Schwäbische Zeitung (Biberach)
Dichterische Freiheit und Wahrheit
Rheinland-Pfalz überprüft Ehrung für Schriftsteller Robert Menasse
MAINZ (dpa) - Die Einladungen für die Verleihung der Carl-ZuckmayerMedaille des Landes RheinlandPfalz am 18. Januar sind schon lange gedruckt – nun aber sind Zweifel an der Würdigung des österreichischen Schriftstellers Robert Menasse aufgekommen. Nach Vorwürfen zum Umgang mit Zitaten und historischen Daten überprüft die Landesregierung von Rheinland-Pfalz die geplante Ehrung am 18. Januar.
„Aufgrund der Debatte um umstrittene Äußerungen des österreichischen Schriftstellers Robert Menasse suchen wir das Gespräch mit dem Autor und den Mitgliedern der Fachkommission, die ihn als Preisträger vorgeschlagen hatte, um den Sachverhalt zu prüfen,“sagte eine Sprecherin der Staatskanzlei in Mainz.
Menasse hatte in einem Roman behauptet, dass der erste Kommissionspräsident des EU-Vorläufers Europäische Wirtschaftsgemeinschaft, Walter Hallstein, seine Antrittsrede 1958 auf dem Gelände des früheren NS-Vernichtungslagers Auschwitz gehalten haben soll. Das war aber nicht der Fall.
In einem Gastbeitrag für die Zeitung „Die Welt“(Samstag) schreibt Menasse, diese Information zur Hallstein-Rede habe er bei seinen Recherchen für den Roman „Die Hauptstadt“bekommen und ohne weitere Prüfung verwendet, „denn für Romane gelten andere Regeln als für Doktorarbeiten. Falls dieses Detail als historisches Faktum missverstanden wurde, tut mir das leid.“Er könne nicht ausschließen, dass er in Podiumsgesprächen nach Lesungen selbst zu einem solchen Missverständnis beigetragen habe. Der 64jährige Wiener Autor hatte den Roman, in dem es um das Ansehen der EU geht, 2017 veröffentlicht. Das Werk wurde mit dem Deutschen Buchpreis ausgezeichnet.
Bereits Ende 2017 warf ein Historiker Menasse vor, Hallstein zu einer tatsächlich gehaltenen Rede falsch zitiert zu haben. Damals reagierte Menasse nach einem Bericht der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“mit dem Argument, dass ein Dichter andere Freiheiten im Umgang mit Quellen und Zitaten habe als ein Wissenschaftler oder ein Journalist. Menasse räumte nun in dem Gastbeitrag für „Die Welt“Fehler ein: „Die Anführungszeichen waren, vom wissenschaftlichen Standpunkt betrachtet, ein Fehler. Dafür entschuldige ich mich, das tut mir leid.“Er habe selbst verschiedentlich darauf hingewiesen, dass er Hallstein nicht wörtlich, sondern sinngemäß wiedergegeben habe. Die Kritik an seinem Umgang mit Zitaten bezeichnete Menasse als „künstliche Aufregung“.
Der rheinland-pfälzische CDUFraktionschef Christian Baldauf sprach von „einer Art Geschichtsfälschung, die nicht hingenommen und mit der Carl-Zuckmayer-Medaille gewürdigt werden darf“. Menasse habe nachweislich „in Reden und Aufsätzen erdichtete Sätze als Fakten ausgegeben“. Der AfD-Landesverband Rheinland-Pfalz forderte über Twitter, „Zitatfälscher Robert Menasse“dürfe den Preis nicht erhalten, und fügte hinzu: „Wer zu Gunsten einer politischen Botschaft Zitate und Ereignisse fälscht, ist lediglich plumper politischer Stimmungsmacher!“
Die Zuckmayer-Medaille wird von der Ministerpräsidentin verliehen. Ausgewählt wird der oder die Preisträgerin von einer Kommission unter Vorsitz von Kulturminister Konrad Wolf (SPD). Unter den 14 weiteren Mitgliedern der Kommission ist auch die Vorjahrespreisträgerin Yoko Tawada.