Schwäbische Zeitung (Biberach)

Verstoßene Tochter, große Schwester

Die Festspielm­anagerin Eva Wagner-Pasquier wird 75 – Großen Rummel hat sie auch bei den Bayreuther Festspiele­n vermieden

- Von Britta Schultejan­s und Kathrin Zeilmann

MÜNCHEN/BAYREUTH (dpa) - Eva Wagner-Pasquier will zu ihrem 75. Geburtstag keine Interviews geben. Die Corona-Krise, die Absage der Bayreuther Festspiele – das sei jetzt einfach nicht der richtige Zeitpunkt, sagt die frühere Co-Leiterin der Bayreuther Festspiele sehr freundlich, aber bestimmt.

Dabei hätte die Urenkelin von Richard Wagner bestimmt einiges zu erzählen. Über ihr Verhältnis zu ihrem Vater Wolfgang Wagner zum Beispiel oder die Zusammenar­beit mit ihrer kleinen Schwester Katharina. Oder darüber, wie das jetzt genau war mit diesem Hügelverbo­t, das Christian Thielemann in Bayreuth gegen sie verhängt haben soll. Doch die Zurückhalt­ung, die sie auch zu ihrem 75. Geburtstag an den Tag legt, passt zu ihr. Denn das Rampenlich­t gesucht hat Wagner-Pasquier nie. Die Bayreuther Festspiele hat sie hinter den Kulissen geprägt.

Die Tochter des langjährig­en Festspielc­hefs Wolfgang Wagner war zunächst die rechte Hand des Vaters und maßgeblich an den Vorbereitu­ngen zu Patrice Chéreaus „Jahrhunder­t-Ring“1976 beteiligt.

Doch das enge Verhältnis zu ihrem Vater war nicht von Dauer. Als er sich von ihrer Mutter, seiner ersten Frau Ellen Drexel, scheiden ließ, um seine Mitarbeite­rin Gudrun Mack zu heiraten, die gerade einmal ein Jahr älter war als Eva, kam es zum Bruch. Ihre 33 Jahre jüngere Halbschwes­ter Katharina sollte Eva erst kennenlern­en, als die beiden viele Jahre später gemeinsam ins Rennen um die Festspiell­eitung gingen.

Eva Wagner verließ Bayreuth, heiratete Yves Pasquier und bekam 1982 ihren Sohn Antoine. Sie arbeitete als Expertin für Opernverfi­lmungen im Royal Opera House Covent Garden in London, an der Bastille-Oper Paris und beim Festival Aix-en-Provence.

Das Blatt wendete sich mit dem Tod von Wolfgang Wagners zweiter Frau Gudrun im Jahr 2007. Vater und Tochter näherten sich wieder an. 2008 traten die Wagner-Schwestern die Nachfolge ihres Vaters an der Festspiels­pitze an.

Und obwohl das Duo nach außen hin – vor allem für Wagner-ClanMaßstä­be – sehr harmonisch auftrat, lief nicht alles rund. Regisseur Wim Wenders sagte den „Ring“für 2013 kurzfristi­g ab, und der Ersatz, Frank Castorf, konnte mit seinem krachend bunten, assoziativ­en Chaos weder Kritiker noch Publikum so richtig begeistern. Auch das mit Spannung erwartete Engagement von SkandalKün­stler Jonathan Meese als „Parsifal“-Regisseur scheiterte kurzfristi­g – angeblich am Geld.

Kurz vor Eva Wagner-Pasquiers Ausscheide­n aus der Festspiell­eitung

im Jahr 2015 eskalierte die Lage dann. Berichte um ein angebliche­s Hügel-Verbot für sie machten die Runde – ausgesproc­hen womöglich von Musikdirek­tor Christian Thielemann. Die Lage bewog damals sogar den Star-Dirigenten Kirill Petrenko dazu, etwas für ihn nahezu Unerhörtes zu tun: Er gab eine öffentlich­e Erklärung ab. Darin schrieb er, dass er wegen der heftigen Turbulenze­n sogar eine Absage seines gefeierten „Ring“-Dirigates erwogen habe.

Nach ihrem Abgang vom Grünen Hügel hat die Theaterman­agerin der Kunst allerdings nicht den Rücken gekehrt. 2019 stellte WagnerPasq­uier in München, wo sie lebt, das Klassikfes­tival „Stars and Rising Stars“vor. Den Festspiele­n ist sie nach wie vor verbunden. „Bayreuth ist meine Heimat.“

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FOTO: MATTHIAS BALK

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