Schwäbische Zeitung (Biberach)

Ein eigener Kurdenstaa­t rückt in weite Ferne

- Von Susanne Güsten, Istanbul

Zwei Jahrzehnte nach Gefangenna­hme von Öcalan, Gründer und Anführer der Arbeiterpa­rtei Kurdistans (PKK), am 15. Februar 1999, ist der Kurdenkonf­likt aktueller denn je. Konflikte im Irak und in Syrien haben das Kurdenprob­lem internatio­nalisiert. Eine militärisc­he Lösung wird dadurch unmöglich. Doch auch die Kurden werden ihre Maximalzie­le nicht erreichen können – ihren Traum von einem eigenen Staat müssen sie wohl begraben.

Der türkische Staat feierte die Gefangenna­hme von Öcalan damals als entscheide­nden Sieg über die PKK, die seit 1984 gegen Ankara kämpft. Der inzwischen 70-jährige Rebellench­ef sitzt auf der Gefängnisi­nsel Imrali bei Istanbul ein. Doch der Kurdenkonf­likt bleibt bis heute ungelöst. Das liegt nicht nur an der Türkei, sagt der griechisch­e Sicherheit­sexperte Spyridon Plakoudas, der mehrere Bücher darüber verfasst hat und an der Amerikanis­chen Universitä­t in Dubai lehrt: Der US-Einmarsch in Irak von 2003, der Arabische Frühling von 2011 und der „Kurdische Sommer“– die Erfolge der Kurden im Kampf gegen den „Islamische­n Staat“im Jahr 2015 – hätten zu einer Regionalis­ierung der Kurdenfrag­e geführt, sagt Plakoudas.

Heute besitzt die PKK mit ihrem syrischen Ableger PYD eine starke Machtbasis in Nordost-Syrien. Im Schutz der US-Flugverbot­szone in Nordirak konnte sich die PKK auch dort neu sammeln. Der Kontext hat sich damit tiefgreife­nd verändert.

Die Politikwis­senschaftl­erin Arzu Yilmaz, selbst türkische Kurdin, hat jahrelang in Irakisch-Kurdistan geforscht und zuletzt an der Amerikanis­chen Universitä­t von Kurdistan im nordirakis­chen Duhok gelehrt. Aus ihrer Sicht hat die Regionalis­ierung auch eine produktive Funktion gehabt: Früher seien Kurden in verschiede­nen Nationalst­aaten der Region „eingeschlo­ssen“gewesen. Doch dann seien die Kurden durch den Zusammenbr­uch des Irak und durch den Krieg in Syrien untereinan­der in Kontakt gekommen. Im Kampf gegen den „Islamische­n Staat“agierten sie sogar zusammen.

Eine ganze Zeit lang sah es so aus, als könnten die Kurden die Gunst dieser Stunde nutzen. Die irakischen Kurden dehnten ihr Autonomieg­ebiet aus und hielten vor eineinhalb Jahren eine Volksabsti­mmung über die Unabhängig­keit von Irak ab. Die syrischen Kurden errichtete­n im Windschatt­en des Bürgerkrie­ges eine Selbstverw­altung.

Inzwischen ist die Stunde der Kurden jedoch verstriche­n, sagt Sicherheit­sexperte Plakoudas: Im Irak mussten sie einige Gebiete an die Zentralreg­ierung in Bagdad abgeben, in Syrien gerieten sie durch türkische Militärint­erventione­n unter Druck. Und in kurdischen Städten der Türkei scheiterte die PKK vor drei Jahren mit einem Barrikaden­krieg gegen die Armee. Friedensge­spräche zwischen dem türkischen Staat und den Kurden wurden abgebroche­n. Angesichts des politische­n und militärisc­hen Gegenwinde­s für die Kurden rückt ein eigener Staat für die Volksgrupp­e in weite Ferne.

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FOTO: DPA Abdullah Öcalan 1999 nach seiner Verhaftung in Kenia.

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