Schwäbische Zeitung (Biberach)

Mehr Rechte für Netzkunden

Langsames Internet: Minister fordern Entschädig­ungen

- Von Kara Ballarin

STUTTGART (tja) - Nur jeder zehnte Internetan­schluss funktionie­rt so wie versproche­n. Das hat die Bundnesnet­zagentur gemessen. Alle anderen Nutzer surfen zumindest zeitweise langsamer im Netz als mit dem Anbieter vereinbart. Die Verbrauche­rschutzmin­ister der Länder wollen das nicht länger dulden. Sie wollen heute ein Papier beschließe­n, in dem sie höhere Bußgelder gegen Konzerne und Entschädig­ungen für betroffene Kunden fordern.

Sie verlangen von der Bundesregi­erung, die entspreche­nden Gesetze zu verschärfe­n. „Diese Regelungen müssen es den Kundinnen und Kunden ermögliche­n, die vertraglic­h vereinbart­e Leistung gegenüber dem Anbieter durchzuset­zen oder im Fall von deutlichen Abweichung­en den vereinbart­en Preis entspreche­nd zu mindern“, sagte Baden-Württember­gs Verbrauche­rschutzmin­ister Peter Hauk (CDU) der „Schwäbisch­en Zeitung“.

STUTTGART - Das Projektman­agement hat versagt, statt geplanter vier Millionen sind die Kosten auf 47 Millionen Euro explodiert: Der Landesrech­nungshof hat den Einsatz der Software zur Amtlichen Schulverwa­ltung Baden-Württember­g (ASVBW) geprüft – und stellt der Landesregi­erung ein verheerend­es Zeugnis aus. Alle Schulen im Land sollten seit dem Schuljahr 2008/2009 mit dem Programm arbeiten. Tatsächlic­h sind es aktuell weniger als zehn Prozent. Der Blick ins Nachbarlan­d Bayern zeigt, dass es auch anders geht.

Ein Dreivierte­ljahr hat der Rechnungsh­of im Auftrag des Landtags die Vorgänge rund um die Software durchleuch­tet. „Die Zielvorgab­en des Projekts ASV-BW zu Kosten, Zeiten und Leistungen wurden deutlich verfehlt“, urteilen die Prüfer. Rückblick: Vor 13 Jahren haben Baden-Württember­g und Bayern beschlosse­n, gemeinsam eine Schulverwa­ltungssoft­ware zu entwickeln. Sie sollte flächendec­kend an allen Schulen in beiden Ländern eingesetzt werden – für die eigenen Verwaltung­saufgaben, aber auch als Werkzeug, um unkomplizi­ert Daten an die Schulstati­stik zu übermittel­n.

Bayern sei auf einem guten Weg, erklärt ein Sprecher von Kultusmini­ster Michael Piazolo (Freie Wähler). Der verpflicht­ende Einsatz der Software sei 2013 gestartet worden. 4000 und damit zwei Drittel aller bayerische­n Schulen nutzten die ASV. Abschließe­nd werde sie noch an den Förderzent­ren, Schulen für Kranke und den Freien Waldorfsch­ulen eingeführt. Lothar Nickerl vom Rechnungsh­of sagte am Donnerstag im Bildungsau­sschuss des Landtags in Stuttgart hingegen: „Auch in Bayern ist nicht alles optimal.“

Noch nicht überall anwendbar

Baden-Württember­g hängt dennoch deutlich hinterher. Laut Rechnungsh­of nutzen derzeit lediglich 410 der 4500 Schulen die Software. Lediglich zwei Prozent übermittel­ten ihre Daten zur amtlichen Schulstati­stik über die ASV-BW. Für berufliche Schulen und die Gymnasien sei dies noch gar nicht möglich. „Die Software ist hinsichtli­ch ihrer Kernfunkti­onalitäten derzeit noch nicht für einen flächendec­kenden Einsatz geeignet“, heißt es im Gutachten.

Mindestens 47 Millionen Euro hat das Land bislang, das Zwölffache als ursprüngli­ch geplant, für die ASVBW ausgegeben, so die Prüfer. Ein fundiertes Kostencont­rolling könnten die Prüfer nicht finden. „Die Dimension und die Komplexitä­t des Projekts wurden von Beginn an unterschät­zt“, sagte Nickerl. Die Kostenstei­gerungen erklärte er zum einen

mit Neuerungen wie der Einführung der Gemeinscha­ftsschule. Zum anderen sei der Fokus auf die wesentlich­en Funktionen der Software verloren gegangen, immer neue Wünsche seien hinzugekom­men. Timm Kern (FDP) nannte das Gutachten

eine „schallende Ohrfeige für die selbst ernannte Digitalisi­erungsland­esregierun­g“. Er sagte: „Dieses IT-Desaster ist eigentlich noch das größere als Ella“, so Kern. Nach Jahren der Entwicklun­g und Kosten in zweistelli­ger Millionenh­öhe ist die

Bildungspl­attform Ella vergangene­s Jahr gestoppt worden.

Der Rechnungsh­of hat bei ASVBW „erhebliche Mängel im Projektman­agement“festgestel­lt. Das Kultusmini­sterium hatte Wesentlich­es, etwa die Qualitätss­icherung, an externe Dienstleis­ter delegiert und so „aus der Hand gegeben“. Damit sei Schluss, sagte Kultusmini­sterin Susanne Eisenmann (CDU) am Donnerstag. Das Programm sei überarbeit­et worden. In einem Pilotproje­kt, an dem Schulen aller Schularten beteiligt seien, werde es derzeit getestet. Im Herbst, so die Ministerin, wolle sie einen Gesetzentw­urf vorlegen, um die Schulen zu verpflicht­en, ASV-BW einzuführe­n. Wann diese Pflicht kommen soll, sei noch unklar.

Laut Norbert Brugger, Bildungsde­zernent beim Städtetag, könnte diese Pflicht zum Schuljahr 2022/ 2023 kommen – er bezieht sich dabei auf Aussagen von Eisenmanns Ministeria­ldirektor Michael Föll. Klaus Dürr (AfD) hatte Eisenmann am Donnerstag dafür kritisiert, die Kommunen an den Kosten für das Programm beteiligen zu wollen. Brugger zeigt sich indes offen dafür. Die bisherigen Software-Lösungen privater Anbieter seien sehr teuer und oft ohne Alternativ­e. „Auch wir fordern die verbindlic­he Einführung“, sagt er. Aber nur dann, wenn durch ASV-BW alle anderen Programme an den Schulen abgelöst werden können.

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FOTO: DPA Erneut gibt es bei der Digitalisi­erung der Schulen in Baden-Württember­g Probleme mit einer Software.

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