Schwäbische Zeitung (Biberach)

Italien macht langsam wieder auf

Die Ausgangssp­erre wird gelockert – Doch was das genau bedeutet, bleibt teils unklar

- Von Thomas Migge

ROM - Italiens „Phase zwei“hat begonnen. Am Sonntagabe­nd gegen 21 Uhr verkündete Regierungs­chef Giuseppe Conte in einer Fernsehans­prache den Inhalt eines neuen Regierungs­dekrets zur Bewältigun­g der Coronaviru­s-Krise. Die „Phase zwei“wird am 4. Mai beginnen – und beinhaltet Maßnahmen, die, sagt Conte, das „Zusammenle­ben mit dem Coronaviru­s“regeln sollen. Bei manchen Italienern sorgen sie aber für Verwirrung.

Millionen Italiener, die Contes Ansprache verfolgten, hatten auf klare Antworten auf die Frage gewartet, wie denn nun ihr Alltag weitergehe­n soll. Doch sie wurden zu einem guten Teil enttäuscht.

Seit Anfang März dürfen die Italiener nur noch dann aus dem Haus, wenn sie zur Arbeit gehen – oder wenn sie Lebensmitt­el einkaufen müssen, ihre Hunde Gassi führen oder im Umkreis von 200 Metern von ihrer Wohnung entfernt spazieren gehen wollen. Nur aus triftigem Grund dürfen sie bis zum 4. Mai zu einem Arzt oder zu einem engen Verwandten. Wird dieses Verbot verletzt, drohen Geldstrafe­n von bis zu rund 500 Euro.

Groß war die Erwartung, ob man nach dem 4. Mai endlich wieder spazieren gehen können würde. Doch das mit großer Spannung erwartete neue Regierungs­dekret gibt darauf keine klare Antwort.

In Artikel 1 Absatz 1a heißt es, dass auch künftig das Verlassen der Wohnung nur dann erlaubt ist, wenn ein dringender berufliche­r oder sonstiger Grund vorliegt. In Absatz 1f heißt es dann, dass man keine „erholenden“Tätigkeite­n außer Haus betreiben darf. Im gleichen Satz heißt es weiter, dass man individuel­l Sport treiben und „motorische Aktivitäte­n“

durchführe­n kann. Heißt das auch spazieren gehen? Und was genau sind „motorische Aktivitäte­n“? Ein Bluthochdr­uckpatient sollte möglichst viel gehen. Doch sie oder er wird langsam gehen und nicht joggen. Nicht ausgeschlo­ssen ist deshalb, dass Italiener, die ab dem 4. Mai nicht laufend in ihrer Stadt unterwegs sein werden, von der Polizei kontrollie­rt werden könnten und sich rechtferti­gen müssen.

Ab dem 4. Mai werden die städtische­n Parks wieder geöffnet. Doch was ist, wenn man in seinem Viertel keinen solchen Park hat. Darf man dann zu einem weiter entfernten Park spazieren gehen oder nicht? Im neuen Regierungs­dekret heißt es auch, dass man ans Meer darf. Aber nur diejenigen, die am Meer leben. Was genau heißt das? Wie nah muss man am Strand leben, um dort einen Spaziergan­g machen zu dürfen?

Das Dekret weist immer wieder darauf hin, dass man zukünftig Sicherheit­sabstände einhalten, Masken

und Handschuhe tragen muss. Die Preise der Masken sollen staatlich festgelegt werden, um Wucher zu verhindern. Begräbniss­e und andere religiöse Feiern sollen wieder stattfinde­n dürfen – aber nur mit maximal 15 Anwesenden.

Restaurant­s und Pizzerien dürfen ab 18. Mai öffnen. Aber nur für Speisen, die man vor Ort bestellen und mitnehmen kann. Ab diesem Tag sollen auch Museen und Ausstellun­gen wieder zugänglich sein. Die Schulen bleiben bis September geschlosse­n.

Am 4. Mai öffnen auch die meisten Unternehme­n und Betriebe. Für Ende Mai ist die Wiedereröf­fnung des Einzelhand­els geplant.

Dass Italiens Kirchen bis auf Weiteres geschlosse­n bleiben müssen und Gottesdien­ste untersagt werden, verärgert die Bischofsko­nferenz. Sie forderte am Montag die Regierung dazu auf, in diesem Punkt nachzubess­ern, denn, so ein Dokument der Bischöfe, „hier wird das Recht auf Religionsa­usübung verletzt“.

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FOTO: FILIPPO MONTEFORTE/AFP

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