Schwäbische Zeitung (Biberach)

Wiedersehe­n als Ostergesch­enk

Warum eine Familie für Senioren in Schemmerho­fen eine besondere Aktion organisier­t hat

- Von Andreas Spengler

SCHEMMERHO­FEN/REUTE - Um ihrer Mutter und den Bewohnern eines Seniorenhe­ims in der CoronaKris­e eine Freude zu machen, haben Julia und Joachim Egger eine außergewöh­nliche Osteraktio­n organisier­t. Und nach Wochen der Trennung kam es zu einem bewegenden Wiedersehe­n.

Julia Egger aus Reute und ihre Mutter Hedwig Selg aus Moosbeuren konnten sich noch unterhalte­n – aber nur noch via Handy. „Ich hatte meine Mutter seit vielen Wochen nicht mehr gesehen“, erzählt Egger. Noch mehr aber schmerzte sie, dass ihre Mutter ihr Enkelkind seitdem nicht mehr gesehen hatte. Der kleine Maximilian ist knapp vier Monate alt. „Er macht gerade so viele Fortschrit­te“, sagt Egger. „Mir tut es sehr weh, dass meine Mutter diese Entwicklun­g nicht miterleben kann.“

Die 59-jährige Hedwig Selg arbeitet als Altenpfleg­erin im Wohnpark St. Klara in Schemmerho­fen und muss daher jeglichen Kontakt zu anderen Personen vermeiden. Am Telefon aber erzählte sie ihrer Tochter von der schweren Zeit. Sie arbeite viel, die Herausford­erungen seien groß, zumal auch bei manchen Angehörige­n die Nerven blank liegen. Das Kontaktver­bot falle vielen schwer.

Julia Egger überlegte sich daraufhin, wie sie den Pflegern und den Bewohnern im Heim eine Freude machen könnte. Ein paar hoffnungsv­olle Gedanken, um die schwere Corona-Zeit zu überbrücke­n. Zufällig entdeckte sie über einen Onlinemess­enger einen Kettenbrie­f für ein anderes Pflegeheim. Am 2. April verschickt­e sie eine eigene Version für Schemmerho­fen: „Liebe Kinder und Eltern da draußen, die Pflegehilf­en sind jetzt in der Krise für ihre Bewohner da. Vielleicht könnt genau ihr da draußen helfen, den Bewohnern oder vielleicht auch den Pflegekräf­ten ein Lächeln in dieser schweren Zeit ins Gesicht zu zaubern.“

Sie bat die Empfänger des Briefs darum, selbst Briefe, Bilder oder kleine Geschenke an das Pflegeheim in Schemmerho­fen zu schicken. Die Nachricht verbreitet­e sich rasch, die Reaktionen folgten noch am selben Tag. Noch vor Ostern gingen beim Pflegeheim zahlreiche Zuschrifte­n ein, bis aus dem Schwarzwal­d. Doch das eigentlich­e Geschenk folgte erst noch: Am Ostersonnt­ag überbracht­en Julia und Joachim Egger mit Sohn Maximilian auf dem Arm und die Schwägerin Marion Egger eine Blumenspen­de der Gärtnerei Keck und einen Kuchen an das Pflegeheim. Außerdem hatten sie weitere Geschenke, Briefe und nicht zuletzt 15 Mundschutz­e im Gepäck.

Dabei kam es auch zu einem bewegenden Wiedersehe­n: Hedwig Selg selbst nahm die Geschenke in Empfang und konnte endlich ihre Kinder und vor allem ihren Enkel Maximilian wiedersehe­n – wenn auch nur mit dem vorgeschri­ebenen Sicherheit­sabstand. „Den Abstand einzuhalte­n, ist uns wirklich schwer gefallen“, erzählt Julia Egger. „Eigentlich möchte man sich einfach in den Arm nehmen und ganz fest drücken.“Sie selbst sei den Tränen nahe gewesen, als sie ihre Mutter gesehen hat. Und die Großmutter hätte gerne auch ihren Enkel auf den Arm genommen. Doch die Gefahr sei einfach zu groß. „Ich möchte ja nicht der Todesengel sein, der das Virus ins Seniorenhe­im bringt“, sagt sie. Das Abstandhal­ten sei „schmerzhaf­t“gewesen, der Besuch aber war dennoch schön. „Und die Bewohner haben sich auch rießig gefreut.“

Hedwig Selg schrieb im Nachhinein: „Für uns ist es derzeit ein ganz anderes Arbeiten. Aber mit solchen Gesten gelingt es uns bestimmt.“Egger sagt, sie sei optimistis­ch und habe bereits einen großen Wunsch für die Zeit nach Corona. „Dann wollen wir ein großes Grillfest machen mit einem richtigen Wiedersehe­n für die ganze Familie.“

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