Schwäbische Zeitung (Biberach)

Die Bekleidung­s- und Textilindu­strie im Südwesten

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Rund 21 200 Beschäftig­te haben 2017 nach Zahlen des statistisc­hen Landesamte­s in der Textil- (11 500 Beschäftig­te) und Bekleidung­sindustrie (9700 Beschäftig­te) – deutlich weniger als vor einigen Jahrzehnte­n. Demnach waren es 2008 noch insgesamt 24 000 Beschäftig­te (13 000 in der Textil und 11 000 in der Bekleidung­sindustrie), zur Jahrtausen­dwende lag die Gesamtzahl bei 41 000, 1995 sogar bei 55 000 Beschäftig­ten. „Viele Bekleidung­sunternehm­en Baden-Württember­gs haben ihre Produktion mittlerwei­le ins Ausland verlagert. Die Textiler dagegen produziere­n noch überwiegen­d hier“, erklärt Bodo Bölzle, Präsident des Branchenve­rbandes Südwesttex­til. Während die Stimmung laut Südwesttex­til in der klassische­n Bekleidung­sindustrie verhalten ist, sind technische Textilien seit einigen Jahren der Wachstumst­reiber für die Branche in Baden-Württember­g. Laut Südwesttex­til wuchs der Umsatz in diesem Bereich in den vergangene­n acht Jahren um rund 64 Prozent. Im klassische­n Modebereic­h drücken Insolvenze­n im Einzelhand­el, aber auch die Fusion von Karstadt und Kaufhof aufs Geschäft. „Modeuntern­ehmen müssen ihre Vertriebsk­anäle ausbauen“, sagte der Hauptgesch­äftsführer von Südwesttex­til, Peter Haas und nennt als Positivbei­spiel die Hemdenmark­e Olymp, die

2013 ein 40 Millionen Euro teures Logistikze­ntrum am Heimatstan­dort Bietigheim-Bissingen eröffnet hat. Oder auch Schiesser: Vor zehn Jahren – am 9. Februar 2009 – hatte die Traditions­firma aus Radolfzell am Bodensee Insolvenz angemeldet. Nach gut anderthalb Jahren galt das Unternehme­n als saniert, 2012 wurde ein Börsengang abgesagt und der israelisch­e Konzern Delta Galil übernahm die Firma. Seitdem geht es mit Schiesser bergauf – und das ist kein Einzelfall: Auch andere Wäschehers­teller aus Baden-Württember­g sind im Aufwind. Die Hersteller Mey und Trigema – beide noch in Famili-

enhand – verzeichne­n seit Jahren wachsende Umsätze.

Dabei ist das Umfeld nicht gerade einfach. „Der Markt für Wäsche war in den vergangene­n Jahren relativ stabil, 2018 eher leicht rückläufig“, sagt Richard Federowski von der Unternehme­nsberatung Roland Berger. „Mode als Differenzi­erungsmerk­mal funktionie­rt nicht mehr wie früher.“Unterwäsch­e hat es noch schwerer. Denn was drunter getragen wird, sieht man nicht. Hinzu kommt neue Konkurrenz, Modeketten wie H&M oder Primark.

Ähnlich wie Trigema hat Mey entschiede­n, den Kostenwett­bewerb nicht mitzumache­n, sondern auf Qualität zu entspreche­nden Preisen zu setzen. 85 Prozent der Stoffe werden selbst hergestell­t, eingesetzt wird beispielsw­eise handgepflü­ckte Baumwolle aus Peru. Nach Einschätzu­ng des Modeexpert­en Federowski der richtige Weg: „Nur Hersteller und Retailer, die auf Innovation und besondere Produkte setzen, können sich von den Wettbewerb­ern abheben“, sagt der Berater. „Gewinner finden ihren Platz eher in der Nische.“Ebenfalls ein Grund für den Erfolg: neue Verkaufsst­rategien der Hersteller, wie Trigema-Chef Wolfgang Grupp erklärt: „In den vergangene­n Jahrzehnte­n haben wir drei Mal große Kunden ausgetausc­ht, zuerst die Kaufhaus- und Versandhau­skönige, dann SB-Warenhäuse­r und dann zum Schluss die Discounter.“Dann habe er erkennen müssen, dass er auch als Produzent einen Teil des Handels übernehmen müsse, um nicht in totale Abhängigke­it von einzelnen Großkunden zu kommen. Gut zwei Drittel der Trigemawäs­che vertreibt er nun selbst – in eigenen Läden und online. Der Rest geht an Handel und Industrie. Auch Teile oder gar die gesamte Produktion beziehungs­weise Fertigung in Baden-Württember­g sitzen zu haben, macht diese Unternehme­n flexibel nach eigenen Angaben und sie können schnell auf Trends reagieren – ein weiterer Vorteil. (mws/dpa)

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FOTO: DPA Unterwäsch­e von Schiesser: Bekleidung­sherstelle­r im Südwesten haben Erfolg in der Nische.

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