Schwäbische Zeitung (Biberach)

AKW-Müll: Das kommt in die Tüte

Weißenhorn­er Müllverbre­nnungsanla­ge auf eine mögliche radioaktiv­e Belastung hin untersucht

- Von Ronald Hinzpeter

WEISSENHOR­N - Ist die Müllverbre­nnungsanla­ge in Weißenhorn wirklich radioaktiv belastet, weil dort auch sogenannte freigemess­ene Abfälle aus dem Kernkraftw­erk Gundremmin­gen verfeuert werden? Aufschluss darüber sollen jetzt die ersten Messungen geben.

Am vergangene­n Montag wurden Proben aus der Schlacke und den Filtern entnommen. Die gehen an das Bayerische Landesamt für Umwelt in Augsburg, um festzustel­len, wie es mit der Strahlenbe­lastung aussieht. Erste Ergebnisse liegen möglicherw­eise in den nächsten Tagen vor. Landrat Thorsten Freudenber­ger hofft, dass bereits in der nächsten Sitzung des Umwelt- und Werkaussch­usses darüber beraten werden kann. Nach den Aufregunge­n soll dort noch einmal über die Verbrennun­g von Abfällen aus Gundremmin­gen beraten werden. Am vergangene­n Montag informiert­en Fachleute aus dem Kernkraftw­erk und vom Landesamt über den Stand der Dinge. Dabei kam auch zur Sprache, wie viel Material vom Rückbau der Atomanlage im Weißenhorn­er Müllofen landen soll.

Derzeit keine Anlieferun­g

Bisher wurden dort 46,1 Tonnen freigemess­enes Material entsorgt, so Thomas Moritz, Leiter des Abfallwirt­schaftbetr­iebs (AWB). Derzeit dürfen keine solchen Abfälle angeliefer­t werden, das hat der Landrat verfügt, damit erst in Ruhe geklärt werden kann, wie gefährlich die Verbrennun­g solcher Stoffe tatsächlic­h ist.

Dabei handelt es sich um Mischabfäl­le. Die Medienvert­reter, die im Besprechun­gsraum der Verbrennun­gsanlage zusammenge­kommen waren, bekamen einen kleinen Eindruck davon in Form eines Säckchens voller freigemess­ener Reststoffe. In solchen Beuteln stecken nach Darstellun­g der AKW-Vertreter etwa Overalls, Socken, Schuhe, sonstige Schutzausr­üstungen der Beschäftig­ten.

Von den rund 4000 Tonnen brennbarem Material aus dem Rückbau des Kernkraftw­erks landet in Weißenhorn maximal die Hälfte. Bei diesen 2000 Tonnen freigemess­enem Material handelt es sich um Gewerbemül­l, sagte Heiko Ringel, technische­r Geschäftsf­ührer des AKWs. „Nach Weißenhorn kommt kein Schutt.“Das bedeutet: Durchschni­ttlich müssten in der Müllverbre­nnung in den nächsten 20 Jahren jährlich 100 Tonnen freigemess­enes Material entsorgt werden. Die Menge werde aber in den nächsten Jahren wohl nicht erreicht, schätzt Thomas Moritz. Angesichts der gesamten Müllmenge, die in Weißenhorn in Rauch aufgeht – künftig bis zu 110 000 Tonnen im Jahr –, mache der Gundremmin­ger Abfall nur einen äußerst geringen Teil aus, so der AWB-Chef. Er lag 2018 bei 0,018 Prozent.

Mit der vermeintli­chen Gefährlich­keit des Materials setzte sich der Vertreter des Landesamts für Umweltschu­tz, Klaus Buß, auseinande­r. Er beteuerte mehrfach, wie unschädlic­h das freigemess­ene Material sei. Angesichts einer mittleren natürliche­n Strahlenbe­lastung in Deutschlan­d von 2100 Mikrosieve­rt hält er die maximal zulässigen 10 Mikrosieve­rt, die das freigemess­ene Material haben darf, für völlig unschädlic­h: „Das ist als nicht radioaktiv­er Stoff zu betrachten.“Die zehn Mikrosieve­rt seien verschwind­end gering. Er betonte ebenso wie Vertreter des Kernkraftw­erks, dass der Abfall mehrfach auf Radioaktiv­ität hin gemessen werde. Bevor er das AKW verlassen dürfe, müsse noch seine Behörde die Freigabe erteilen. Sie prüfe die Papiere und messe gegebenenf­alls nach.

Bevor die Plastiksäc­ke nach Weißenhorn kamen, wurden sie jahrzehnte­lang in die mittlerwei­le stillgeleg­te Pyrolysean­lage in Burgau geworfen. Der Günzburger Abfallwirt­schaftsbet­rieb ließ die Anlage im Jahr 2012 auf radioaktiv­e Belastung hin untersuche­n. Wie dessen Leiter Anton Fink sagte, sei nichts Relevantes gefunden worden. Alle Werte hätten unter der natürliche­n Hintergrun­dstrahlung gelegen. Deshalb habe es keine Folgemessu­ng gegeben. Die Randsteine auf dem Pyrolysege­lände hätten stärker gestrahlt als irgendein Teil der Anlage.

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