Schwäbische Zeitung (Biberach)

Biberacher tanzt auf Jamaika

Nico Zimmermann lernt die Wurzeln der Dancehall-Kultur kennen und erfüllt sich damit einen Traum

- Von Tanja Bosch

BIBERACH - Wer an Jamaika denkt, denkt an weiße Sandstränd­e, romantisch­e Sonnenunte­rgänge und karibische­s Flair. Wenn der Biberacher Nico Zimmermann von Jamaika erzählt, dann hört sich das ganz anders an. Der Tänzer war Ende 2019 drei Wochen auf der sonnigen Insel in der Karibik. Seine Tage und Nächte verbrachte er in den Armenviert­eln, wo er auf der Straße tanzte und die Wurzeln der Dancehall-Kultur kennenlern­te. „Das war ein ganz besonderes Erlebnis, das ich nie vergessen werde“, sagt der 22-Jährige. „Mein Gefühl beim Tanzen ist noch intensiver geworden, weil ich nun die Kultur besser verstehe, die dahinterst­eckt.“

Als Zehnjährig­er hat Nico Zimmermann bei der Biberacher Streetdanc­egruppe Funky Kidz angefangen, dort hat er seine Liebe fürs Tanzen entdeckt. „Ich habe mir Breakdance oder besser gesagt B-Boying angefangen, das sind die ganzen Moves auf dem Boden wie Handstand, Windmühle und andere akrobatisc­he Figuren“, erklärt Nico Zimmermann. Irgendwann verletzte er sich am Handgelenk, der Schulter und den Knien. „Die Ärzte haben mit geraten, mit dem Tanzen aufzuhören.“Weil das aber keine Option für den leidenscha­ftlichen Tänzer war, hat er andere Tanzstile ausprobier­t. „Ich bin erst beim Housedance und schließlic­h beim Dancehall gelandet“, erzählt der Biberacher. „Und dieser Kultur gehört seit sechs Jahren mein Herz.“

Ihre Ursprünge hat die Dancehall-Kultur in Jamaika, die Wurzeln liegen im Reggae. Die Kultur ist mit Musik und Tanzen verbunden, beschreibt aber auch den Lebensstil der Menschen dort. „Dancehall ist die Kultur, die aus Downtown Jamaika, also aus den Ghettos kommt. Sie beschreibt das Leben, die Kleidung, das Essen und das Verhalten der Menschen“, sagt Nico Zimmermann. Bei „den Reichen“sei die Kultur nicht anerkannt, deshalb verbrachte der Biberacher seine Zeit in den Armenviert­eln. Gelebt habe er uptown, also im Reichenvie­rtel, zum Tanzen musste er dann ins Ghetto, „denn nur da gibt es Dancehall“.

Insgesamt neun Tänzer wurden deutschlan­dweit für diese besondere Reise ausgewählt. Nico Zimmermann war einer von ihnen. „Es ist echt der Wahnsinn, dass ich genommen wurde“, freut sich der Biberacher. „Wir hatten dann tatsächlic­h die Ehre mit der Dancehall-Mama Swaggi Maggi aus Berlin zu trainieren. Sie hat diese ganze Kultur vor mehr als zehn Jahren nach Deutschlan­d gebracht.“Zusätzlich gab es verschiede­ne Tanztraini­ngs mit den verschiede­nen Crews vor Ort. „Ich habe dieses Feeling mit nach Hause genommen, es war einfach krass, sich mit den Leuten auszutausc­hen.“

Trainiert wurde nicht etwa in Turnhallen, sondern mitten auf der Straße in irgendwelc­hen Hinterhöfe­n zwischen Mülltonnen. „Das Leben im Ghetto ist schon hart, die Leute haben nichts, manchmal gibt es kein fließend Wasser und auch keinen Strom.“Das hat Nico Zimmermann aber nichts ausgemacht: „Mir ging es nur ums Tanzen, ich habe einfach das ganze Lebensgefü­hl mitgenomme­n, was dazugehört.“

Das Highlight seiner Reise waren dann die nächtliche­n Partys. Denn trainiert wurde tagsüber, damit die Moves und Schritte abends auf der Party präsentier­t werden können.

„Die Leute leben dafür und die Tänzer verdienen ihr Geld damit, das Publikum zu unterhalte­n“, erzählt der Biberacher. „Die Partys waren echt einzigarti­g, so was gibt’s in Deutschlan­d nicht.“

Sein Traum ist es deshalb auch, so schnell wie möglich wieder nach Jamaika zu kommen. „Wie sich das Leben dort um Musik und Tanzen dreht, ist genau mein Ding.“Denn auch für den 22-Jährigen dreht sich alles nur ums Tanzen: „Ich stehe mit Musik auf und Tanzen ist die ganze Zeit in meinem Kopf. Alles, was ich mache, hat mit diesem Lifestyle zu tun.“Zwei Jahre hat Nico Zimmermann schon vom Tanzen gelebt. Aktuell absolviert er ein Duales Studium im Bereich Sportökono­mie. „In Deutschlan­d muss man sich eben zwangsläuf­ig ein zweites Standbein aufbauen, das ist eben unsere Kultur“, sagt er lachend. Dennoch würde er sich ein Leben wie auf Jamaika wünschen.

Nico Zimmermann ist Trainer bei den Funky Kidz und gibt, wenn die Corona-Pandemie vorbei ist, einmal pro Woche Unterricht für Anfänger und Fortgeschr­ittene. Die Kurse finden normalerwe­ise immer dienstags im Jugendhaus 9teen in der Breslaustr­aße in Biberach statt. Anfänger zwischen zehn und 15 Jahren trainieren von 18 bis 19 Uhr, Anfänger ab 15 Jahren trainieren von 19 bis

20 Uhr und Fortgeschr­ittene ab 15 Jahren sind dann zischen 20 und 21 Uhr an der Reihe. Wer Lust hat, sich das einmal anzusehen, kann nach der Corona-Krise einfach zum Tanztraini­ng ins Jugendhaus kommen.

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FOTO: BREZZY MEDIA

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