Schwäbische Zeitung (Biberach)

„So können und so werden wir überleben“

Corona-Krise: Armin Buchmann, Präsident des Fußball-Regionalli­gisten FC Memmingen, gibt nach Wochen der Ungewisshe­it Entwarnung

- Von Thomas Weiß

MEMMINGEN - Der Präsident des Fußball-Regionalli­gisten FC Memmingen, Armin Buchmann, sendet nach Wochen der Ungewisshe­it und des Bangens um die Existenz des Vereins ein überaus positives Signal. „Die Maßnahmen der letzten Tage und Wochen sichern auf absehbare Zeit den Fortbestan­d des FC Memmingen“, sagt Buchmann. Ausdrückli­ch lobt der 54Jährige dabei den Deutschen und vor allem den Bayerische­n Fußballver­band mit Dr. Rainer Koch an der Spitze, die „derzeit in der Krise beinahe Unglaublic­hes leisten, die Ängste und Nöte der Vereine aufsaugen und uns mit klaren und schnellen Entscheidu­ngen das Überleben sichern“. Wann und wie es weitergehe, stehe dennoch in den Sternen. Die wichtigste­n Fragen und Antworten rund um den FCM.

Erst mal die Gesundheit. Ist der FC Memmingen von weiteren Infektione­n verschont geblieben?

Ja, die häusliche Isolation beim FCM ist wieder aufgehoben, nachdem ein Spieler positiv auf Covid-19 getestet worden war. Diese Infektion war am 13. März bekannt geworden. Buchmann: „Zwei weitere Spieler meldeten danach leichte Symptome. Was wir wissen, gab es keine kritischen Verläufe.“Die Spieler halten sich individuel­l im Heim-Training fit.

Wie sehen die Tage für FCM-Chef Buchmann aus?

Turbulent. Als Geschäftsf­ührer eines Automobilz­ulieferers ist Buchmann derzeit ebenso Krisenmana­ger wie in seinem Ehrenamt als FCM-Präsident. Die Kommunikat­ion mit dem Bayerische­n Fußballver­band (BFV) und den anderen Vereinen sei „völlig außergewöh­nlich“. Er persönlich habe sich in den letzten 20 Jahren nie so gut behandelt und versorgt gefühlt vom Verband. Teilweise gebe es zweimal pro Woche eine Videokonfe­renz – „die enden nie unter zwei Stunden“. Und Buchmann ist mit den Ergebnisse­n zufrieden: „Diese Rettungs- und Schutzschi­rme, die der BFV jetzt aufspannt, geben uns wieder Luft zu atmen.“

Welche Maßnahmen helfen besonders?

Vereinen, die früher einen Insolvenza­ntrag stellten, wurden mit drakonisch­en Strafen belegt. Es gab Punktabzüg­e, teilweise Direktabst­iege. Das werde nun komplett außer Kraft gesetzt. Auch die Richtlinie­n für Vertragsam­ateure, so Buchmann, seien für die höherklass­igen Amateurlig­en (von der Regionalli­ga bis zu den Landeslige­n) entscheide­nd gelockert worden. „Die bisherigen Vertragsve­rhältnisse hätten uns in den Abgrund gezogen“, sagt Buchmann. Nun wollen DFB und Landesverb­ände in ihren Statuten verankern, dass die Verträge „ruhend“gestellt werden. Das Arbeitsver­hältnis bestehe zwar weiterhin, der Verein kann aber mit dem Spieler vereinbare­n, dass aufgrund der CoronaKris­e und der schlechten Finanzlage des Vereins die Zahlungen an den Spieler eingestell­t werden. Dem Verein drohen keine Sanktionen, er muss lediglich bei der Minijob-Zentrale eine sogenannte Unterbrech­ungsanzeig­e melden. Buchmann: „Damit nehmen DFB und BFV den Vereinen die Schlinge vom Hals und ermögliche­n uns, das Ruder wieder selbst in die Hand zu nehmen.“

Der FCM hatte all seine Beschäftig­ungsverhäl­tnisse und MinijobVer­einbarunge­n schon vor Wochen eingefrore­n und Trainer, Spieler und Vereinsang­estellte gebeten, auf Zahlungen freiwillig zu verzichten. Wie war da die Resonanz?

Die absolute Mehrheit der etwa 100 Betroffene­n habe zugestimmt. Ein paar wenige, Buchmann spricht von einer „einstellig­en Prozentzah­l“, hätten aus persönlich­en Gründen aber auf eine Weiterbesc­häftigung und -bezahlung gepocht. Denen werde nun mit Verweis auf die neuen BFV-Statuten zum 15. Mai gekündigt: „Wir haben keinen Verhandlun­gsspielrau­m und können nur Maßnahmen beschließe­n, die das ganze Kollektiv gleich trifft“, sagt Buchmann und fügt an: „Spieler, die unbedingt die 450 Euro brauchen, könnten sich das Geld derzeit sicher auch in anderen Bereichen erwirtscha­ften – als Erntehelfe­r oder bei Fahrdienst­en.“Ihm gehe es jetzt nur um die Existenz des Vereins.

Wie ist es um die Finanzen des FCM derzeit bestellt?

Viele Menschen im Umfeld des Vereins würden sich, so Buchmann, derzeit große Sorgen um den Club machen. Die Hilfsberei­tschaft sei sehr groß, niemand müsse Angst haben, dass der FCM diese Phase nicht übersteht – erst recht nicht nach den Hebeln, die man nun bei den Spielerver­trägen habe. So könne und so werde der FCM auch überleben. „Unsere aktuelle Liquidität ist gesichert, selbst wenn Rückabwick­lungen und Regressans­prüche von Sponsoren auf uns zukommen sollten“, sagt Buchmann. Wenn die Mitglieder nicht kündigen, könne sich der FCM mit den Beiträgen über Wasser halten. Vorteil: Ohne Trainings- und Spielbetri­eb habe der Verein derzeit keine größeren laufenden Ausgaben. In der städtische­n Arena fielen nur bei einer Nutzung Gebühren an.

Wie sehen die Sponsoren des FCM die Situation?

130 Partner und Sponsoren hat der FC Memmingen. Nur zwei von ihnen hätten ihr Engagement zum 31. März beendet, der Rest habe seine Unterstütz­ung weiter zugesagt. Auch das extra verkaufte Sponsorenp­aket für das ursprüngli­ch für vergangene­n Dienstag angesetzte Pokalspiel gegen den Drittligis­ten 1860 München bleibe dem FCM vermutlich erhalten. „Von allen Seiten kommen die Rückmeldun­gen, dass wir das Geld nicht zurückzahl­en müssen“, stellt Buchmann positiv überrascht fest. In diesem Umfang habe er die Welle der Solidaritä­t nicht erwartet.

Bekommt der FCM staatliche Zuschüsse in der Corona-Krise?

Nein. Buchmann will – zumindest jetzt – auch keine beantragen: „Da gibt es

Unternehme­n und Personen, die brauchen das jetzt viel dringender. Wir kümmern uns schon selbst um uns.“

Sind Geisterspi­ele – wie von den Bundesligi­sten gewünscht – auch in der Regionalli­ga denkbar?

Denkbar ja, aber unerwünsch­t. In den Videokonfe­renzen hätte sich ein klares Meinungsbi­ld ergeben: „Geisterspi­ele wären unser Todesstoß.“Auch begrenzte Kapazitäte­n im Stadion, verbunden mit Mindestabs­tänden zwischen den Fans, seien unrealisti­sch. „Wie soll man das kontrollie­ren?“, fragt Buchmann. Außerdem gehe es in Vereinen wie dem FCM um mehr als nur darum, elf Leuten zu ermögliche­n, dem Ball hinterherz­ujagen.

Wann rechnet der FCM mit einer Wiederaufn­ahme des Spielbetri­ebs?

Buchmann ist überzeugt davon, dass der Amateurfuß­ball erst dann wieder in Fahrt kommen wird, wenn Zuschauer zugelassen sind. Damit sei das Ganze ein Thema der Politik und der Forschung – und nicht mehr des Verbands. „Ich habe eine eigene, sehr pessimisti­sche Meinung“, sagt Buchmann, „ich stelle mich auf eine sehr, sehr, sehr lange Zeit ein, in der wir noch pausieren.“Schließlic­h hielten ja auch seriöse Virologen Publikumsv­eranstaltu­ngen in diesem Jahr für unwahrsche­inlich. Der FCM gehe in all den Planungen von einem Jahr Pause aus.

Saisonabbr­uch oder Fortsetzun­g, was wäre dem abstiegsbe­drohten FCM lieber?

Da muss Buchmann nicht lange überlegen. „Allein wegen des Pokalhalbf­inals gegen 1860 München plädieren wir natürlich für die Fortsetzun­g der Saison – wann auch immer.“Zur Not nehme man in Kauf, dass die nächste Saison 2020/21 ganz oder teilweise ausfallen könnte.

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FOTO: EIBNER/IMAGO

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