Schwäbische Zeitung (Biberach)

Hotelbett statt Fahrerkabi­ne

Arbeitsbed­ingungen für Lastwagenf­ahrer sollen besser werden

- Von Helena Golz

RAVENSBURG - Das Truckerleb­en ist hart. Für wenig Lohn sind die Fernfahrer oftmals monatelang unterwegs, ohne ihre Familie zu sehen. Nacht für Nacht verbringen sie in der Fahrerkabi­ne ohne richtiges Bett oder eine Dusche. Wer im Sommer mit dem Auto in den Urlaub fährt, sieht auf europäisch­en Raststätte­n Kolonnen von Lastwagen, die meistens aus Osteuropa kommen. Die Trucker campen zwischen den Fahrzeugen mit Klappstuhl, Gaskocher und Tütensuppe. Der Asphalt wird zur Küche, die Fahrerkabi­ne zum einzigen Rückzugsra­um – zwei Meter auf zwei Meter.

Das soll sich ändern. Die EU-Verkehrsmi­nister haben Maßnahmen beschlosse­n, die die Arbeitsbed­ingungen von Lastwagenf­ahrern europaweit verbessern sollen. Sie sollen die Fernfahrer besser vor Ausbeutung und Lohndumpin­g schützen. Logistikun­d Speditions­unternehme­n im Südwesten Deutschlan­ds begrüßen die Änderungen, sind aber auch skeptisch, inwieweit sie durchgeset­zt werden können.

Der Beschluss der EU-Verkehrsmi­nister, der noch vom EU-Parlament genehmigt werden muss, sieht zum einen vor, dass Fernfahrer am gleichen Ort für die gleiche Arbeit den gleichen Lohn bekommen sollen. Andrea Marongiu, Geschäftsf­ührer des baden-württember­gischen Landesverb­ands für Spedition und Logistik, erklärt: Wenn ein Lastwagenf­ahrer beispielsw­eise von Warschau nach Paris fährt und in Deutschlan­d mehrfach seinen Lastwagen be- und entlade, dann müsse er künftig dafür nach deutschem Mindestloh­n bezahlt werden.

Zum anderen sieht der Beschluss vor, dass Lastwagenf­ahrer europaweit künftig nicht mehr in ihren Führerhäus­chen übernachte­n dürfen. Dies gilt aber nur für die wöchentlic­he Ruhezeit von 45 Stunden, die Fernfahrer einhalten müssen. Laut Österreich­s Verkehrsmi­nister Norbert Hofer (FPÖ) sollen so überfüllte Autobahnpa­rkplätze und -raststätte­n vermieden werden. Stattdesse­n sollen die Fahrer in einer Unterkunft übernachte­n, die von der auftraggeb­enden Spedition bezahlt werden muss.

Von diesem Punkt betroffen ist unter anderem das in Ulm ansässige Unternehme­n Seifert Logistics Group. Von den täglich rund 1000 Lastwagen, die das Unternehme­n koordinier­e, seien auch einige im Einsatz, die internatio­nale Strecken fahren und demnach mehrere Wochen unterwegs seien, sagt Geschäftsf­ührer Harald Seifert. „Künftig müssen die Leute raus aus dem Lkw und rein in ein Hotel. Das wird uns Aufwand und Geld kosten“, sagt Seifert. In der Konsequenz werde das wohl die Logistikko­sten erhöhen, meint er. Innerhalb des Unternehme­ns müsse man sich jetzt auf diese Änderung einstellen und sich Lösungen überlegen. Heinrich Grieshaber von Grieshaber Logistik aus Weingarten sagt: „Ich glaube nicht, dass dieser Beschluss den Druck von den Parkplätze­n nehmen wird. Das Problem ist einfach, dass es zu wenige Parkplätze gibt.“

Spediteure sind besorgt

Verbandsge­schäftsfüh­rer Andrea Marongiu bestätigt, dass sich einige Spediteure zwecks der Umsetzung bereits besorgt bei ihm gemeldet hätten. „Sie müssen jetzt Wohnungen anmieten oder Wohncontai­ner aufstellen. Bei wechselnde­n Mietern werden die Vermieter nicht begeistert sein. Das wird schwer, das gestattet zu bekommen“, sagt er. Trotzdem: Die neue Regelung sei ein guter Kompromiss. „Wir wollen kein Nomadentum“, sagt er. Es überwiege die Freude über die Einigung der Verkehrsmi­nister. „Endlich gibt es europaweit­e Klarheit“, sagt er. In der Speditions- und Logistik-Branche sei es sehr wichtig, dass nicht jedes Land seine eigenen Regeln habe.

Schon seit Jahren beschweren sich deutsche und andere westeuropä­ische Speditions- und Logistik-Unternehme­n, dass ihre Preise vor allem von osteuropäi­schen Wettbewerb­ern unterwande­rt werden. „Wir sind im Schnitt 20 bis 25 Prozent teurer als die ausländisc­hen Unternehme­n“, sagt Heinrich Grieshaber. Er müsse mit etwa 3000 Euro Lohnkosten – exklusive Spesen – pro Fahrer rechnen, ein polnisches Unternehme­n nur mit 800 Euro. „Bisher ist das in Europa ein Flickentep­pich“, sagt auch Verbandsge­schäftsfüh­rer Marongiu. Wenn die Entscheidu­ng der Verkehrsmi­nister aber jetzt vom EU-Parlament bestätigt werde, dann gelte der nationale Mindestloh­n für alle Lastwagenf­ahrer, die in Deutschlan­d tätig sind.

Am Ende bleibt bei den Spediteure­n der Region jedoch auch Skepsis, ob sich die Vorgaben kontrollie­ren lassen. „Ein Pole, der durch Deutschlan­d fährt, bekommt seinen Lohn in Polen ausbezahlt. Ob er deutschen Mindestloh­n ausgezahlt bekommt, ist für uns doch gar nicht überprüfba­r“, sagt Grieshaber. Es brauche hier einen konkreten Lösungsvor­schlag der EU, fordert er. Sonst bleibt das Truckerleb­en doch ein Nomadenleb­en – schlecht bezahlt auf zwei mal zwei Metern.

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FOTO: DPA Lkw-Parkplatz an einer Autobahnra­ststätte: Während längerer Pausen dürfen Fahrer nicht mehr in ihren Kabinen übernachte­n.

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