Schwäbische Zeitung (Biberach)
Brexit könnte Arbeitsplätze im Kreis Biberach gefährden
Allerdings halten sich die Verluste in Grenzen – Möglicherweise gibt es sogar einen positiven Effekt
BIBERACH - Ein ungeordneter Brexit ist nach wie vor nicht vom Tisch. Sollte es am 29. März tatsächlich zu einem Austritt Großbritanniens ohne Vertrag mit der EU kommen, könnten im Landkreis Biberach 354 Arbeitsplätze wegfallen. Zu diesem Schluss kommen Wissenschaftler. Beschäftigte, denen deshalb gekündigt wird, sollten sich umgehend bei der Agentur für Arbeit melden. Möglicherweise könnte der Brexit sogar etwas Positives haben.
Die Arbeitsplätze von 100 000 Menschen in Deutschland könnten wegen eines „harten“Brexits gefährdet sein, wie Wissenschaftler des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung Halle und der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg simulierten. Besonders betroffen sind dabei Baden-Württemberg und Bayern. Wie berichtet, könnten im Kreis Biberach 354 Stellen in der Folge gestrichen werden, was 0,34 Prozent der Beschäftigten entspricht. Nach Angaben der Agentur für Arbeit Ulm sind im Kreis Biberach derzeit knapp 85 000 Frauen und Männer sozialversicherungspflichtig beschäftigt.
Wie realistisch die genannte Zahl der Arbeitsplatzverluste durch einen ungeordneten Brexit ist, können die Mitarbeiter der Agentur für Arbeit Ulm derzeit nicht sagen. Der Behörde liegen keine empirisch gesicherten Daten zu diesem Thema vor, wie Sprecher Michael Wägerle der „Schwäbischen Zeitung“mitteilte. Die Agentur für Arbeit Ulm ist auch für den Landkreis Biberach zuständig. Klar ist hingegen aber, dass der Austritt Folgen haben wird: „Politische Entscheidungen und wirtschaftliche Entwicklungen, national wie international, werden immer auch Einfluss auf den Arbeitsmarkt haben, so auch der bevorstehende Brexit.“In welcher Ausprägung die Beschäftigten dies zu spüren bekommen, bleibt aber unklar. Zumal das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) davon ausgeht, dass weniger der Brexit-Effekt auf den Arbeitsmarkt Auswirkungen hat. Stattdessen rechnet das Institut mehr mit Folgen für die Konjunktur. Doch hierbei sind offenbar in den kommenden Wochen keine dramatischen Einbrüche zu erwarten – im Gegenteil.
„Das aktuelle IAB-Arbeitsmarktbarometer zeigt für die nächsten drei Monate eine weiter steigende Beschäftigung und einen weiterhin moderaten Abbau der Arbeitslosigkeit an“, erläutert Wägerle. Der Blick auf die Zahlen im Kreis Biberach bestätige, dass der regionale Arbeitsmarkt insgesamt „sehr robust“dastehe: „Die Arbeitslosigkeit ist gering, die Personalnachfrage auf Rekordniveau und die Beschäftigung wächst.“
So hilft die Agentur für Arbeit
Sollte trotzdem jemand seinen Job verlieren, und das gilt ganz unabhängig vom Brexit, sollten sich Betroffene möglichst zügig mit der Agentur für Arbeit in Verbindung setzen: „So kann rechtzeitig alles Nötige unternommen werden, um schnell wieder eine Anstellung zu finden.“Der Sprecher nennt Vermittlung, Beratung, Coaching, Qualifizierung oder Weiterbildung als Beispiele hierfür.
Eventuell könnte der Brexit sogar für die hiesigen Firmen einen Vorteil mit sich bringen. Denn im Kreis Biberach geht es laut Agentur für Arbeit kurz- wie langfristig um die Fachkräftesicherung, weil in einigen Branchen schon heute qualifizierte Mitarbeiter fehlen.
„Interessant wird es, zu sehen, ob sich der Brexit im Sinne der Fachkräftesicherung sogar positiv auswirken könnte, etwa mit Blick auf die Fachkräftemigration innerhalb der EU“, so Wägerle. Heißt: Wenn eine europäische Fachkraft in Großbritannien aufgrund rechtlicher Hürden nicht länger arbeiten kann, sucht sie vielleicht verstärkt in Deutschland nach einer Anstellung.