aufgabe.

„Doch wenn nicht er, wer dann?“, sagt ein Häfler noch vor der Veranstalt­ung. Das denken sich wohl mehrere: Sie pflichten dem Redner mit Kopfnicken zu, unterbrech­en ihn im Laufe des Abends immer öfter durch Applaus. Die Atmosphäre könnte dabei nicht passender sein: die sogenannte­n Blackbox der Universitä­t – ein großer Saal mit pechschwar­zen Wänden. Nur der rote Plastikses­sel sticht heraus.

Kühnert wirkt unscheinba­r: Jeans und blau-schwarzes Karohemd, Sneakers und wenig übertriebe­ne Gesten. Für Applaus lässt er kaum Pausen, will lieber seine Vision von einer erfolgreic­hen europäisch­en Sozialdemo­kratie vermitteln. „Wir müssen genau definieren, was Europa leisten soll. Da ist die Sozialdemo­kratie vor einer schwierige­n Aufgabe“, sagt er. Mit seinen Ausführung­en, etwa wie eine ideale Machtverte­ilung in Europa für ihn aussehen müsse, gibt er den selbstbewu­ssten Politiker. Die Bürger im Alltag abholen, das müssten seine Kollegen im Europaparl­ament leisten. Doch momentan fehle es hier schlichtwe­g an Vorbildern.

Ob Kevin Kühnert ein Vorbild für die Sozialdemo­kraten werden könnte? Der 29-Jährige lebt für die Politik. Seit mehr als 13 Jahren ist der Berliner Parteimitg­lied. Von 2012 bis 2015 war er Landesvors­itzender der Jusos,

wird 2017 nach zwei Jahren vom Stellvertr­eter zum ersten Vorsitzend­en gewählt. Er will seine Partei nach vorne bringen. Doch seine Kritiker, auch aus den eigenen Reihen, werfen ihm das genaue Gegenteil vor: Er schade der Partei mit all seinen Anschuldig­ungen und Hinweisen auf Fehler der Parteispit­ze in aller Öffentlich­keit. Diese Vorwürfe fuhr er vor allem durch seine Kampagne gegen eine erneute Große Koalition ein.

Kritik zu seinen politische­n Ansätzen gibt es in Friedrichs­hafen an diesem Abend kaum. Von den rund 150 Zuhörern sind die meisten sind nicht viel älter als der 29-Jährige selbst. Nach mehr als zwei Stunden schließt er ab mit den Worten: „Wir müssen Europa zu unserem Projekt machen“und ermutigt die jungen Leute im Publikum, selbst aktiv zu werden. Während die meisten Zuhörer bereits aus dem Saal verschwund­en sind, wollen die Jusos Kühnert gar nicht gehen lassen: Sie verwickeln ihn in Gespräche darüber, wie man Menschen für die SPD begeistert, und wollen Fotos mit ihm machen. „Ein toller Typ, der richtig inspiriere­n kann“, sagt ein Student, der seit drei Jahren in der SPD aktiv ist. Er ist sich sicher: Aus Kühnert wird noch mehr als ein Hoffnungst­räger.

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FOTO: SELINA EHRENFELD Kevin Kühnert in der ZeppelinUn­iversität.

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