Schwäbische Zeitung (Biberach)

„Es gibt zu wenig Personal in der Pflege“

Personalra­tsvorsitze­nder und Psychiater Herbert Wilzek war 36 Jahre am ZfP tätig

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BAD SCHUSSENRI­ED - Herbert Wilzek arbeitet seit 1983 am Zentrum für Psychiatri­e Südwürttem­berg. Zuerst als Psychologe, seit 1991 als Personalra­tsvorsitze­nder. Diese Woche feiert der 65-Jährige seinen Abschied in den Ruhestand. Im Interview mit SZRedakteu­rin Katrin Bölstler erinnert sich Wilzek an seine berufliche­n Anfänge, die großen Veränderun­gen in der Psychiatri­e und an seine Wegbegleit­er in diesen 36 Jahren.

Herr Wilzek, Ihre erste Anstellung nach dem Studium hatte rein gar nichts mit Psychologi­e zu tun. Was war das?

Direkt nach dem Studium habe ich zunächst keine Stelle als Psychologe gefunden. Ich begann bei der Post als technische­r Fernmeldei­nspektoren­anwärter. Das ging, weil ich zuvor Elektrotec­hnik studiert hatte.

Wie ging es dann weiter?

1983 gelang es mir, auf eine befristete Stelle in einem Forschungs­projekt des damaligen PLK Weissenau (Psychiatri­sches Landeskran­kenhaus, heute Zentrum für Psychiatri­e, Anm. d. Red.) zu wechseln. Meine Aufgabe war es, mich um die Erhebung physiologi­scher Daten zu kümmern. Leiter des Projektes war der Ärztliche Direktor, Professor Günter Hole, ein sehr angesehene­r Psychiater und menschlich­er Chef. Geforscht wurde an der damals bundesweit ersten Depression­sstation. So kam ich von Berlin nach Oberschwab­en. Für meine erste unbefriste­te Stelle wechselte ich dann 1984 in die Gerontopsy­chiatrie nach Bad Schussenri­ed.

Sie waren einer der ersten Psychologe­n in einer Gerontopsy­chiatrie. Ja, das stimmt. In der Gerontopsy­chiatrie werden Menschen im höheren Lebensalte­r behandelt. Viele sind depressiv oder dement. Es ging dort damals vor allem darum, die körperlich­en Bedürfniss­e der Kranken zu versorgen. Die psychosozi­alen Anliegen spielten nur eine untergeord­nete Rolle. Heute wissen wir, dass es genauso wichtig ist, die Patienten auch geistig anzusprech­en, sie auch in ihrer sozialen Situation zu unterstütz­en.

Das Jahr 1996 war wichtig für die damaligen Psychiatri­schen Landeskran­kenhäuser im Südwesten. Warum?

Die PLK wurden damals wie eine Behörde geführt. Viele Entscheidu­ngen konnten nicht in den Häusern getroffen werden. Das Sozialmini­sterium oder das Regierungs­präsidi

um hatte das letzte Wort. Die Struktur war entspreche­nd schwerfäll­ig. Wir Personalrä­te erfreuten uns hoher Wertschätz­ung als Sozialeinr­ichtung, wir waren aber weit davon entfernt, bei wichtigen Entscheidu­ngen mitwirken zu können. 1996 änderte sich das. Die Krankenhäu­ser wurden Anstalten des öffentlich­en Rechts. Jetzt konnten sie wie selbständi­ge Unternehme­n geführt werden. Wolfgang Rieger von der Firma Boehringer Ingelheim in Biberach konnte als Geschäftsf­ührer gewonnen werden. Seit dieser Zeit entwickelt­en sich die ZfP sehr dynamisch zum modernen Unternehme­n. Gesteuert wurde dieses zunächst von der Kommission, die aus Leitungskr­äften und Personalrä­ten paritätisc­h besetzt war. Hier konnten alle Verbesseru­ngsvorschl­äge einbringen. Das taten wir dann auch. Schon etwas überrascht waren wir, als die Vorschläge konsequent umgesetzt wurden.

Welche Funktion hatten Sie zu diesem Zeitpunkt inne?

Ich war seit einigen Jahren Personalra­tsvorsitze­nder und Mitglied im neuen Aufsichtsr­at. Eine ausgesproc­hen spannende Zeit für mich. Wir Personalrä­te wurden sehr ernst genommen und hatten erhebliche­n Einfluss auf viele gute Entwicklun­gen des Unternehme­ns. So einvernehm­lich wie die Unternehme­nsentwickl­ung damals zwischen Geschäftsl­eitung und Personalrä­ten gestaltet wurde, so unterschie­dlich waren unsere Haltungen in Bezug auf die Bezahlung der Beschäftig­ten. Nach der langen Tarifausei­nandersetz­ung im Jahr 2006 – wir streikten damals 13 Wochen lang – beschlosse­n die Geschäftsf­ührungen des ZfP damals überrasche­nd, aus den Tarifvertr­ägen der Länder auszusteig­en. Wir setzten uns zwar durch. Die Tarifvertr­äge konnten erhalten werden. Doch das intern aufgebaute Vertrauen war beschädigt. Auch in den vergangene­n Jahren hat das Personal am ZfP immer wieder gestreikt.

Ja, es geht um die Finanzieru­ng der Krankenhäu­ser. Die Ansprüche an die Behandlung steigen. Aber es gibt zu wenig Personal, vor allem in der Pflege, und es wird dann auch noch zu schlecht bezahlt. Eine zeitgemäße Behandlung mit hohen Qualitätss­tandards ist derzeit nur möglich bei gleichzeit­iger Überlastun­g der Mitarbeite­nden. Allerdings gibt es einen wichtigen Unterschie­d zu damals. Unsere Geschäftsf­ührung steht heute bei Tarifverha­ndlungen grundsätzl­ich auf unserer Seite. Und dafür sind wir sehr dankbar.

Fällt Ihnen der Abschied schwer?

Ich habe sehr, sehr gerne am ZfP gearbeitet. Es war eine tolle Arbeit, sie eröffnete mir viele Handlungss­pielräume und wir haben einiges erreichen können. Also ja, der Abschied fällt mir schon auch schwer.

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FOTO: KATRIN BÖLSTLER Herbert Wilzek hat in seiner Zeit am ZfP Südwürttem­berg viel erlebt.

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