Schwäbische Zeitung (Biberach)

Die beliebten Provokateu­re

Wie eine Äpfinger Gruppe seit 20 Jahren mit Fasnetswag­en für Stimmung sorgt

- Von Andreas Spengler

ÄPFINGEN - Die Äpfinger Fasnet hat etwas, das andere Gemeinden nicht haben: die Umzugswage­n, die jedes Jahr am Fasnetsson­ntag durch den Ort rollen. Dahinter stecken engagierte Narren wie Klaus Beller und Wolfgang Gestle. Vor 20 Jahren bauten sie ihren ersten Fasnetswag­en, seitdem sprudeln jedes Jahr die Ideen. Mal provoziere­nd, mal kritisch, aber stets erheiternd müssen die Themen sein – die Vorbereitu­ngen für dieses Jahr haben bereits begonnen.

Themen suchen Klaus Beller, Wolfgang Gestle und ihre Freunde das ganze Jahr über. Ernst wird es aber erst, wenn die Saunazeit beginnt. Dann sitzen die Männer gemeinsam im Heißen und beratschla­gen. „Da gibt’s dann schon auch mal Diskussion­en“, erzählt Gestle. „Manchmal haben wir auch schon Themen kurzfristi­g über den Haufen geworfen.“

Bis zum Fasnetsson­ntag muss der Umzugswage­n fertig sein – das gelingt den Narren seit 20 Jahren. 2000 fassten die drei Freunde Klaus Beller, Wolfgang Gestle und Roland Hecht den Entschluss, am Äpfinger Umzug teilzunehm­en. „Damals gab es immer mehr Maskengrup­pen. Dann haben wir gesagt, mit einem Wagen würden wir die Veranstalt­ung beleben“, erinnert sich Gestle. Zu dieser Zeit war Tabledance angesagt. Das erste Thema war geboren. „Wir sind damals ganz verstohlen in einen Erotikshop gegangen und haben eine Gummipuppe gekauft“, erzählt Beller lachend. „Aber niemand hat uns geglaubt, dass wir die für die Fasnet brauchen“. Die Puppe wurde auf den Traktor gesetzt und eine andere mit einem Seil an einer Stange hoch und runter gezogen.

Damals kam die Musik noch aus einem kleinen Autoradio, inzwischen fahren die Äpfinger jedes Jahr eine Musikanlag­e auf – und sind ihren provokante­n Themen treu geblieben: Vom Traum eines „Öchsle 21“, dem Banküberfa­ll in Maselheim im November 2011 bis zu Trumps Mauerbau. Nur einen gemeinsame­n Namen haben die Äpfinger Freunde noch nicht gefunden. Da aber die meisten Mitglieder in der selben Straße wohnen, werden sie seitdem als die Gruppe „Schubertwe­g“bezeichnet. Und längst sind aus den Nachbarn gute Freunde geworden, die auch außerhalb der Fasnet Zeit miteinande­r verbringen.

Mindestens genauso wichtig wie der Umzug selbst, sind die Vorbereitu­ngen, wenn Beller, Gestle und die anderen jedes Wochenende mit dem Bau des Wagens verbringen. Dieses Jahr sind elf Personen im Team dabei, darunter größtentei­ls Männer. Von Anfang an dabei ist aber auch Doris Hummler aus Bad Buchau. Wenn die Männer schrauben, bohren, hämmern, kümmert sie sich um die künstleris­chen Aspekte. „Einer muss ja malen und streichen“, sagt sie lachend. „Weil ich das mache, war ich auch immer akzeptiert in der Männerrund­e.“Manches Material besorgt die Gruppe in Baumärkten, vieles Im Jahr 2000 waren die Äpfinger zum ersten Mal mit einem Wagen bei der Fasnet in Äpfingen dabei.

bekommt sie von Freunden oder den Äpfinger Landwirten, die am Wagen mitbauen. „Am Ende wird’s

jedes Jahr knapp mit der Zeit“, sagt Gestle. Das Thema für dieses Jahr steht jedenfalls bereits. „Verraten wollen wir es aber noch nicht“, sagt Beller. Ideen hätte es im Voraus viele gegeben, von den Diskussion­en um den Äpfinger Funkmast bis zu den Problemen, die der Biber verursacht. Am Ende aber hat es keines der Themen geschafft. „Wir wollen Neugierde wecken, damit die Leute vorbei kommen“, betont Beller. Heute schon fiebert er dem Umzug entgegen. Die Euphorie halte auch in den Stunden danach noch an. Erst am nächsten Morgen beginnt dann das große Aufräumen. „Dann müssen wir alles abbauen und den Müll entsorgen.“Meist geht die ganze Gruppe dann nochmals gemeinsam essen.

Umzug bei Sturm und Regen

Ob sie auch im kommenden Jahr wieder dabei sind, sei noch nicht klar. „Jetzt machen wir dieses Jahr fertig, dann sammeln wir neue Kräfte“, meint Beller. Der 56-Jährige war lange Jahre auch noch Büttel und die Fasnet hat ihn auch weiter ihm Griff. Jeden ihrer Wagen haben die Äpfinger Narren genau dokumentie­rt. Beller sagt: „Wenn man die alten Bilder anschaut, gibt das immer wieder neue Motivation.“

Jedes Mal wurden die Narren mit Spaß und dem Lob der Zuschauer belohnt. Nur einmal, erinnert sich Gestle, machten Sturm und Platzregen den Narren einen Strich durch die Rechnung: „Da bin ich soichnass auf dem Wagen gesessen.“Die Zuschauer flüchteten ins Trockene, die Narren aber blieben. „Ich könnte mir nie vorstellen, beim Umzug nur zuzuschaue­n“, meint Beller. „Nur wenn man beim Umzug mitläuft, ist man auch wirklich dabei.“

Der traditonel­le Fasnetsumz­ug findet am Sonntag, 3. März, ab 14 Uhr in Äpfingen statt.

 ?? FOTO: PRIVAT ?? Seit 20 Jahren provokant, lustig und ein bisschen frivol: Mit diesem Wagen griffen der Äpfinger Klaus Beller (vorne) und seine Freunde 2010 die Debatte in der Gemeinde um Schwalben auf, die auf einem alten Bauernhaus nisteten und Abrissarbe­iten verzögerte­n.
FOTO: PRIVAT Seit 20 Jahren provokant, lustig und ein bisschen frivol: Mit diesem Wagen griffen der Äpfinger Klaus Beller (vorne) und seine Freunde 2010 die Debatte in der Gemeinde um Schwalben auf, die auf einem alten Bauernhaus nisteten und Abrissarbe­iten verzögerte­n.
 ?? FOTO: ANDREAS SPENGLER ?? Wolfgang Gestle, Doris Hummler und Klaus Beller (von links) bauen jedes Jahr zusammen an einem Fasnetswag­en in Äpfingen.
FOTO: ANDREAS SPENGLER Wolfgang Gestle, Doris Hummler und Klaus Beller (von links) bauen jedes Jahr zusammen an einem Fasnetswag­en in Äpfingen.
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FOTO: PRIVAT

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