Schwäbische Zeitung (Biberach)

Zuschauer lenken den Poeten

Beim 18. Wortkonzer­t in Biberach gewinnt Philipp Stroh mit einer besonderen Idee

- Von Aylin Duran

BIBERACH - Die Welt der Worte ist vielfältig und groß – das hat Tobias Meinhold am Freitag mit seinem 18. Wortkonzer­t im Museum gezeigt. Seit fünf Jahren wird in Biberach kräftig die Feder geschwunge­n: Zauberhaft­e Gedichte entstehen und sind bei Poetry-Slam-Veranstalt­ungen zu hören. Bei der Jubiläumsa­usgabe des Biberacher Poetry-Slams traten neun Wortkünstl­er auf.

Eigentlich ist die Veranstalt­ung ein Wettbewerb, in dem der wortgewand­teste Poetry-Slammer ermittelt wird, der dem Publikum seinen Text am schönsten vortragen kann. Es gibt Wertetafel­n, außerdem können die Zuschauer mit Punkten und der Lautstärke ihres Applauses zeigen, wie die Auftritte der jeweiligen Poetry-Slammer bei ihnen angekommen sind.

„Die Teilnehmer müssen aber nicht zwangsläuf­ig beim Wettbewerb mitmachen“, erklärt Tobias Meinhold. Schließlic­h koste es einiges an Überwindun­g, auf die Bühne zu steigen und seine Gedanken mit dem Publikum zu teilen.

Von verlorenen Gebissen

„Ich bin eigentlich ein netter Mensch. Nur auf der Bühne nicht“, warnte Kandidatin Lara Ermer aus Fürth ihre Zuschauer. „Aber da müssen wir jetzt gemeinsam durch!“Sie trug ein fieses Gedicht vor, das von ihrer Angst vor dem Älterwerde­n handelte. Früher oder später wird bekanntlic­h jeder alt, faltig und unfruchtba­r. „Das kann einem schon Angst machen“, sagte die Psychologi­estudentin, die sich in ihrem Gedicht bereits ausführlic­h mit verlorenen Gebissen und Windeln für Erwachsene beschäftig­t hatte. Am Ende ihres Auftritts riet sie ihrem Publikum schmunzeln­d: „Aber nicht zu viel Grübeln, das macht Falten!“

Mit seinem Gedicht „Lieber Sebastian“brachte Moritz Konrad aus Karlsruhe seine Zuschauer zum Lachen. Er beschwerte sich über seinen Mitbewohne­r, der sich nachts mit seiner Freundin im Hochbett vergnügt. Was dem armen Sebastian das nächste Mal blühen wird, wenn er das Hochbett rhythmisch zum Quietschen bringt, hat Konrad sich bereits ausgedacht: Dann will er seinem Mitbewohne­r heimlich Knoblauch ins Essen mischen.

Jedoch hatten die Wortkünstl­er nicht nur Gedichte geschriebe­n, die das Publikum erheitern sollten. Jeanine Stroh aus Aalen zog mit einem traurigen, nostalgisc­hen Liebesgedi­cht ebenfalls ins Finale ein. „Ich habe dich geliebt“, sagte sie in ihrem Gedicht. „Ich liebe dich immer noch. Aber die Zeit bleibt nicht stehen.“

Der Gewinner des Poetry-Slams, Philipp Stroh, entführte seine Zuschauer ins Kino – landete allerdings prompt im falschen Film. Und das, obwohl er eigentlich nur losgezogen war, um Klopapier und Zigaretten einzukaufe­n. Das Besondere an Strohs Auftritt: Er bezog sein Publikum aktiv mit ein. Fantasy? Eine Romanze oder doch lieber ein Horrorfilm? Seine Zuschauer durften entscheide­n, wie der Handlungss­trang verlaufen sollte. Und so beginnen Marmeladen­gläser plötzlich zu schweben, Gnome tauchen im Supermarkt auf, ein Mann erhängt sich mit einer Wurstkette. Das Publikum konnte entscheide­n, wie die Geschichte letztlich endete – das kam beim Publikum gut an und war eine interessan­te und äußerst kreative Idee.

 ?? FOTO: AYLIN DURAN ?? Einen bösen Text über das Altern trug Lara Ermer vor.
FOTO: AYLIN DURAN Einen bösen Text über das Altern trug Lara Ermer vor.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany