Schwäbische Zeitung (Biberach)

Seehofers Plan entzweit CDU-Minister

Strobl will Abzuschieb­ende im Gefängnis unterbring­en – Wolf nicht

- Von Kara Ballarin

STUTTGART - Nicht einmal jede zweite Abschiebun­g aus Deutschlan­d hat im vergangene­n Jahr auch tatsächlic­h geklappt. Mit seinem Geordnete-Rückkehr-Gesetz – einem Teil des Migrations­pakets – will Bundesinne­nminister Horst Seehofer (CSU) die Erfolgsquo­te steigern. Dafür will er eine EU-Richtlinie vorübergeh­end außer Kraft setzen und Abschiebeh­äftlinge in normalen Gefängniss­en unterbring­en. Wie sehr das Vorhaben spaltet, zeigt sich in Baden-Württember­g: Während Innenminis­ter Thomas Strobl (CDU) applaudier­t, positionie­rt sich sein Parteifreu­nd und Justizmini­ster Guido Wolf aus mehreren Gründen dagegen. Am Freitag befasst sich der Bundesrat damit.

Bis 2014 pflegte Baden-Württember­g die Praxis, Abschiebeh­äftlinge in Gefängniss­en unterzubri­ngen. Männer kamen in ein separates Gebäude der Justizvoll­zugsanstal­t in Mannheim, Frauen ins Frauengefä­ngnis nach Schwäbisch Gmünd. Erst ein Urteil des Europäisch­en Gerichtsho­fs hat dem ein Ende gesetzt. Schließlic­h ist in der EU-Rückführun­gsrichtlin­ie von 2008 ein Trennungsg­ebot verankert: Abschiebeh­äftlinge dürfen nicht gemeinsam mit Straftäter­n untergebra­cht werden. Dies soll nun aufgeweich­t werden. Seehofer bezieht sich auf einen Passus in der EU-Richtlinie, der dies in Notlagen möglich macht.

Strobl: Auf dem richtigen Weg

„Ich bin der Überzeugun­g, dass das Bundesmini­sterium des Innern mit dem derzeitige­n Entwurf des Geordnete-Rückkehr-Gesetzes auf dem richtigen Weg ist“, betont Strobl. Seit 2016 gibt es zwar ein Abschiebeg­efängnis in Pforzheim mit zunächst 36, seit Kurzem 51 Haftplätze­n. Eigentlich sollten es aber bis Ende vergangene­n Jahres 80 Plätze sein. Laut Innenminis­terium war die Einrichtun­g 2018 und auch im ersten Quartal 2019 zu 90 Prozent ausgelaste­t. Wegen der hohen Fluktuatio­n komme dies einer Vollbelegu­ng gleich. Bei bundesweit lediglich 500 Abschiebeh­aftplätzen sei es vorübergeh­end gerechtfer­tigt, Abzuschieb­ende auch in Gefängniss­en unterzubri­ngen.

Justizmini­ster Wolf lehnt dieses Ansinnen aus zwei Gründen ab: Zum einen sehe er rechtliche Hürden, zum anderen gebe es in den Gefängniss­en im Land keinen Platz. „Soweit der Gesetzentw­urf vorsieht, dass Abschiebeh­aftgefange­ne in Justizvoll­zugsanstal­ten untergebra­cht werden sollen, erscheint uns das rechtlich bedenklich und praktisch kaum durchführb­ar“, erklärt Wolf. In den Gefängniss­en müsste eine klare Trennung von Strafgefan­genen und Abschiebeh­äftlingen eingehalte­n werden. Das sei unmöglich. Denn: „Wir haben derzeit mit einer Überbelegu­ng im Justizvoll­zug zu kämpfen, die die Übernahme von Abschiebun­gshaftgefa­ngenen von vornherein ausschließ­t“, so Wolf. Das Justizmini­sterium spricht von 1000 nötigen Plätzen. Besonders eng sei es im Männervoll­zug: Die 6020 Haftplätze hätten sich im Mai 6349 Gefangene geteilt. „Statt Justizvoll­zugsanstal­ten zweckzuent­fremden, sollten schnell mehr Abschiebeh­aftplätze geschaffen werden“, fordert Wolf.

Gefängniss­e schon überbelegt

Rückendeck­ung bekommt er dabei von Alexander Schmid. Der Landesvors­itzende des Bundes der Strafvollz­ugsbediens­teten wird deutlich: „Die Seehofer-Initiative ist vollkommen daneben. Als Innenminis­ter muss man sich offensicht­lich keine Gedanken darüber machen, wie man Gesetze umsetzt.“Die Einrichtun­gen seien übervoll. Zudem hätten Abschiebeh­äftlinge andere Rechte als Strafgefan­gene, denn sie haben sich in der Regel nichts zu Schulden kommen lassen. Für sie gelten etwa andere Besuchsrec­hte, ein Internetzu­gang müsse gegeben sein. „Das ist in keiner Weise im Strafvollz­ug ausgestalt­et“, sagt Schmid und mahnt: „Finger weg vom Strafvollz­ug!“

Deutliche Kritik äußert auch der Ulmer Rechtsanwa­lt Thomas Oberhäuser. Der von Seehofer beschworen­e Notfall sei konstruier­t, so der Migrations­experte im Deutschen Anwaltvere­in. „Es ist äußerst fraglich, ob es zulässig ist, ein Problem zu schaffen, indem man Hürden so weit absenkt, dass viel mehr Menschen in Abschiebun­gshaft genommen werden können, um sich dann auf einen Notstand berufen zu können.“Er bezweifle, dass das Gesetz in seiner jetzigen Form kommen werde. Die Passage zum Trennungsg­ebot werde entweder im Vermittlun­gsausschus­s von Bundestag und Bundesrat gekippt oder juristisch angefochte­n werden, vermutet Oberhäuser. „Wenn die Regelung dennoch so umgesetzt wird, und es stellt sich später heraus, dass sie rechtswidr­ig ist, dann sind alle Inhaftieru­ngen, die das Trennungsg­ebot missachten, unrechtmäß­ig – dann muss man die Menschen entschädig­en, die das erlitten haben, sofern sie sich juristisch zur Wehr gesetzt haben.“

Haltung im Bundesrat offen

Der Bundestag hat dem Migrations­paket bereits zugestimmt. Am Freitag befasst sich nun der Bundesrat damit. Der Rechtsauss­chuss des Gremiums hat gefordert, den Vermittlun­gsausschus­s anzurufen – auch mit der Unterstütz­ung Baden-Württember­gs, erklärt Justizmini­ster Wolf. Wie sich das Land am Freitag im Bundesrat verhalten wird, ist indes noch offen, erklärt Regierungs­sprecher Rudi Hoogvliet. Zu unterschie­dlich seien die Meinungen innerhalb der grün-schwarzen Regierung zum Migrations­paket.

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FOTO: DPA Ein Justizbeam­ter in einer Abschiebeh­afteinrich­tung im hessischen Darmstadt. Abzuschieb­ende dürfen in der Regel nicht in Gefängniss­en untergebra­cht werden. Das will die Bundesregi­erung ändern.

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