Schwäbische Zeitung (Biberach)
Er hilft Menschen in Krisen
Wie die Arbeit der 29 Notfallseelsorger im Landkreis Biberach aussieht
BIBERACH - Sie kommen zum Einsatz, wenn Menschen nicht mehr weiterwissen: Notfallseelsorger. Etwa nach einem Suizid. Wenn sich die Angehörigen fragen: Warum? 29 solcher ehrenamtlicher Notfallseelsorger gibt es im Landkreis Biberach. Dominik Kern ist einer von ihnen.
Alarmiert werden die Notfallseelsorger meist über die Leitstellen von Rettungsdienst und Polizei. Was sie dann vor Ort erwarte, sei völlig unterschiedlich: „Das ist das ganze Spektrum. Zum Beispiel bei jemandem zu Hause, oder an einem Unfallort“, sagt Kern. „Das sind Ereignisse, wegen denen Menschen einen Kontrollverlust in ihrem Leben haben. Erlebnisse, die einen aus der Bahn werfen.“Etwa nach einem Suizid, nach einem Unfall oder wenn Menschen unerwartet sterben. „Dann kommen wir ins Spiel“, erklärt der 32-Jährige. In einem Fall sei ein älterer Herr an einem Herzinfarkt verstorben. „Aber die hinterbliebene Person war völlig allein“, erinnert er sich.
Kern glaubt: „Menschen haben es verdient, in so einer Situation nicht alleine zu sein.“Denn Notfallseelsorger wie Kern wollen Menschen in solchen Krisen helfen. „Ich mache das, weil ich es als etwas Sinnvolles empfinde“, sagt der gelernte Pastoralreferent.
15 bis 20 Einsätze als Notfallseelsorger habe er bisher gehabt, schätzt Kern. Seit 2016 ist er ehrenamtlich aktiv. Erst in Schwäbisch Gmünd, inzwischen für die Notfallseelsorge des Biberacher Landkreises. Geleitet wird diese Notfallseelsorge seit 2016 von Iris Espenlaub. Träger sind das katholische Dekanat und der evangelische Kirchenbezirk. Der Schwerpunkt liege dabei im Ehrenamt. Engagieren würden sich auch Mitarbeiter
aus dem pastoralen Bereich wie Dominik Kern. Espenlaub betont, dass das Angebot der Notfallseelsorger freiwillig sei. „Die Betroffenen entscheiden, ob sie uns brauchen. Wir stülpen das niemandem über“, sagt sie. Und auch Kern erklärt, die
Situationen seien zwar oft schwierig, wenn Notfallseelsorger gerufen würden. „Aber meistens sind die Leute dankbar, dass wir uns die Zeit für sie nehmen“, sagt er. Das bestätige ihn in seiner Arbeit. „Helfen gibt einem etwas Positives zurück.“
Wichtig sei es als Notfallseelsorger, für die Betroffenen in akuten Krisensituationen da zu sein und ihnen zuzuhören, sagt Espenlaub. „Die Leitlinie ist immer der Betroffene“, erklärt sie. An ihm orientiere man sich und versuche etwa zu helfen, von einem verstorbenen Menschen Abschied zu nehmen. „Nach Suiziden sind zum Beispiel viele Fragen da. Etwa nach dem Warum. Oder es gibt Schuldvorwürfe“, sagt sie.
Für den Job als Notfallseelsorger müsse man verschiedene Eigenschaften mitbringen. „Man muss die Menschenwürde achten und die Schweigepflicht einhalten“, erklärt Espenlaub. „Außerdem braucht man Einfühlungsvermögen und Offenheit für das christliche Menschenbild.“Interessierte müssten zudem mindestens 25 Jahre alt sein. „Wir suchen Menschen, die gefestigt im Leben stehen“, sagt sie. Außerdem müssten sich Notfallseelsorger auf den Zeitaufwand für das Ehrenamt einlassen.
Bei der Biberacher Notfallseelsorge sei die Arbeit nach Bereitschaft eingeteilt: „Manche haben einen Tag, manche eine Woche“, sagt die Leiterin. Das sei von Notfallseelsorger zu Notfallseelsorger unterschiedlich. Vier bis sechs Wochen im Jahr bringe man so im Schnitt für das Ehrenamt auf. Eine Aufgabe, bei der man sich überlegen müsse: „Wie passt das in mein Leben?“
Bevor es aber als Notfallseelsorger los gehe, komme die Ausbildung, erklärt sie. Die 100 nötigen Theoriestunden seien auf einen Zeitraum von zehn bis elf Monaten verteilt. Danach folgt laut Espenlaub jeweils eine Schicht bei Polizei und Rettungskräften. Um zu sehen wie die Dienste arbeiten, mit denen auch die Notfallseelsorger später zu tun haben. „Dazu kommt die Hospitanz in Einsätzen mit Notfallseelsorgern. So wächst man langsam hinein. Schritt für Schritt.“
So ging es auch Dominik Kern. Hauptberuflich ist er Jugendseelsorger in Biberach. Notfallseelsorge macht er ehrenamtlich. Mit dem Erlebten von seinen bisherigen Einsätzen komme er meist gut klar. Wenn ihm Ereignisse doch nachgehen würden, bete er. „Mir hilft es auch, dass es im Team besprochen wird und wir den Einsatz nochmal gemeinsam durchgehen“, sagt Kern. Außerdem gebe es die sogenannte Supervision. Hier werde im professionellen Rahmen das eigene Handeln reflektiert und bewertet. Dadurch lerne er, was er beim nächsten Einsatz besser machen könne, sagt Kern.
„Menschen haben es verdient, in so einer Situation nicht alleine zu sein.“
Dominik Kern