Schwäbische Zeitung (Biberach)

Wider die Netz-Giganten

EU reformiert das Urheberrec­ht im Internet – Verlage jubeln, Kritiker mäkeln

- Von Daniela Weingärtne­r

BRÜSSEL - Für die einen ist es ein Meilenstei­n im modernen Urheberrec­ht, für die anderen der Grabstein des freien Internets. Am späten Mittwochab­end hatten Unterhändl­er von EU-Parlament, Kommission und Rat nach jahrelange­m Streit doch noch einen Kompromiss bei der Reform des Schutzes digitaler Inhalte gefunden. Die Piratenpar­tei allerdings ist unzufriede­n und kündigte für Ende März europaweit­e Demonstrat­ionen dagegen an. Die Grünen im Europaparl­ament wollen versuchen, das Gesetz in der Plenarabst­immung noch zu kippen.

Worum geht es?

Der Streit entzündet sich vor allem an zwei Punkten: Nachrichte­nkanäle wie Google News oder Yahoo müssen Verlagen auf deren Verlangen Lizenzgebü­hren zahlen, wenn sie Ausschnitt­e aus journalist­ischen Texten veröffentl­ichen wollen. Das gilt für alle Inhalte, die nicht älter sind als zwei Jahre. Ferner müssen Plattforme­n wie Youtube sicherstel­len, dass ihre Nutzer nur rechtefrei­es Material hochladen.

Gibt es Ausnahmen?

Kleine Textschnip­sel oder einzelne Wörter dürfen aus Verlagsmat­erial genutzt werden, ohne dass Gebühren fällig werden. Plattforme­n, deren Unternehme­nsgründung keine drei Jahre zurücklieg­t, deren Jahresumsa­tz weniger als zehn Millionen Euro beträgt und die weniger als fünf Millionen Besucher monatlich haben, sind von der Vorschrift ausgenomme­n, das Copyright sämtlichen Materials zu prüfen. Die grüne EU-AbEinsatz, geordnete Julia Reda glaubt allerdings, dass auch größere Unternehme­n damit überforder­t sind. Uploadfilt­er taugten wenig, da sie legales nicht von illegalem Material unterschei­den könnten. Eine totale Blockade des Internets sei die Folge.

Was sind Upload-Filter?

Dabei handelt es sich um eine Software, die Informatio­nen und Daten beim Hochladen auf eine Webseite überprüft. Illegale oder urheberrec­htlich geschützte Inhalte werden durch den Filter abgewiesen. Dabei kommen Algorithme­n zur Bild-, Sprach- und Texterkenn­ung zum die allerdings bislang nicht ausgereift sind. Laut Reda sind sie nicht in der Lage, den Unterschie­d zwischen Urheberrec­htsverletz­ungen und zum Beispiel einer Nutzung in satirische­r Absicht zu erkennen. „Selbst anspruchsv­olle Upload-Filter blockieren regelmäßig völlig legale Inhalte“, sagt Reda. Kleinere Betriebe, die sich keine derartigen Filter leisten können, seien in ihrer Existenz bedroht.

Dürfen Privatleut­e weiter Inhalte teilen?

Ja. Das Verbreiten von Schnipseln, Fotos oder anderen Inhalten für private Zwecke ist von den Schutzbest­immungen ausgenomme­n – „als Zitat, Kritik, Besprechun­g, Karikatur oder Parodie“, wie das EU-Parlament nach der Einigung mitteilte. Die bei Internetnu­tzern sehr beliebten „Memes“und „Gifs“dürfen weiterhin auf Online-Plattforme­n verbreitet und geteilt werden.

Wem nutzt die Reform?

Verleger können sich nun auf eine EU-weite Gesetzgebu­ng berufen, wenn sie mit Google und Co. über Nutzungsli­zenzen verhandeln. Allerdings zeigt sich in Spanien und Deutschlan­d, wo es jetzt schon entspreche­nde Schutzgese­tze gibt, dass sich die Internetri­esen stur stellen und auf ihre Marktmacht vertrauen. Bei Google zitiert zu werden, sichert eine riesige Verbreitun­g, die ein Verlag aus eigener Kraft nicht erreichen könnte. Das ist für viele so attraktiv, dass sie bereitwill­ig gratis die Plattforme­n füttern – und die anderen, die auf ihrem Urheberrec­ht bestehen, werden einfach abgehängt.

Wie geht es nun weiter?

Das EU-Parlament tagt noch je zwei Mal im März und April, bevor es in die heiße Phase des Europawahl­kampfs eintritt. Da sowohl Konservati­ve als auch Sozialiste­n den Kompromiss gutheißen, wird die erforderli­che Mehrheit wohl zustande kommen. Dann muss die Richtlinie in Kraft treten und in den Mitgliedsl­ändern in nationale Gesetze umgesetzt werden. Erst danach wird man sehen, ob sie dazu taugt, die Rechte von Autoren, Fotografen, Filmemache­rn und Verlagen besser zu schützen oder ob sie den freien Austausch von Inhalten und Ideen im Internet abwürgt.

 ?? FOTO: DPA ?? Schattenri­ss vor einem Logo von Youtube: Das Ziel des neuen Gesetzes ist der Schutz digitaler Inhalte – auch auf Plattforme­n wie Youtube.
FOTO: DPA Schattenri­ss vor einem Logo von Youtube: Das Ziel des neuen Gesetzes ist der Schutz digitaler Inhalte – auch auf Plattforme­n wie Youtube.

Newspapers in German

Newspapers from Germany