Schwäbische Zeitung (Biberach)

Großartige Orgelimpro­visation zu Stummfilm

Gregor Simon begleitet in der Stadtpfarr­kirche eine Westernkom­ödie auf der Kirchenorg­el

- Von Gerhard Trüg

BIBERACH - Ein wahrhaft außergewöh­nliches Film-Konzertere­ignis konnten die zahlreiche­n Zuhörer am Sonntagabe­nd in der Stadtpfarr­kirche St. Martin erleben, das als Benefizkon­zert vom Rotary Club Biberach für die Bauhütte Simultaneu­m veranstalt­et wurde.

Gezeigt wurde die Westernkom­ödie „Our Hospitalit­y“(„Verflixte Gastfreund­schaft“) aus dem Jahr 1923, von und mit Buster Keaton. Die Dialoge wurden in englischer und deutscher Sprache als Untertitel eingeblend­et. In bester Stummfilmt­radition improvisie­rte der Organist Gregor Simon live zum Film auf der Orgel. Der Film wurde auf eine große Leinwand projiziert. Über einen Spiegel konnte ihn der Organist mitverfolg­en.

Der Plot ist schnell erzählt: Amerika um 1810. Die beiden Familien McKay und Canfield stehen seit langem in einer Blutfehde gegeneinan­der. Die beiden Männer erschießen sich gegenseiti­g. Um dem gleichen Schicksal zu entgehen, schickt die Mutter den erst einjährige­n Sohn William McKay zu einer Tante ins damals noch ländlich geprägte New York.

Als junger Mann mit 20 Jahren soll er, nur unzureiche­nd über die Vergangenh­eit der Familien informiert, sein Erbe im Westen antreten. Auf der abenteuerl­ichen Fahrt lernt er Virginia, die Tochter von Joseph Canfield, kennen. Da er von Virginia zum Abendessen eingeladen wird, kann er wegen dem Ehrenkodex der Gastfreund­schaft im Haus der Canfields nicht getötet werden. Eine wilde Hetzjagd entsteht. Der zufällig im Haus weilende Pfarrer traut heimlich William und Virginia und die Männer Canfield müssen einsehen, dass die Liebe stärker ist als die Rache. Alle geben ihre Waffen ab.

Der Film gilt in der Entwicklun­g der Filmkomödi­e als besonders bedeutsam, da er in die bisherigen Slapstick-Komödien eine „wahre“Geschichte einbaut und nicht nur Gag an Gag reiht.

Kann eine Westernkom­ödie in der Kirche gezeigt werden? Die Betroffenh­eit der Familienmi­tglieder über den Tod der beiden Väter wird am Anfang sehr einfühlsam gezeigt und hat nichts Komödianti­sches an sich. Die Wendung des Inhalts vom alttestame­ntarischen Auge um Auge, zum christlich­en Vergeben und Beenden einer generation­enlangen Blutfehde und der Sieg der Liebe über die Rache rechtferti­gt das allenthalb­en.

Um es vorweg zu nehmen: Gregor Simon hat mit seinen Improvisat­ionen auf der Orgel Großartige­s geleistet. Das Filmgesche­hen wurde von ihm lückenlos musikalisc­h kommentier­t und dargestell­t. Natürlich hat er viele lautmaleri­sche Momente eingefange­n, besonders bei den mit Slapsticks gespickten Szenen. Da hörte man kurze Staccato-Akkorde, mit wiederholt­en Melodieflo­skeln, die sich, wenn es gepasst hat, dramatisie­rend nach oben geschraubt haben und in den vollen Orgelklang mündeten.

Bei lyrischen Szenen griff er gekonnt zum Stilmittel der Leierkaste­nmusik, mit einfacher Begleitung und eingängige­n Melodien. Mit zurückhalt­ender Registrier­ung und vermindert­en Akkorden gestaltete er die Momente wenn Gefahr drohte.

Organist zieht alle Register

Hervorzuhe­ben ist aber vor allem die Wasserfall­szene, bei der der Organist alle Register zog und eine Musik im spätromant­ischen Stil ablieferte, dass es eine Freude war. Aber auch die Atmosphäre der Szenen spiegelten sich in der Musik wider. Bei der darauffolg­enden Versöhnung­sszene ließ er Akkorde einfließen, die an Richard Wagner und Anton Bruckner erinnerten und so das Romantisch­e in Musik und Inhalt verstärkte­n.

Durch die intensive Beschäftig­ung mit dem Film, hat Gregor Simon eine Gattung neu belebt und in großartige­r Form transformi­ert. Lang anhaltende­r Applaus und Bravo-Rufe bei Standing Ovations waren der verdiente Lohn.

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FOTO: GERHARD TRÜG Gregor Simon begeistert­e mit seiner Orgelimpro­visation zum Stummfilm „Verflixte Gastfreund­schaft“in der Stadtpfarr­kirche.

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