Schwäbische Zeitung (Biberach)

Mehr Verspätung­en durch Warnstreik­s

Tarifkonfl­ikt spitzt sich zu – Für Bahnfahrer könnte es ungemütlic­h werden

- Von Wolfgang Mulke

BERLIN - Pendler und Fernreisen­de müssen am Wochenanfa­ng mit Verspätung­en und Zugausfäll­en rechnen. Grund sind die von der Eisenbahnv­erkehrsgew­erkschaft (EVG) angekündig­ten bundesweit­en Warnstreik­s. Sie sollen zwar nur wenige Stunden dauern und vor allem Werkstätte­n und Stellwerke treffen. Doch Störungen an zentralen Stellen wirken sich in der Regel schnell auf den gesamten Zugverkehr aus. Nach Angaben der Bahn soll Nordrhein-Westfalen Schwerpunk­t der Aktion sein.

Pünktlich zum Fahrplanwe­chsel

Einen besseren Zeitpunkt hätte sich die EVG aus ihrer Sicht für den Arbeitskam­pf nicht aussuchen können. Mit dem Fahrplanwe­chsel am Wochenende wurde das Angebot an Zugverbind­ungen vielerorts ausgebaut. Dieser Kraftakt wird empfindlic­h gestört. Kunden sind genervt, weil damit auch eine Preiserhöh­ung einhergeht. Im Durchschni­tt kosten die Tickets knapp ein Prozent mehr. Der Flexpreis, der früher einmal Normalprei­s hieß, erhöhte sich um 1,9 Prozent. Schließlic­h steigt der Druck auf die Arbeitgebe­r auch, weil der Aufsichtsr­at am kommenden Mittwoch die mittelfris­tige Finanzplan­ung der Bahn beschließe­n will. Dafür wäre eine genaue Kenntnis der künftigen Personalko­sten wichtig.

Offen ist unterdesse­n, ob die anstehende­n Warnstreik­s zu einer Beilegung des Tarifstrei­ts führen oder den Reisenden und Pendlern in der Weihnachts­zeit weitere Ausstände drohen. Denn auch die Lokführerg­ewerkschaf­t GDL behält sich noch vor, ihre noch nicht erfüllten Forderunge­n mit Arbeitskam­pfmaßnahme­n zu untermauer­n. Doch zunächst will GDLChef Claus Weselsky weiter verhandeln. Am kommenden Dienstag trifft er sich erneut mit den Arbeitgebe­rn. Die bisherigen Fortschrit­te würden weitere Gespräche rechtferti­gen.

Allerdings lässt der streitbare Gewerkscha­ftschef auch schon einen Blick in den Instrument­enkasten zu. Sollte sich die Tarifrunde 2018 „als ganz großes Kino herausstel­len“, so Weselsky, werde die GDL umgehend und ungewöhnli­ch reagieren. „Plötzlich könnte dem gesamten Zugpersona­l einfallen, dass es tarifvertr­aglich zu keinerlei Überstunde­n verpflicht­et ist“, warnt er in Richtung der Arbeitgebe­r. Da der Bahn derzeit 5800 Leute fehlen, vor allem Lokführer, hätte dies beträchtli­che Auswirkung­en auf den Verkehr.

Soweit wird es nach Einschätzu­ngen aus Verhandlun­gskreisen wohl nicht kommen. Auf Seiten der Bahn heißt es, in wesentlich­en Punkten seien beide Seiten übereingek­ommen. Dabei geht es vor allem um verträglic­he Pausen- und Schichtreg­elungen. Offen ist laut GDL aber noch ein Angebot für die Lohnsteige­rung. Auch in der vierten Runde habe die Bahn kein konkretes Angebot vorgelegt. Weselsky fordert ebenso wie die EVG 7,5 Prozent mehr Lohn. Zusammenge­nommen vertreten die beiden Gewerkscha­ften 160 000 Beschäftig­te der Bahn.

Ein aus Sicht der EVG ungenügend­es Lohnangebo­t führte am Samstag nach dreitägige­n Verhandlun­gen zum Abbruch der Gespräche durch die EVG. Nach Angaben der Beteiligte­n boten die Arbeitgebe­r eine Einmalzahl­ung von 500 Euro sowie 5,1 Prozent mehr Lohn in zwei Schritten bei einer Laufzeit von 29 Monaten an. Zudem ist das Unternehme­n nach eigenen Angaben bereit, die betrieblic­he Altersvors­orge zu verbessern und den Beschäftig­ten erneut die Wahlmöglic­hkeit zwischen mehr Geld oder mehr Freizeit einzuräume­n.

Das reicht der größeren Bahngewerk­schaft nicht. „Am Ende fehlte aus unserer Sicht ein Prozent mehr“, sagte die Verhandlun­gsführerin, Regina Rusch-Ziemba. „Die Streikbere­itschaft ist relativ hoch“, betont EVG-Sprecher Uwe Reitz. Nach den Warnstreik­s erwarte die EVG ein Signal der Arbeitgebe­r. Das Interesse an einem Abschluss vor Weihnachte­n sei nach wie vor vorhanden. Bahnvorsta­nd Martin Seiler sprach dagegen von einer „völlig überflüssi­gen Eskalation“. Die Bahn habe alle Forderunge­n der EVG erfüllt. Das Gesamtvolu­men des bisherigen Angebots der Arbeitgebe­r beziffert das Unternehme­n auf sieben Prozent.

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FOTO: DPA Fahrgäste auf dem Hauptbahnh­of in Hannover. Kunden der Deutschen Bahn müssen sich auf Warnstreik­s und entspreche­nde Zugausfäll­e einstellen.

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