Schwäbische Zeitung (Biberach)
Wiedersehen als Ostergeschenk
Warum eine Familie für Senioren in Schemmerhofen eine besondere Aktion organisiert hat
SCHEMMERHOFEN/REUTE - Um ihrer Mutter und den Bewohnern eines Seniorenheims in der CoronaKrise eine Freude zu machen, haben Julia und Joachim Egger eine außergewöhnliche Osteraktion organisiert. Und nach Wochen der Trennung kam es zu einem bewegenden Wiedersehen.
Julia Egger aus Reute und ihre Mutter Hedwig Selg aus Moosbeuren konnten sich noch unterhalten – aber nur noch via Handy. „Ich hatte meine Mutter seit vielen Wochen nicht mehr gesehen“, erzählt Egger. Noch mehr aber schmerzte sie, dass ihre Mutter ihr Enkelkind seitdem nicht mehr gesehen hatte. Der kleine Maximilian ist knapp vier Monate alt. „Er macht gerade so viele Fortschritte“, sagt Egger. „Mir tut es sehr weh, dass meine Mutter diese Entwicklung nicht miterleben kann.“
Die 59-jährige Hedwig Selg arbeitet als Altenpflegerin im Wohnpark St. Klara in Schemmerhofen und muss daher jeglichen Kontakt zu anderen Personen vermeiden. Am Telefon aber erzählte sie ihrer Tochter von der schweren Zeit. Sie arbeite viel, die Herausforderungen seien groß, zumal auch bei manchen Angehörigen die Nerven blank liegen. Das Kontaktverbot falle vielen schwer.
Julia Egger überlegte sich daraufhin, wie sie den Pflegern und den Bewohnern im Heim eine Freude machen könnte. Ein paar hoffnungsvolle Gedanken, um die schwere Corona-Zeit zu überbrücken. Zufällig entdeckte sie über einen Onlinemessenger einen Kettenbrief für ein anderes Pflegeheim. Am 2. April verschickte sie eine eigene Version für Schemmerhofen: „Liebe Kinder und Eltern da draußen, die Pflegehilfen sind jetzt in der Krise für ihre Bewohner da. Vielleicht könnt genau ihr da draußen helfen, den Bewohnern oder vielleicht auch den Pflegekräften ein Lächeln in dieser schweren Zeit ins Gesicht zu zaubern.“
Sie bat die Empfänger des Briefs darum, selbst Briefe, Bilder oder kleine Geschenke an das Pflegeheim in Schemmerhofen zu schicken. Die Nachricht verbreitete sich rasch, die Reaktionen folgten noch am selben Tag. Noch vor Ostern gingen beim Pflegeheim zahlreiche Zuschriften ein, bis aus dem Schwarzwald. Doch das eigentliche Geschenk folgte erst noch: Am Ostersonntag überbrachten Julia und Joachim Egger mit Sohn Maximilian auf dem Arm und die Schwägerin Marion Egger eine Blumenspende der Gärtnerei Keck und einen Kuchen an das Pflegeheim. Außerdem hatten sie weitere Geschenke, Briefe und nicht zuletzt 15 Mundschutze im Gepäck.
Dabei kam es auch zu einem bewegenden Wiedersehen: Hedwig Selg selbst nahm die Geschenke in Empfang und konnte endlich ihre Kinder und vor allem ihren Enkel Maximilian wiedersehen – wenn auch nur mit dem vorgeschriebenen Sicherheitsabstand. „Den Abstand einzuhalten, ist uns wirklich schwer gefallen“, erzählt Julia Egger. „Eigentlich möchte man sich einfach in den Arm nehmen und ganz fest drücken.“Sie selbst sei den Tränen nahe gewesen, als sie ihre Mutter gesehen hat. Und die Großmutter hätte gerne auch ihren Enkel auf den Arm genommen. Doch die Gefahr sei einfach zu groß. „Ich möchte ja nicht der Todesengel sein, der das Virus ins Seniorenheim bringt“, sagt sie. Das Abstandhalten sei „schmerzhaft“gewesen, der Besuch aber war dennoch schön. „Und die Bewohner haben sich auch rießig gefreut.“
Hedwig Selg schrieb im Nachhinein: „Für uns ist es derzeit ein ganz anderes Arbeiten. Aber mit solchen Gesten gelingt es uns bestimmt.“Egger sagt, sie sei optimistisch und habe bereits einen großen Wunsch für die Zeit nach Corona. „Dann wollen wir ein großes Grillfest machen mit einem richtigen Wiedersehen für die ganze Familie.“
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