Schwäbische Zeitung (Biberach)
Hetzvideo macht im Netz die Runde
Übergriffe im Unterallgäu sorgen für Verunsicherung – Frauen äußern Sorgen, ein Mann wird beschimpft
LANDKREIS NEU-ULM - Ein Autofahrer stoppt seinen Geländewagen und schimpft aus dem offenen Fenster: Die Szene in dem Video wirkt zunächst komisch, immerhin wettert der Mann in breitem Schwäbisch. Doch, wer genau hinhört, dem dürfte das Lächeln auf den Lippen gefrieren: Die Schimpftirade ist rassistisch und sie gilt einem dunkelhäutigen Mann, der am Bahnsteig des Bahnhofs in Bellenberg (Landkreis Neu-Ulm) wartet. Jener filmt die verbalen Attacken des Autofahrers mit seinem Handy.
Als eine Frau für den Beschimpften Partei ergreift, wird auch sie von dem Mann im Wagen mit derben Ausdrücken bedacht. Es sind erschreckende Entgleisungen, die der kurze Film zeigt. Und sie verbreiten sich derzeit über soziale Netzwerke in der Region. Auch unserer Redaktion wurde das Video zugespielt. Viele Empfänger äußerten sich schockiert, die Polizei ermittelt in der Sache. Aber es dürfte auch Menschen geben, die den Hassausbruch des Manns am Bellenberger Bahnhof zumindest nachvollziehen können. Im Hintergrund stehen die sexuellen Übergriffe in Babenhausen und Egg an der Günz in der vergangenen Woche.
Die schweren Straftaten könnten von einem Flüchtling aus Eritrea begangen worden sein, der 25-Jährige sitzt wegen dringenden Tatverdachts in Untersuchungshaft. Die drei Attacken scheinen viele Menschen in der Region verunsichert zu haben: Frauen berichten von einem unguten Gefühl, in den dunklen Wintertagen allein nach draußen zu gehen, in Babenhausen wurden Zettel mit fremdenfeindlichen Botschaften verteilt und in sozialen Netzwerken wurden unsachliche und aggressive Kommentare verbreitet. Und jetzt das Video, das offenbar eine willkürliche Verbalattacke gegen einen dunkelhäutigen Mann zeigt.
Die Bellenberger Bürgermeisterin Simone Vogt-Keller äußert sich auf Anfrage betroffen: „Es ist schade, dass so etwas passiert.“Eine ausländerfeindliche Atmosphäre sei in der Gemeinde bislang nicht zu spüren gewesen. Im Gegenteil: Die etwa 20 Flüchtlinge verschiedener Nationalitäten seien dank der Arbeit des örtlichen Helferkreises gut integriert. Im Ort sei die Beschimpfung ein Thema: „Mit so etwas habe ich nicht gerechnet“, sagt Vogt-Keller. Sie hoffe zwar, dass der Täter für die Angriffe im Unterallgäu hart bestraft wird. Aber Menschen dürften auch nicht „unter Generalverdacht“gestellt werden.
Bisher geht die Polizei nicht davon aus, dass eine Welle des Fremdenhasses über die Region hereinbrechen könnte. Es lägen keine konkreten Hinweise auf fremdenfeindliche Taten vor, sagt Christian Eckel, der Pressesprecher des Polizeipräsidiums Schwaben Süd/West.
Man sei sich der „aktuellen Sensibilität“jedoch bewusst und werde bei Bedarf reagieren. Im Fall der drei sexuellen Misshandlungen laufen die Ermittlungen: Nach den Taten in der vergangenen Woche seien Hinweise aus der Bevölkerung eingegangen. Der 25-jährige Verdächtige räume ein, am Tatort gewesen zu sein, streite weitere Verdächtigungen aber ab.
Hetzerische Flugblätter kursieren
Auch das Video aus Bellenberg beschäftigt die Polizei: Der Mann in dem Auto sei inzwischen bekannt, teilt Eckel mit. Gesucht würden aber noch der Beschimpfte und die Frau auf dem Bahnsteig. Beide sollen sich bei der Polizei melden. Gefahndet wird zudem noch privat – das politisch linke Portal „Allgäu rechtsaußen“hat das Video veröffentlicht. Es ist dafür bekannt, Aktivisten der rechtsextremen Szene öffentlich zu outen.
Die hat sich in Babenhausen schon zu Wort gemeldet: Eine Gruppierung steckte Flugblätter mit hetzerischen Botschaften in Briefkästen. Auch Bürgermeister Otto Göppel und dem Vorsitzenden des Asylhelferkreises, Adi Hoesle, liegen diese Zettel vor. Laut Polizei ist die Aktion nicht neu: Bereits vor den sexuellen Übergriffen habe die Gruppierung Flugzettel in verschiedenen Orten verteilt. Dies sei nach den Taten wiederholt worden.