Schwäbische Zeitung (Biberach)
Mit dem Traktor unterwegs durch elf Länder
Hermann Geng aus Bogenweiler erlebt Abenteuer quer durch Nordeuropa – Wildschweine auf der Straße
BOGENWEILER - Elf verschiedene Länder in Nordeuropa und Russland, zwölf Wochen Reisezeit, fast 9000 Kilometer Wegstrecke, Höchstgeschwindigkeit 30 Stundenkilometer mit Traktor und Wohnanhänger – mancher Zeitgenosse hat sich für den Ruhestand ein bedeutend leichteres und bequemeres Hobby ausgesucht. Seit 1. Mai sind Hermann Geng aus Bogenweiler und sein Freund Hans-Willi Gieblen mit ihren Gespannen auf großer NordeuropaTournee.
Freunde, Bekannte, Familienmitglieder und Oldtimerfans verabschiedeten die beiden Abenteurer bei einem zünftigen Weißwurstfrühstück, wohl in weiser Voraussicht, dass derartige Leckereien in Litauen, Estland, Russland, Finnland und Schweden eher nicht auf der Speisekarte aufgeführt sein werden.
Technische Probleme
Bei Temperaturen um die null Grad, noch in deutschen Landen unterwegs, ging die Reise nach Polen, wo die ersten technischen Unwägbarkeiten an den Zugmaschinen zutage traten. „Alles, was mit Elektrik zu tun hat – defekte Sicherungen, kaputtgegangene Schalter, Anlasser oder Lichtmaschine kann ich von Berufs wegen noch selbst reparieren. Aber bei Pannen im Hinterachsportalgetriebe, Simmering oder auch Blechschäden an den Wohnwagen waren wir auf Hilfe von kompetenten Stellen in Polen angewiesen“, sagt Hermann Geng.
Ganz neue Sichtweisen für die Umgebung, weit weg von den Erfahrungen per Flugzeug, Bahn oder Auto, entdeckten die beiden Traktorfahrer mit Fasanen und Wildschweinen auf der Straße, aber auch auf Schotterstrecken mit viel Dreck, Staub und Schlaglöchern.
Auch die schnöde Politik, Erinnerungen an die längst vergangen geglaubten Zeiten des Eisernen Vorhangs wurden wieder wach, ereilte die Reisenden bei einem fünfstündigen Aufenthalt an der Grenze bei der Einreise nach Russland über Kaliningrad – trotz frühzeitig eingeholter Genehmigungen. Die Weiterreise durch die Baltischen Staaten Litauen, Lettland und Estland sollte ohne weitere größere Hindernisse über die Bühne gehen.
Viele Gedanken schießen Hermann Geng und Hans-Willi Gieblen bei den unzähligen Eindrücken bei der Reise durch den Kopf. Auch gedanklich immer bei den Familien, besuchte Hermann Geng seinen Onkel Anton auf dem Soldatenfriedhof bei Saldus/Lettland, gefallen dort im Zweiten Weltkrieg. Er legte einen Kranz mit Schleife, auch im Namen seiner Geschwister Anita und Manfred, nieder. „Ein sehr beeindruckendes Erlebnis“, so Hermann Geng. Die Fahrt ging weiter an Riga vorbei Richtung Tallin, wo die Ostseequerung per Fähre nach Helsinki vorbereitet werden musste.
Ein Hingucker waren sie allemal, die beiden Abenteurer mit ihren Gespannen in Form von Traktoren im Alter von fast 60 Jahren und das „rollende Hotel“, den Wohnwagen, immer bei sich. Die Bevölkerung, egal wo die beiden bis jetzt aufgetaucht waren, nahm regen Anteil mit viel Zuspruch, aufmunternden Zurufen, netten Gesten und massenhaft interessanten Gesprächen – Sprachbarrieren hin oder her. Die Reise läuft, die lange Vorbereitungszeit hat sich gelohnt, das Ziel Nordkap steht an.