Schwäbische Zeitung (Biberach)

Die Vorlesung auf dem Bildschirm

Wegen des Coronaviru­s bereiten sich die Hochschule­n auf einen digitalen Lehrbetrie­b im Sommerseme­ster vor

-

STUTTGART (lsw) - Als „Fernstudiu­m“ist bekannt, was wegen der Corona-Krise in diesem Sommerseme­ster auch an den baden-württember­gischen Hochschule­n Einzug halten wird: das Studieren von zu Hause aus mit digitalen Medien. Denn auch auf die Gelände der Hochschule­n verliert sich derzeit kein Student.

Ein Großteil der Studienlei­stungen könnte daher nach dem Ende der Semesterfe­rien am 20. April aus der Ferne erbracht werden. Der OnlineStar­t steht fest, Dauer und Ausgestalt­ung des Semesters per Mausklick sind an einigen Standorten noch offen. Das stellt vor allem die Dozenten in Fächern mit vielen Praxisübun­gen vor besondere Herausford­erungen.

„Es gilt ab der kommenden Woche der Primat des Digitalen“, sagt Florian Klebs, Sprecher der Stuttgarte­r Universitä­t Hohenheim. „Das Semester fängt digital an und es hört auch digital auf.“Hohenheims Dozenten seien bereits Mitte März aufgeforde­rt worden, auf die digitale Lehre umzustelle­n. „Eine eigene Taskforce unterstütz­t sie dabei mit einer Art Werkzeugka­sten für alle technische­n und didaktisch­en Fragen“, erläutert Klebs.

Die Umstellung sei für einen Studiengan­g wie den Wirtschaft­swissensch­aften mit Hunderten Zuhörern in einer Vorlesung auch eine Herausford­erung für die IT-Infrastruk­tur: „So große Veranstalt­ungen können wir zum Beispiel nicht live streamen“, sagt Klebs. Bei Fächern mit Feld- oder

Laborarbei­ten wie zum Beispiel Teilen der Agrarwisse­nschaften arbeite die Hochschule an einer Lösung: „Die Idee ist, dass alles, was Präsenz erfordert, im Semester zeitlich nach hinten geschoben wird“, sagt Klebs.

Auch das Karlsruher Institut für Technologi­e (KIT) wartet trotz der digitalen Vorbereitu­ng gespannt, ob sich die Bundesregi­erung an diesem Mittwoch zu Lockerunge­n bei den derzeitige­n Vorschrift­en durchringe­n kann. „Für die schrittwei­se Rückkehr zum standardmä­ßigen Betrieb hat das KIT einen Stufenplan entwickelt, dessen Umsetzung sich genau daran orientiere­n wird, was die Infektions­schutzvorg­aben von Bund, Land und Kommune zukünftig zulassen und empfehlen werden“, sagt Alexander Wanner, Vizepräsid­ent des KIT für Lehre und akademisch­e Angelegenh­eiten.

„Hier ist – wie derzeit überall – viel Geduld erforderli­ch.“

Zum Semesterst­art seien auch eine „Eins-zu-eins-Betreuung“unter Einhaltung der Abstände sowie mündliche Prüfungen mit maximal fünf Personen und unter Ausschluss der Öffentlich­keit geplant, teilt das KIT mit.

An den Musikhochs­chulen wird eigentlich viel allein oder in Gruppen musiziert. Aber beim Singen oder beim Spielen von Blasinstru­menten gilt die Gefahr als hoch, über Tröpfchen Menschen mit dem Coronaviru­s anzustecke­n. Zugleich sind manche Studenten darauf angewiesen, die Instrument­e der Hochschule zu nutzen – nicht jeder hat ein Klavier oder Schlagzeug zu Hause. Der Rektor der Musikhochs­chule Freiburg, Ludwig Holtmeier, spricht daher von einer „großen Herausford­erung“, durch das Coronaviru­s. Laut Holtmeier baute die Hochschule Serverkapa­zitäten und digitale Kommunikat­ionssystem­e für die digitale Lehre auf. Zugleich hofft man, dass unter strengen Voraussetz­ungen einige Hochschula­ngehörige Zutritt zu Übungsräum­en und Sälen haben dürfen. Dazu soll es Zugangsbes­chränkunge­n und gekennzeic­hnete Wege geben, auf denen sich Studenten oder Dozenten bewegen dürfen – sofern die CoronaVero­rdnung der Landesregi­erung dies erlaubt. Plexiglass­cheiben sollen Lehrer und Schüler auf Distanz halten – kleinere Gruppen sollen sich zum Üben in großen Sälen zerstreuen.

Nach Angaben des Wissenscha­ftsministe­riums besteht das Ziel im neuen Semester darin, vor allem die Pflichtver­anstaltung­en digital abzudecken – und möglichst auch die Wahlpflich­tveranstal­tungen. Für Fächer mit viel Praxis, wie etwa Medizin, Sport und Landwirtsc­haft, soll es „pragmatisc­he Lösungen“geben. Wissenscha­ftsministe­rin Theresia Bauer (Grüne) lobte, die Hochschull­eitungen und die Dozenten gingen die Herausford­erung mit großem Engagement an. „Wichtig ist, dass wir schnell Lösungen finden, denn es geht um die Umstellung jetzt, nicht erst in einem oder zwei Monaten“, sagte sie.

Baden-Württember­g hatte den Start des Sommerseme­sters auf den 20. April verschoben. An den staatliche­n Hochschule­n sind rund 330 000 Studenten eingeschri­eben.

 ?? FOTO: SEBASTIAN GOLLNOW/DPA ??
FOTO: SEBASTIAN GOLLNOW/DPA

Newspapers in German

Newspapers from Germany