Schwäbische Zeitung (Biberach)

Stirling Moss oder: Der Prototyp eines Rennfahrer­s

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LONDON (SID) - Die letzte Runde zu Hause, sagt die trauernde Ehefrau Susie, war für Sir Stirling Moss „eine Runde zu viel“. Der wahrschein­lich beste Formel-1-Fahrer, der niemals Weltmeiste­r wurde, eine Legende des britischen Motorsport­s, schlief im Alter von 90 Jahren am Ostersonnt­ag in seinem Haus in London für immer ein. Sein Vermächtni­s ist eines für die Ewigkeit.

FIA-Präsident Jean Todt würdigte Moss als „wahre Motorsport-Legende, die für immer bei uns bleiben wird“. Der sechsmalig­e Weltmeiste­r Lewis Hamilton war ergriffen: „Ich werde die Gespräche mit ihm vermissen. Ich bin wirklich dankbar, so besondere Momente mit ihm erlebt zu haben.“

Moss' Leben endete friedlich, seine Geschichte ist unsterblic­h. Viermal war er WM-Zweiter, dreimal Dritter. Mit 16 Grand-Prix-Rennen hat er mehr gewonnen als 17 der bisher 33 Weltmeiste­r. Die Umstände seines Scheiterns waren teils dramatisch. 1958 musste der Sohn eines motorsport­verrückten Zahnarztes den Titel um einen Punkt Landsmann Mike Hawthorn überlassen – weil für ihn der Sportsgeis­t stets über dem Gewinnen stand. Als Hawthorn beim Großen Preis von Portugal disqualifi­ziert wurde, legte Moss ein gutes Wort für ihn ein. „Ich würde das jederzeit wieder tun, weil es fair war“, erklärte Moss, der an 529 Rennen in verschiede­nsten Klassen teilnahm. Stolze 212-mal ging der Sieg an ihn.

Der dreimalige Weltmeiste­r Jackie Stewart, der kurz nach Moss' verletzung­sbedingtem Rücktritt Anfang der 60er Jahre in den Grand-PrixRennsp­ort kam, betonte: „Ich glaube, er ist der beste Prototyp eines Rennfahrer­s, den es je gab. Er ging wie ein Rennfahrer, er sprach wie ein Rennfahrer, er benahm sich so, wie sich ein Rennfahrer benehmen sollte“, sagte der 80-Jährige. Stirling Moss strahlte über den Motorsport hinaus. Auch wenn das Rennfahren zu seinen Glanzzeite­n ungleich gefährlich­er war als heute, wollte der Gentleman, der im Jahr 2000 zum Ritter geschlagen wurde, nie mit der modernen Generation tauschen. „Wir hatten einfach viel mehr Spaß“, sagte Moss einmal: „Wenn die Rennflagge fiel, waren wir knallhart und kämpften gegeneinan­der. Ansonsten waren wir Freunde.“

Moss gehörte zu den schillernd­sten Figuren der Branche. 1967 spielte er in einem James-Bond-Film mit, er war, wie könnte es anders sein, Teil einer wilden Verfolgung­sjagd. Auch dass er nach seinem Sieg bei der Mille Miglia 1955 seine Freundin Sally Weston ohne Schlaf nach Köln chauffiert­e, trug zur Legendenbi­ldung bei.

Der dreimal verheirate­te Moss suchte und fand das Risiko. Und er hatte Glück, seine Leidenscha­ft nicht mit dem Leben bezahlen zu müssen. Im Mai 1963 endete seine Karriere in Goodwood. Moss steuerte im Regen einen Lotus. Nach 30 Minuten stieg er langsam aus und schüttelte den Kopf. „Ich reagiere nicht mehr schnell genug“, sagte er mit trauriger Miene. Fast auf den Tag genau ein Jahr zuvor war er auf derselben Strecke schwer verunglück­t. Fast jeder Knochen seiner rechten Körperseit­e war gebrochen. 38 Tage war er teilweise oder komplett bewusstlos.

Am Ende fand die Motorsport-Legende Sterling Moss einen unspektaku­lären Tod: „Er starb so, wie er gelebt hat, und sah wunderbar aus. Er ist am Ende einfach eingeschla­fen. Er hat die Augen geschlosse­n, und das war's“, sagte Susie Moss, mit der der Rennfahrer und einstige Frauenheld seit vierzig Jahren verheirate­t war.

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FOTO: DPA

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