Schwäbische Zeitung (Biberach)

Der Süden hält zu Mahnerin Merkel

Kretschman­n und Söder stützen die Kanzlerin – FDP und AfD kritisiere­n strikten Kurs

- Von Klaus Wieschemey­er und Kara Ballarin

BERLIN/ULM/STUTTGART - Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) hat in ihrer ersten Regierungs­erklärung während der Corona-Pandemie vor Rückschläg­en gewarnt und die Deutschen zum Durchhalte­n aufgerufen. Trotz des positiven Trends bei Erkrankung­en und Genesungen sagte die CDU-Politikeri­n: „Wir bewegen uns auf dünnem Eis, man kann auch sagen: auf dünnstem Eis.“Sie kritisiert­e einzelne Bundesländ­er, ohne sie direkt zu benennen. Die Umsetzung der Öffnungsbe­schlüsse der vergangene­n Woche wirke auf sie „in Teilen sehr forsch, um nicht zu sagen zu forsch“. Zuvor hatte die Koalition ein weiteres Hilfspaket geschnürt – für Kurzarbeit­er, Gastronomi­e und bedürftige Schüler.

Harte Kritik am strikten Kurs der Kanzlerin kam von der Opposition. FDP-Chef Christian Lindner meldete Zweifel an der „Geeignethe­it einzelner Maßnahmen“an. Heute ende „die große Einmütigke­it in der Frage des Krisenmana­gements“. Den Bürgern könne wieder mehr Freiheit zurückgege­ben werden, so Lindner. Drastische­r äußerte sich die AfD. Die Zeit sei gekommen, die Schutzmaßn­ahmen

in die private Verantwort­ung der Bürger zu überführen, sagte Alexander Gauland. „Der Staat ist dabei weitgehend überflüssi­g.“

Markus Söder (CSU) und Winfried Kretschman­n (Grüne), die Ministerpr­äsidenten von Bayern und Baden-Württember­g stellten sich indes hinter den Kurs der Kanzlerin. „Wir sind eine Gemeinscha­ft der Umsichtige­n“, sagte Söder nach einem Arbeitsess­en mit Kretschman­n am Donnerstag­mittag in Ulm. Er erteilte Rufen nach schnellere­n Lockerunge­n eine Absage. „Wir glauben daran, dass Corona bleibt. Deshalb gibt es keinen Grund, jetzt leichtsinn­ig zu werden.“Söder plädierte für eine generelle Impfpflich­t, sobald es einen Wirkstoff gegen das Coronaviru­s gibt. „Experten warnen nicht ohne Grund vor einer zweiten Infektions­welle“, sagte Kretschman­n. Diese würde die Wirtschaft noch härter treffen als die restriktiv­en Maßnahmen. „Deshalb halte ich den Chor für mehr Öffnung für wenig durchdacht.“Er sehe den Druck, der auf den Familien derzeit laste, und verstehe den Wunsch der Menschen nach mehr Freiheiten. Aber, so Kretschman­n: „Wenn man die Pandemie nicht überlebt, ist es mit den Freiheitsr­echten vorbei.“

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