Schwäbische Zeitung (Biberach)

Mentalität schlägt Mateschitz-Millionen

Freiburg lässt Leipzig beim 3:0 keine Chance – 100. Pflichtspi­elsieg für SC-Coach Streich

- Von Alfred Moosmann

FREIBURG - Ralf Rangnick muss sich gefühlt haben, als sei er tatsächlic­h in Punxsutawn­ey – nur mit dem Unterschie­d, dass nicht das Murmeltier, sondern der Schwarzwal­dfuchs, das Maskottche­n des SC Freiburg, täglich grüßt. „Wir haben auch schon letztes Mal hier verloren, nach einer Führung wohlgemerk­t“, sagte der Trainer von RB Leipzig am Samstag nach der 0:3-(0:2)-Niederlage im Breisgau zerknirsch­t. „Wille, Überzeugun­g und viel Energie“, schwärmte Freiburgs Trainer Christian Streich, seien für den Triumph des Underdogs ausschlagg­ebend gewesen. Die Atmosphäre im engen Schwarzwal­d-Stadion, der Sardinenbü­chse der Liga, tat ein Übriges. „Wir haben uns den Schneid abkaufen lassen. Nach dem Rückstand haben wir uns ein Stück weit beeindruck­en lassen“, haderte Rangnick.

Eindruck machte vorneweg Nils Petersen. „Er hat ein Klassespie­l gemacht“, lobte Streich, der zur Viererkett­e zurückgeke­hrt war. „Nils war wahnsinnig präsent, hat vorne die Bälle festgemach­t und ein schwierig zu erzielende­s Tor geschossen.“Der SC-Stürmer hatte bei einem Konter einen Abpraller per Direktabna­hme zum 1:0 (12.) verwertet. Mit 37 Toren zog Petersen mit dem Freiburger Rekord-Torschütze­n in der Bundesliga, Papiss Demba Cissé, gleich.

Petersen großzügig

Zwei Tage nach seinem 30. Geburtstag war Petersen großzügig: Beim 2:0 (45.+1) überließ es der etatmäßige Elfmetersc­hütze dem formstarke­n Luca Waldschmid­t, einen Strafstoß zu verwandeln. „Nils hat mich gefragt, ob ich mich gut fühle“, berichtete Waldschmid­t. Mentalität­sbestie Mike Frantz war zuvor von Leipzigs Verteidige­r Dayot Upamecano zu Fall gebracht worden. Schiedsric­hter Tobias Welz nutzte den Videobewei­s, schaute sich in der ReviewArea vor der Osttribüne auffällig lange die Szene noch einmal an. Beim 3:0 (52.) veredelte Frantz per Kopfball Immer einen Tick schneller: Freiburgs Robin Koch klärt vor Leipzigs Matheus Cunha.

eine Flanke von Lukas Kübler. „Wir waren in den Zweikämpfe­n besser“, meinte Frantz. „Ich glaube, Leipzig war davon ein bisschen überrascht.“Die RB-Kicker waren sich wohl zu sicher gewesen: In den zehn Bundesliga­spielen vor der Partie in Freiburg hatte die beste Defensive der Liga nur drei Tore kassiert – am Samstag ließ sich Leipzig in gut 50 Minuten mit drei Gegentreff­ern abkochen.

„Alle drei Tore kamen nach dem bekannten Freiburger Strickmust­er zustande – über Flanken“, sagte Rangnick verärgert und rang nach Erklärunge­n: „Wir tun uns schwer in Spielen, in denen es über den Fight geht, in denen man physische Präsenz zeigen muss und keinen Schönheits­preis gewinnen kann. Unser Spiel gegen den Ball war nicht zu sehen. Wir haben verdient verloren.“

Aggressive Ballerober­ung, schnelles Umschalten, Torchancen kreieren – so spielt im Normalfall Leipzig. Am Samstag war all dies allein von Freiburg zu sehen. „Wir haben Probleme gegen Mannschaft­en, die zunächst aus einem defensiven Ansatz die Räume eng machen, um dann selbst umzuschalt­en“, analysiert­e Rangnick.

Nach dieser Vorstellun­g dürfte die Investitio­nsbereitsc­haft der Leipziger noch einmal größer werden – es geht da in der Winterpaus­e um Summen für Neuzugänge, die den ganzen Jahresetat des SC Freiburg übersteige­n. Leipzig hat Geld, Freiburg hat Leidenscha­ft und Zusammenha­lt. Mentalität schlägt Mateschitz-Millionen. „Das war eine Top-Leistung von uns“, freute sich Streich nach seinem 100. Pflichtspi­elsieg und verriet seine weiteren

Pläne: „Mineralwas­ser und ein gutes Schlückli Wiii“, also badischen Wein, werde er sich bei der Weihnachts­feier des Clubs genehmigen.

Aber Streich wäre nicht Streich, wenn er das nächste Spiel nicht auch schon im Kopf hätte. „Heute ist gut, morgen ist gut, aber dann volle Energie für das Spiel am Samstag in Düsseldorf“, kündigte der 53-Jährige an. „Ich weiß doch, was dort los ist. Die denken: Gegen die Großen gewinnst du eher nicht, aber gegen Freiburg, so glauben sie, kannst du gewinnen. Das wollen wir verhindern.“

Die Zuversicht, dass Streichs Elf auch außerhalb der Trutzburg an der Schwarzwal­dstraße überrasche­n kann, ist nach dem überzeugen­den Erfolg gegen Leipzig gewachsen. Freiburg hat ja schließlic­h nicht nur einfach ein Maskottche­n. Sondern auch einen Trainerfuc­hs.

 ?? FOTO: AFP ??
FOTO: AFP

Newspapers in German

Newspapers from Germany