Schwäbische Zeitung (Biberach)
„So können und so werden wir überleben“
Corona-Krise: Armin Buchmann, Präsident des Fußball-Regionalligisten FC Memmingen, gibt nach Wochen der Ungewissheit Entwarnung
MEMMINGEN - Der Präsident des Fußball-Regionalligisten FC Memmingen, Armin Buchmann, sendet nach Wochen der Ungewissheit und des Bangens um die Existenz des Vereins ein überaus positives Signal. „Die Maßnahmen der letzten Tage und Wochen sichern auf absehbare Zeit den Fortbestand des FC Memmingen“, sagt Buchmann. Ausdrücklich lobt der 54Jährige dabei den Deutschen und vor allem den Bayerischen Fußballverband mit Dr. Rainer Koch an der Spitze, die „derzeit in der Krise beinahe Unglaubliches leisten, die Ängste und Nöte der Vereine aufsaugen und uns mit klaren und schnellen Entscheidungen das Überleben sichern“. Wann und wie es weitergehe, stehe dennoch in den Sternen. Die wichtigsten Fragen und Antworten rund um den FCM.
Erst mal die Gesundheit. Ist der FC Memmingen von weiteren Infektionen verschont geblieben?
Ja, die häusliche Isolation beim FCM ist wieder aufgehoben, nachdem ein Spieler positiv auf Covid-19 getestet worden war. Diese Infektion war am 13. März bekannt geworden. Buchmann: „Zwei weitere Spieler meldeten danach leichte Symptome. Was wir wissen, gab es keine kritischen Verläufe.“Die Spieler halten sich individuell im Heim-Training fit.
Wie sehen die Tage für FCM-Chef Buchmann aus?
Turbulent. Als Geschäftsführer eines Automobilzulieferers ist Buchmann derzeit ebenso Krisenmanager wie in seinem Ehrenamt als FCM-Präsident. Die Kommunikation mit dem Bayerischen Fußballverband (BFV) und den anderen Vereinen sei „völlig außergewöhnlich“. Er persönlich habe sich in den letzten 20 Jahren nie so gut behandelt und versorgt gefühlt vom Verband. Teilweise gebe es zweimal pro Woche eine Videokonferenz – „die enden nie unter zwei Stunden“. Und Buchmann ist mit den Ergebnissen zufrieden: „Diese Rettungs- und Schutzschirme, die der BFV jetzt aufspannt, geben uns wieder Luft zu atmen.“
Welche Maßnahmen helfen besonders?
Vereinen, die früher einen Insolvenzantrag stellten, wurden mit drakonischen Strafen belegt. Es gab Punktabzüge, teilweise Direktabstiege. Das werde nun komplett außer Kraft gesetzt. Auch die Richtlinien für Vertragsamateure, so Buchmann, seien für die höherklassigen Amateurligen (von der Regionalliga bis zu den Landesligen) entscheidend gelockert worden. „Die bisherigen Vertragsverhältnisse hätten uns in den Abgrund gezogen“, sagt Buchmann. Nun wollen DFB und Landesverbände in ihren Statuten verankern, dass die Verträge „ruhend“gestellt werden. Das Arbeitsverhältnis bestehe zwar weiterhin, der Verein kann aber mit dem Spieler vereinbaren, dass aufgrund der CoronaKrise und der schlechten Finanzlage des Vereins die Zahlungen an den Spieler eingestellt werden. Dem Verein drohen keine Sanktionen, er muss lediglich bei der Minijob-Zentrale eine sogenannte Unterbrechungsanzeige melden. Buchmann: „Damit nehmen DFB und BFV den Vereinen die Schlinge vom Hals und ermöglichen uns, das Ruder wieder selbst in die Hand zu nehmen.“
Der FCM hatte all seine Beschäftigungsverhältnisse und MinijobVereinbarungen schon vor Wochen eingefroren und Trainer, Spieler und Vereinsangestellte gebeten, auf Zahlungen freiwillig zu verzichten. Wie war da die Resonanz?
Die absolute Mehrheit der etwa 100 Betroffenen habe zugestimmt. Ein paar wenige, Buchmann spricht von einer „einstelligen Prozentzahl“, hätten aus persönlichen Gründen aber auf eine Weiterbeschäftigung und -bezahlung gepocht. Denen werde nun mit Verweis auf die neuen BFV-Statuten zum 15. Mai gekündigt: „Wir haben keinen Verhandlungsspielraum und können nur Maßnahmen beschließen, die das ganze Kollektiv gleich trifft“, sagt Buchmann und fügt an: „Spieler, die unbedingt die 450 Euro brauchen, könnten sich das Geld derzeit sicher auch in anderen Bereichen erwirtschaften – als Erntehelfer oder bei Fahrdiensten.“Ihm gehe es jetzt nur um die Existenz des Vereins.
Wie ist es um die Finanzen des FCM derzeit bestellt?
Viele Menschen im Umfeld des Vereins würden sich, so Buchmann, derzeit große Sorgen um den Club machen. Die Hilfsbereitschaft sei sehr groß, niemand müsse Angst haben, dass der FCM diese Phase nicht übersteht – erst recht nicht nach den Hebeln, die man nun bei den Spielerverträgen habe. So könne und so werde der FCM auch überleben. „Unsere aktuelle Liquidität ist gesichert, selbst wenn Rückabwicklungen und Regressansprüche von Sponsoren auf uns zukommen sollten“, sagt Buchmann. Wenn die Mitglieder nicht kündigen, könne sich der FCM mit den Beiträgen über Wasser halten. Vorteil: Ohne Trainings- und Spielbetrieb habe der Verein derzeit keine größeren laufenden Ausgaben. In der städtischen Arena fielen nur bei einer Nutzung Gebühren an.
Wie sehen die Sponsoren des FCM die Situation?
130 Partner und Sponsoren hat der FC Memmingen. Nur zwei von ihnen hätten ihr Engagement zum 31. März beendet, der Rest habe seine Unterstützung weiter zugesagt. Auch das extra verkaufte Sponsorenpaket für das ursprünglich für vergangenen Dienstag angesetzte Pokalspiel gegen den Drittligisten 1860 München bleibe dem FCM vermutlich erhalten. „Von allen Seiten kommen die Rückmeldungen, dass wir das Geld nicht zurückzahlen müssen“, stellt Buchmann positiv überrascht fest. In diesem Umfang habe er die Welle der Solidarität nicht erwartet.
Bekommt der FCM staatliche Zuschüsse in der Corona-Krise?
Nein. Buchmann will – zumindest jetzt – auch keine beantragen: „Da gibt es
Unternehmen und Personen, die brauchen das jetzt viel dringender. Wir kümmern uns schon selbst um uns.“
Sind Geisterspiele – wie von den Bundesligisten gewünscht – auch in der Regionalliga denkbar?
Denkbar ja, aber unerwünscht. In den Videokonferenzen hätte sich ein klares Meinungsbild ergeben: „Geisterspiele wären unser Todesstoß.“Auch begrenzte Kapazitäten im Stadion, verbunden mit Mindestabständen zwischen den Fans, seien unrealistisch. „Wie soll man das kontrollieren?“, fragt Buchmann. Außerdem gehe es in Vereinen wie dem FCM um mehr als nur darum, elf Leuten zu ermöglichen, dem Ball hinterherzujagen.
Wann rechnet der FCM mit einer Wiederaufnahme des Spielbetriebs?
Buchmann ist überzeugt davon, dass der Amateurfußball erst dann wieder in Fahrt kommen wird, wenn Zuschauer zugelassen sind. Damit sei das Ganze ein Thema der Politik und der Forschung – und nicht mehr des Verbands. „Ich habe eine eigene, sehr pessimistische Meinung“, sagt Buchmann, „ich stelle mich auf eine sehr, sehr, sehr lange Zeit ein, in der wir noch pausieren.“Schließlich hielten ja auch seriöse Virologen Publikumsveranstaltungen in diesem Jahr für unwahrscheinlich. Der FCM gehe in all den Planungen von einem Jahr Pause aus.
Saisonabbruch oder Fortsetzung, was wäre dem abstiegsbedrohten FCM lieber?
Da muss Buchmann nicht lange überlegen. „Allein wegen des Pokalhalbfinals gegen 1860 München plädieren wir natürlich für die Fortsetzung der Saison – wann auch immer.“Zur Not nehme man in Kauf, dass die nächste Saison 2020/21 ganz oder teilweise ausfallen könnte.