Schwäbische Zeitung (Biberach)
Der Süden hält zu Mahnerin Merkel
Kretschmann und Söder stützen die Kanzlerin – FDP und AfD kritisieren strikten Kurs
BERLIN/ULM/STUTTGART - Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat in ihrer ersten Regierungserklärung während der Corona-Pandemie vor Rückschlägen gewarnt und die Deutschen zum Durchhalten aufgerufen. Trotz des positiven Trends bei Erkrankungen und Genesungen sagte die CDU-Politikerin: „Wir bewegen uns auf dünnem Eis, man kann auch sagen: auf dünnstem Eis.“Sie kritisierte einzelne Bundesländer, ohne sie direkt zu benennen. Die Umsetzung der Öffnungsbeschlüsse der vergangenen Woche wirke auf sie „in Teilen sehr forsch, um nicht zu sagen zu forsch“. Zuvor hatte die Koalition ein weiteres Hilfspaket geschnürt – für Kurzarbeiter, Gastronomie und bedürftige Schüler.
Harte Kritik am strikten Kurs der Kanzlerin kam von der Opposition. FDP-Chef Christian Lindner meldete Zweifel an der „Geeignetheit einzelner Maßnahmen“an. Heute ende „die große Einmütigkeit in der Frage des Krisenmanagements“. Den Bürgern könne wieder mehr Freiheit zurückgegeben werden, so Lindner. Drastischer äußerte sich die AfD. Die Zeit sei gekommen, die Schutzmaßnahmen
in die private Verantwortung der Bürger zu überführen, sagte Alexander Gauland. „Der Staat ist dabei weitgehend überflüssig.“
Markus Söder (CSU) und Winfried Kretschmann (Grüne), die Ministerpräsidenten von Bayern und Baden-Württemberg stellten sich indes hinter den Kurs der Kanzlerin. „Wir sind eine Gemeinschaft der Umsichtigen“, sagte Söder nach einem Arbeitsessen mit Kretschmann am Donnerstagmittag in Ulm. Er erteilte Rufen nach schnelleren Lockerungen eine Absage. „Wir glauben daran, dass Corona bleibt. Deshalb gibt es keinen Grund, jetzt leichtsinnig zu werden.“Söder plädierte für eine generelle Impfpflicht, sobald es einen Wirkstoff gegen das Coronavirus gibt. „Experten warnen nicht ohne Grund vor einer zweiten Infektionswelle“, sagte Kretschmann. Diese würde die Wirtschaft noch härter treffen als die restriktiven Maßnahmen. „Deshalb halte ich den Chor für mehr Öffnung für wenig durchdacht.“Er sehe den Druck, der auf den Familien derzeit laste, und verstehe den Wunsch der Menschen nach mehr Freiheiten. Aber, so Kretschmann: „Wenn man die Pandemie nicht überlebt, ist es mit den Freiheitsrechten vorbei.“