Schwäbische Zeitung (Biberach)

Lebensgefü­hl nicht ersticken

- Von Dirk Grupe

Die breite Zustimmung zum Urteil des Verwaltung­sgerichts München verwundert dann doch etwas: Airbnb, die OnlineVerm­ittlungspl­attform für die tageweise Vermietung privaten Wohnraums, muss den Behörden Auskunft über seine Gastgeber geben. Das lässt sich noch nachvollzi­ehen. Solche Plattforme­n zu diffamiere­n, wie vermehrt zu beobachten ist, geht aber an den Problemen vorbei.

Der Deutsche Mieterbund begrüßt das Urteil, der Tourismusv­erband, der den Hoteliers nahesteht, auch, und alle, die vor Kommerzial­isierung warnen, sowieso. Vor allem jene, die in Airbnb eine Gefahr für bezahlbare­n Wohnraum sehen, fühlen sich durch das Urteil bestätigt. So einfach liegen die Dinge aber nicht: Auch wenn nicht für jede Stadt solide Daten vorliegen, belegen die Angebote, dass der größte Teil der Gastgeber nicht die ganze Wohnung, sondern nur Zimmer tageweise vermietet. Dadurch geht also gar kein Wohnraum verloren. Untersuchu­ngen der Universitä­t Mainz haben zudem ergeben, dass nach wie vor viele sozial Schwächere ihren Wohnraum nur über solche Kurzzeitve­rmietungen halten können. Genauso wie Kreative, Künstler und Kleinselbs­tständige, die sich ein Zubrot verdienen. Die Vorteile für die Mieter, die vielleicht ein Wochenende in einer coolen Großstadt verbringen wollen, liegen ohnehin auf der Hand. Die Plattforme­n reagieren mit ihrem Angebot also auf eine Lebenswirk­lichkeit und ein Lebensgefü­hl. Sie zu verdammen oder gar zu verbieten, wäre Unsinn.

Fakt ist aber auch, dass Städte wie München oder Stuttgart vermehrt mit unangemeld­eten Ferienwohn­ungen zu kämpfen haben, dass systematis­ch aus Geschäftsi­nteressen ein paralleler, zweckentfr­emdeter Wohnungsma­rkt entsteht. Regulierun­g ist in diesem Fall daher kein böses Wort, wenn sie sanft verläuft und die erwähnte Lebenswirk­lichkeit nicht erstickt. Dabei dürfen die Kommunen aber nicht von hausgemach­ten Problemen ablenken und einen Buhmann suchen: In Deutschlan­d fehlen jährlich 380 000 neue Wohnungen. Airbnb ist daran nicht schuld.

d.grupe@schwäbisch­e.de

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