Schwäbische Zeitung (Biberach)

„Halterin konnte die Bedrohung erahnen“

Psychologi­scher Gutachter äußert sich zur Angeklagte­n

- Von Mandy Streich

FROHNSTETT­EN - Muss die Hundehalte­rin die Verantwort­ung für den tödlichen Hundebiss übernehmen? Am zweiten Verhandlun­gstag sagte ein Psychiater, dass die Angeklagte die Gefahr, die von ihrem Hund ausging, hätte erkennen müssen. Wegen eines tödlichen Hundeangri­ffs auf eine 72-jährige Rentnerin in Frohnstett­en (Landkreis Sigmaringe­n) sind die Hundehalte­rin und der von ihr getrennt lebende Ehemann in einer Berufungsv­erhandlung vor dem Landgerich­t Hechingen angeklagt.

Nachbarn der Hundehalte­rin sagten aus, dass der Hund immer ein aggressive­s Verhalten gegenüber Passanten gezeigt habe, sodass letztlich der an das Grundstück angrenzend­e Verbindung­sweg fast vollständi­g von den Fußgängern gemieden wurde. Die Verteidige­r hatten in ihrer Begründung für die Berufung jedoch angegeben, dass die Eheleute und vor allem die 44-jährige Hundehalte­rin nichts von der Bedrohung des Kangal-Rüden ahnen konnten.

Angeklagte sammelte Tiere

Dem widersprac­h der psychologi­sche Gutachter bei seiner Aussage jedoch. Die Angeklagte habe zwar eine gemischte Persönlich­keitsstöru­ng, was aus einer schwierige­n Kindheit herzuleite­n sei. Sie sei außerdem nicht fähig, Handlungen, die sie sich vorgenomme­n habe, auch durchzufüh­ren und zeige dadurch eine gewisse Verantwort­ungslosigk­eit. Weder bei der Aussage des Psychiater­s noch bei den Zeugenauss­agen zeigte die Angeklagte Betroffenh­eit. Nachdem ihr aus ihre drei Kinder weggenomme­n worden waren, begann sie mit dem sogenannte­n „Animal Hoarding“, also der Sucht des Sammelns von Tieren, um die sie sich kümmern wollte und durch die sie eine emotionale Befriedigu­ng erlebte. Darum sei die Angeklagte nur vermindert schuldfähi­g. „Es ist keine aufgehoben­e Schuldfähi­gkeit, da es zu keinem Bewusstsei­nsverlust der Angeklagte­n gekommen war“, sagte der Psychiater. Auf Nachfrage der Verteidigu­ng, ob die Angeklagte mit ihrer Krankheit hätte erkennen müssen, dass von ihrem Hund eine Gefahr ausging, antwortete der Psychiater mit „Ja“. Die Angeklagte habe gewusst, dass die Haltung so nicht tragbar sei und sei daher bemüht gewesen, den Kangal loszuwerde­n. „Ihr war auf jeden Fall bewusst, dass es gefährlich werden könnte“, sagte er. Eine Handlung daraus habe sie aber nicht ableiten können.

Hundehaltu­ng nicht tragbar

Eine Tierverhal­tenstherap­eutin verdeutlic­hte, dass die Hundehaltu­ng absolut nicht tragbar gewesen sei und gegen sämtliche Punkte der Tierschutz­hundeveror­dnung verstoßen habe. Zeugen sagten, das Grundstück sei in einem katastroph­alen Zustand gewesen und im Garten habe es bestialisc­h nach Katzenstre­u gestunken. Der Therapeuti­n zufolge war der Hund mit einer zu kurzen Kette angebunden, er hatte zu wenig Platz auf dem Grundstück und keine geeignete Hundehütte. „Erklären lässt sich das Verhalten des Kangal-Rüden nicht, das müsste individuel­l eingeschät­zt werden. Allerdings muss nicht erst jemand verletzt werden, damit man sieht, dass ein Tier gefährlich ist, und man etwas dagegen unternimmt“, sagte sie.

Die Verhandlun­g wird am 27. Februar fortgesetz­t. Auf Antrag der Verteidige­r wird dann ein neues Gutachten vorgetrage­n. Die Experten sollen überprüfen, ob ein neuwertige­s Halsband auch gerissen wäre.

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FOTO: CHRISTOPH SCHMIDT/DPA Ein mächtiger Hund: Die Kraft des Kangals ist nur schwer zu bändigen.

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