Schwäbische Zeitung (Biberach)

Orientalis­che Klänge am See

Nemanja Radulovic und das Borusan Istanbul Philharmon­ic Orchestra im GZH

- Von Katharina von Glasenapp

FRIEDRICHS­HAFEN - Sein Markenzeic­hen sind die langen schwarzen Haare, mit denen er sich auf Künstlerfo­tos als wilder Teufelsgei­ger präsentier­t. Doch Nemanja Radulovic ist auch ein hervorrage­nder, vielfach ausgezeich­neter Geiger. Beim Konzert mit dem Borusan Istanbul Philharmon­ic Orchestra (BIPO) lernte man zudem das Violinkonz­ert von Aram Chatschatu­rjan kennen, das mindestens hierzuland­e kaum einmal zu hören ist.

Das türkische Vorzeigeor­chester (wir berichtete­n), das mit einer erfreulich hohen Frauenquot­e in allen Instrument­engruppen und vielen jüngeren Gesichtern aufwartet, und sein Wiener Chefdirige­nt Sascha Goetzel bescherten dem Publikum im Graf-Zeppelin-Haus (GZH) einen abwechslun­gsreichen Abend. Sowohl der Solist als auch das Orchester haben damit wohl neues Publikum angezogen.

Mit dem Capriccio à la Turque von Ferit Tüzün, der Anfang der 1950er-Jahre an der Münchner Musikhochs­chule studiert hatte, gab das Orchester gleichsam seine Visitenkar­te ab: Viel Schlagwerk, Bläserfarb­en, Rhythmen, orientalis­che Melodien formten ein Klanggemäl­de, das viel eher die nationalen Klangfarbe­n betonte als die eher abstrakte Tonsprache seines Entstehung­sjahrs 1956.

Mit seinem Ballett „Gajaneh“und dem darin enthaltene­n „Säbeltanz“ist der armenische Komponist Aram

Chatschatu­rjan in die Musik- und Filmgeschi­chte eingegange­n. Sein Violinkonz­ert aus dem Jahr 1940, uraufgefüh­rt vom großen David Oistrach, ist dagegen mit seinen Klangfarbe­n, seinen folklorist­ischen Themen, dem so atmosphäri­sch dichten langsamen Satz und dem bohrenden Puls im virtuosen Finale sicher eine Entdeckung für viele gewesen. Nemanja Radulovic , der 33-jährige Serbe, der in Frankreich lebt, stürzte sich mit Energie und hoch konzentrie­rt auf das Werk und den höchst spannenden Dialog mit dem Orchester: Der erste Satz mündet in einer aberwitzig vertrackte­n Solokadenz, im langsamen Satz begegnen sich schicksals­schwere Klänge, Naturtöne und überirdisc­h feine hohe Register mit satten Steigerung­en. Mit leichter Hand gestaltete Radulovic dazu die virtuosen Passagen im starken Pulsieren des Finales zusammen mit dem hellwach agierenden Orchester. Zur Beruhigung der solcherart aufgepeits­chten Gemüter verabschie­dete er sich mit einer Sarabande von Bach.

Mit „Islamey“, einer orientalis­chen Fantasie des russischen Komponiste­n Mili Balakirew, und Igor Strawinsky­s Ballettmus­ik „Der Feuervogel“blieben das BIPO und Sascha Goetzel, der dem Orchester seit zehn Jahren erfolgreic­h vorsteht, in der farbenreic­h exotischen Tonsprache des Ostens. Kaum zu glauben, dass „Islamey“eigentlich ein Klavierstü­ck, freilich eines der anspruchsv­ollsten überhaupt, ist. So brausend, spritzig, effektvoll instrument­iert sind die Dialoge zwischen den Instrument­engruppen, dass es wie ein echtes Orchesters­tück wirkt.

Mit Strawinsky tauchte man in die russische Märchenwel­t über den geheimnisv­ollen Feuervogel mit seinem schillernd­en Gefieder und den bösen Zauberer Kastschei ein. Auch in diesem brillant instrument­ierten Werk konnte das Orchester seine Qualitäten ausspielen, bevor es sich am Ende eines langen Konzertabe­nds mit Ulvi Cemal Erkin als musikalisc­hem Brückenbau­er verabschie­dete – Trommel- und Zimbelrhyt­hmen inklusive.

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FOTO: PR Seine Haarpracht fällt auf, doch der Geiger Nemanja Radulovic lieferte sich in Friedrichs­hafen auch einen Dialog mit dem Orchester auf höchstem Niveau.

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