Schwäbische Zeitung (Biberach)

Ceterum Censeo

- Von Herbert Seichter

Eine hartnäckig verteidigt­e Ansicht wird oftmals mit dem lateinisch­en Zitat „ceterum censeo“(Übrigens bin ich der Meinung) eingeleite­t. Es geht auf den römischen Politiker Cato (234-149 v. Chr.) zurück. Und so möchte auch ich meine Überlegung­en mit diesem Ausspruch beginnen! Ceterum censeo, eine Gesellscha­ft die sich ihrer Verantwort­ung für Kranke und Alte nicht stellt sondern sie mit der Begründung von Unfähigkei­t und Versagen in die raubkapita­listische Privatisie­rung abschiebt, hat jeden Anspruch auf moralisch-ethische Kompetenz verloren. Desgleiche­n gilt für eine Gesellscha­ft, die sich damit abfindet.

Im besonderen Maße gilt das für Menschen, die sich der christlich­en Kultur und Ethik verpflicht­et fühlen. Hier steht die Fürsorge für Kranke, Alte und Notleidend­e an einer zentralen Stelle. Dies zieht sich durch die Kirchenges­chichte und ist eines der wichtigste­n Elemente christlich­en Seins. Professor Karl Heussi formuliert es in seinem grundlegen­den Werk der Kirchenges­chichte so: „Ein Erbteil der urchristli­chen Zeit und ein Ruhmestite­l der alten Kirche war die ausgezeich­net organisier­te Barmherzig­keitspfleg­e, …jede Gemeinde unterstütz­te zahlreiche Witwen, Waisen, Kranke, Greise…“Meines Erachtens ist es ein bedenklich­es Zeichen, wenn die Kirchen sich in ihrer moralische­n Rangelei um Randgruppe­n lächerlich machen und ihre zentrale ethische Position, Verantwort­ung und Aufgabe vernachläs­sigen. Die Zeit zur Korrektur wäre günstig. Vor kurzer Zeit haben wir das Pfingstfes­t gefeiert. In vielen Gemeinden hörte man das sinnträcht­ige Lied von Philipp Spita „O komm du Geist der Wahrheit“, in dem die Auswirkung­en dieses Geistes der Wahrheit auch benannt werden. Nämlich: „verbreite Licht und Klarheit, verbanne Trug und Schein“! In diesem Licht, in dieser Klarheit sollten wir uns wieder bewusst machen, wo das moralisch ethische Zentrum christlich­en Lebens und Denkens liegt. Vielleicht sollten wir den Trug und Schein raubkapita­listischer Lebensausr­ichtung ablegen, der uns letztendli­ch mehr schadet als nützt. Auf gesellscha­ftlicher Ebene wäre eventuell eine Rückbesinn­ung auf die Werte der christlich-sozialen Marktwirts­chaft sinnvoll. Das ist jedoch nur unter schwierigs­ten Bedingunge­n möglich. Die Sängerin Bettina Wegner hat das schon in den 70er Jahren in ihrem Lied „Kinder“wunderschö­n formuliert: „Grade, klare Menschen wär’n ein schönes Ziel. Leute ohne Rückgrat haben wir schon zu viel.“

 ?? FOTO PRIVAT: ?? Pfarrer Herbert Seichter von der evangelisc­he Kirchengem­einde Attenweile­r.
FOTO PRIVAT: Pfarrer Herbert Seichter von der evangelisc­he Kirchengem­einde Attenweile­r.

Newspapers in German

Newspapers from Germany