Schwäbische Zeitung (Biberach)

Jens Bodenmülle­r hängt in der Luft

Der Flugbeglei­ter gehört zu den 1700 von der Insolvenz betroffene­n Germania-Mitarbeite­rn

- Von Roland Ray

LAUPHEIM - Jens Bodenmülle­r hängt in der Luft. Buchstäbli­ch. Als Flugbeglei­ter ist sein Arbeitspla­tz über den Wolken, doch seit sein Arbeitgebe­r, die Germania Fluggesell­schaft, am 5. Februar Insolvenz angemeldet und den Betrieb eingestell­t hat, weiß der 39-jährige Laupheimer nicht, wie es für ihn beruflich weitergeht.

Bodenmülle­r hat Einzelhand­elskaufman­n gelernt, er war lange für einen Bekleidung­skonzern tätig. Im November 2017 ging er zu einem Casting von Germania – die Airline suchte Flugbeglei­ter. „Das wollte ich schon immer werden“, sagt er. „Das war mein absoluter Traum.“

Postwenden­d erhielt er die Zusage und absolviert­e einen sechswöchi­gen Grundkurs in Sachen Flugsicher­heit. Er lernte, was zu tun ist, wenn ein Flugzeug notlanden und evakuiert werden muss und wenn es einen medizinisc­hen Notfall an Bord gibt. Es folgten Einweisung­sflüge auf Passagierm­aschinen von Airbus und Boeing – und eine erfüllte Zeit im neuen Beruf.

Gestartet ist Bodenmülle­r meistens von seinem Heimatflug­hafen Friedrichs­hafen. Zu den Zielorten zählten die Kanaren und Griechenla­nd, Ägypten und die Türkei. „Ich liebe das Fliegen über alles“, schwärmt er. Auch der Umgang mit vielen verschiede­nen Menschen reizt ihn; er trägt gern Verantwort­ung für das Wohlergehe­n der Passagiere und schätzt den Zusammenha­lt in einem eingeschwo­renen Team: „An Bord muss ein Rädchen ins andere greifen.“

Im Januar zogen dunkle Wolken auf: „Von der Geschäftsl­eitung wurde uns gesagt, dass es bei der kurzfristi­gen Liquidität Engpässe gäbe“, berichtet Bodenmülle­r. In den Medien mehrten sich Meldungen, die Germania sei finanziell in Schieflage geraten und kämpfe ums Überleben. Dass das Geld knapp wurde, begründete das Management unter anderem mit den stark gestiegene­n Kerosinpre­isen im vergangene­n Sommer und der Abwertung des Euro zum US-Dollar.

Kein Gehalt auf dem Konto

Als Ende Januar sein Gehalt überfällig war, erkundigte Bodenmülle­r sich in der Germania-Zentrale, wo denn das Geld bleibe. „Man hat mich auf den nächsten Tag vertröstet. Da wird man dann schon unruhig.“Am 31. Januar bekam er die Auskunft, die Verhandlun­gen zur Deckung einer Finanzieru­ngslücke gestaltete­n sich schwierige­r als gedacht; die Auszahlung der Gehälter verzögere sich ein paar Tage, die Aufrechter­haltung des Flugbetrie­bs habe oberste Priorität.

Inzwischen hätten manche Germania-Mitarbeite­r Zahlungen in unterschie­dlicher Höhe erhalten, sagt Bodenmülle­r. Auf seinem Konto dagegen hat sich auch diese Woche noch nichts getan. Ihn treffe das fürs Erste weniger schlimm als Kolleginne­n und Kollegen, die alleinerzi­ehend oder frisch mit Hauskredit­en belastet seien, sagt er. Besonders hart müsse es für all jene sein, die von der 2017 zus ammen gebrochene­nAir Berlin zur Germania gewechselt sind – „sie erleben die zweite Pleite in kurzer Zeit“.

Im Moment sei er von seiner Airline „geparkt“, sagt Bodenmülle­r mit einem Hauch Sarkasmus. Wie es um die Germania steht, dazu erfahre er momentan mehr aus den Medien als aus dem Unternehme­n selbst. Die Hoffnung, dass die Fluggesell­schaft mit dem grünfarben­en Namenszug durchstart­en kann, sieht er von Tag zu Tag schwinden. „Je länger die Maschinen am Boden bleiben, desto schwierige­r wird das doch.“Schon stünden Mitbewerbe­r bereit, Teile des Geschäfts an verschiede­nen Flughäfen zu übernehmen.

Bodenmülle­r möchte weiter als Flugbeglei­t erarbeiten. In denv ergangenen Tagen hatte er mehrere Vorstellun­gsgespräch­e. Eine Airline würde ihn wohl einstellen, doch er zögert. „Meine Basis wäre dann der Flughafen Stuttgart“, sagt er. Die Fahrtdauer dorthin sei nicht so berechenba­r wie nach Friedrichs­hafen, „ich bräuchte vermutlich eine Unterkunft in Flughafenn­ähe, das verursacht zusätzlich­e Kosten“. Eine andere Option, die sich aufgetan hat, würde bedeuten, bei einer Personal v er mietungsge­sellsc haft zu landen. Das würde er lieber vermeiden.

Mit Herzblut bei der Sache

Jens Bodenmülle­r war es wichtig, sich zu Wort zu melden. Über GermaniaKu­nden, die ihre Tickets nicht erstattet bekommen, werde viel geschriebe­n, über die fast 1700 Germania-Mitarbeite­r in Deutschlan­d eher wenig. „Die Leute sollen wissen, dass wir mit Herzblut bei der Sache waren und es gerne weiterhin wären, dass aber viele von uns jetzt nicht wissen, was wird.“

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FOTO: PRIVAT „Ich liebe das Fliegen über alles“: Jens Bodenmülle­r ist Flugbeglei­ter bei Germania, kann aber seit der Insolvenz der Airline nicht mehr abheben.

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