Schwäbische Zeitung (Biberach)
Wie das Lernen alleine zu Hause klappt
Eine Zehntklässlerin der Realschule Schussenried und eine Drittklässlerin aus Eberhardzell berichten
BAD SCHUSSENRIED/EBERHARDZELL - Katharina Rundel ist diszipliniert. Jeden Morgen gegen neun Uhr setzt sie sich zu Hause an ihren Schreibtisch und loggt sich auf der Internetseite der Schussenrieder Realschule ein. Sie tippt ihr Passwort ein und klickt dann auf das Feld, auf dem „Unterrichtsmaterialien für die Klasse 10a“steht. Dort findet sie verschiedene PDF-Dokumente mit den Aufgaben, die die Zehntklässlerin diese Woche laut Lehrplan eigentlich in der Schule bearbeiten sollte. Doch wie alle Schüler in Deutschland sitzt die 15-Jährige aus Alleshausen zurzeit vormittags nicht in der Schule, sondern in ihrem Zimmer zu Hause und lernt allein.
Für alle Schüler ist das eine besondere Situation. Doch gerade für jene, die dieses Jahr ihren Abschluss machen wollen, noch viel mehr. Eigentlich sollten Mitte April an den Realschulen die Abschlussprüfungen laufen. Nun sind sie, Stand heute, auf Mitte/Ende Mai verschoben. „Gerade jetzt in den Wochen vor den Prüfungen wäre es natürlich schon besser, wir hätten normalen Unterricht“, sagt die Schülerin. Doch das ist im Moment eben nicht möglich. Daher versucht sie, sich den Unterrichtsstoff so gut es eben geht selbst zu erarbeiten. Und meistens, sagt sie, klappe das auch ganz gut.
Allerdings gibt es nicht zu allen Schulfächern Material im Intranet, sondern primär zu den Kern- und Prüfungsfächern. Ob die Schüler sich den für die Prüfungen relevanten Stoff erarbeiten, wird im Moment auch nicht kontrolliert. Es gibt keine Präsenzzeiten, zu denen alle Schüler einer Klasse online sein müssen, wie das in manchen anderen Bundesländern
der Fall ist. Wer eine Frage an seinen Lehrer hat, schreibt ihm eine Mail. „Die Antwort kriegen wir manchmal gleich, manchmal aber auch erst nach ein paar Stunden oder am nächsten Tag“, sagt Katharina. Und so lange muss jene Aufgabe, um die es geht, eben liegen bleiben. Oder man fragt seine Mitschüler, die ja die gleichen Aufgaben bearbeiten. „Wir schreiben uns untereinander eigentlich jeden Tag, meistens über WhatsApp“, sagt die 15-Jährige.
Ob es für sie ein Nachteil sein wird, dass sie gerade während der Corona-Krise ihre Prüfungen macht? Katharina weiß es nicht. „Vielleicht wirkt es sich auf unsere Noten aus, aber ich hoffe natürlich nicht“, meint sie. Sie ist sich auch nicht sicher, ob wirklich alle ihre Klassenkameraden so diszipliniert sind wie sie und sich jeden Tag mehrere Stunden freiwillig an den Schreibtisch setzen.
Andererseits wisse ja jeder in ihrer Klasse, dass die Prüfungen trotzdem kommen. Als der erste Lehrer unter Quarantäne stand, habe die
Klasse einmal versucht, über Skype den Unterricht virtuell abzuhalten. „Aber das hat technisch echt nicht so gut funktioniert“, erinnert die Realschülerin sich. Daher sei sie froh, dass der Unterricht nun wenigstens in dieser Form weitergehe.
Anders ist die Situation an der Grundschule in Eberhardzell. Dort haben die Lehrer ihren Schülern Lernpakete für die ersten drei Wochen geschnürt und in Papierform mit nach Hause gegeben. „Gerade bei den Grundschülern erscheint uns das der bessere Weg“, sagt Rektorin Nicole Gering.
Auch könne die Schule nicht davon ausgehen, dass in jedem Haushalt ein Laptop oder Computer für die Kinder zur Verfügung stehe. Gerade jetzt, wo auch viele Eltern im Homeoffice arbeiteten.
Generell erachte sie die Arbeit mit Onlineplattformen im Grundschulbereich für eher schwierig. „Und wir haben damit auch bisher kaum Erfahrung, daher setzen wir erst einmal weiterhin auf Papier und
Stift“, sagt sie. Vorab hätten die Lehrer entschieden, welche Aufgaben sich die Kinder wahrscheinlich am ehesten alleine erarbeiten können. „Wir können nicht erwarten, dass die Grundschüler sich selbst so grundlegende Dinge wie multiplizieren und dividieren beibringen, dazu braucht es den Lehrer und ein Klassenzimmer“, so Gering.
Julia Niedermann besucht die dritte Klasse an der Grundschule Eberhardzell. Ihr Vater Christian Niedermann ist Elternbeiratsvorsitzender. Julias Eltern sorgen dafür, dass die Neunjährige im Moment jeden Tag ein bis zwei Stunden für die Schule arbeitet. Aufgaben hat sie für die Fächer Deutsch und Mathematik mit nach Hause bekommen. „Die Aufgaben sind gut erklärt, aber einmal am Tag muss ich schon Mama oder Papa noch etwas fragen“, sagt Julia. Wenn sie mit ihren Aufgabenblättern fertig ist, kontrollieren ihre Eltern die Ergebnisse und setzen dann einen Haken darunter.
„Für einen begrenzten Zeitraum von wenigen Wochen ist es kein Problem, so zu arbeiten“, sagt ihr Vater Christian Niedermann. „Doch wenn das auch nach Ostern noch weitergeht, sollten die Schulen und das Land sich überlegen, ob es nicht doch möglich ist, ein virtuelles Klassenzimmer einzurichten“, findet er. „Es muss heutzutage technisch doch möglich sein, dass der Lehrer sich im Klassenzimmer befindet und gefilmt wird, was er da an die Tafel schreibt. Dann findet eben wieder Frontalunterricht statt, aber dann könnten die Kinder ihn über einen Chat eben direkt wieder etwas fragen – und es wäre auch sichergestellt, dass alle Kinder mit dem Lernstoff weiterkommen und nicht nur die, deren Eltern sie unterstützen.“