Schwäbische Zeitung (Biberach)

Die nächsten Schritte im Bauplatzst­reit

Ummendorf will am liebsten neue Vergabekri­terien, aber zuerst haben mal die Kläger das Wort

- Von Markus Dreher

UMMENDORF - Nach der schriftlic­hen Urteilsbeg­ründung des Verwaltung­sgerichts (VG) Sigmaringe­n will die Gemeinde Ummendorf keine Rechtsmitt­el einlegen. Das sagten Bürgermeis­ter Klaus B. Reichert und der Prozessbev­ollmächtig­te Andreas Staudacher der „Schwäbisch­en Zeitung“. Die Gemeinde akzeptiert die von der 3. Kammer des VG eindeutig festgestel­lte Rechtswidr­igkeit der Bauplatzve­rgabericht­linien vom September 2019 und hofft, modifizier­te Kriterien zu erlassen. Der Rechtsanwa­lt Oliver Leuze äußerte sich namens der Kläger auf Anfrage bisher nicht. Die Kläger können bis 22. Mai beantragen, Berufung beim Verwaltung­sgerichtsh­of zuzulassen.

Das VG hatte der Klage einer Familie stattgegeb­en, die keinen Bauplatz erhalten hatte. Indes sah das Gericht ausdrückli­ch keine Verpflicht­ung, von Neuem über die Bewerbung der Kläger zu entscheide­n. „Die Bauplatzve­rgabericht­linien wurden (...) vollständi­g aufgehoben“, schreibt die Kammer. Sollte das Urteil rechtskräf­tig werden, „wären wir auf dem Stand null“, sagt Reichert, mit Ausnahme der acht notariell beglaubigt­en Kaufverträ­ge. Wobei der Rathausche­f noch mal klarstellt, dass das Vergabepro­cedere komplett aufgerollt würde. „Auch ganz neue Bauplatzbe­werber kommen in den Pool“, es ist keineswegs ausgemacht, dass bisherige Bewerber erneut zum Zug kommen.

Aber so weit ist es sowieso noch nicht, zunächst sind die Kläger am Zug. Die formelle Rechtswidr­igkeit der Bauplatzve­rgabekrite­rien wurde lang und breit sowohl im Eilverfahr­en als auch in der mündlichen Verhandlun­g vom 10. März thematisie­rt. Die Kammer sieht einen „schwerwieg­enden Verfahrens­fehler“darin, dass der Gemeindera­t unter Ausschluss der Öffentlich­keit beraten

„Dass wir nach den Hinweisen des Gerichts an gewissen Schrauben drehen dürften, liegt auf der Hand.“

hat. Das VG hält obendrein ein Gemeindera­tsmitglied für befangen, das später den Zuschlag für einen Bauplatz bekommen hatte; dies hält das VG in seinem Urteil fest, auch wenn Reichert dazu „eine unterschie­dliche Auffassung“hat.

Auch in inhaltlich­er Hinsicht äußert die 3. Kammer, wie berichtet, Bedenken an der Rechtmäßig­keit der Bauplatzve­rgabekrite­rien. In dem 30-seitigen Urteil indes „kann es dahingeste­llt bleiben, ob diese auch materiell rechtswidr­ig sind“, schreibt das VG – da allein die formelle Rechtswidr­igkeit schon reicht. Staudacher selbst findet diese Begründung „dürftig“, Reichert seinerseit­s will eine „Spitze“erkennen in den Ausführung­en des Gerichts speziell zum Grundstück­spreis ohne Subvention­en.

Doch der Reihe nach: Das VG bezweifelt

Klaus Bernd Reichert wie berichtet, dass die Rechtsprec­hung des Europäisch­en Gerichtsho­fs (EuGH) mit der Freizügigk­eit vereinbar ist, wenn Bauplätze nicht zu subvention­ierten Preisen verkauft werden wie im Fall Ummendorf. Die Kammer hält diesen Punkt für umso auffällige­r, als die Gemeinde den aktuellen und früheren Hauptwohns­itz von Bauplatzbe­werbern im Ummendorfe­r Punktesyst­em sehr hoch gewichtet hat. Soziale Kriterien fielen im Punktekata­log weniger stark ins Gewicht (etwa die Zahl minderjähr­iger Kinder). In der Folge hätten außenstehe­nde Bewerber ohne Ortsbezug „kaum eine realistisc­he Chance auf einen Bauplatz“gehabt, schreibt das VG. Dies sei sowohl aufgrund der unionsrech­tlichen Vorgaben des EuGH als auch vor dem Hintergrun­d des Diskrimini­erungsverb­ots von Artikel 3 Absatz 1 Grundgeset­z „sehr fragwürdig“, so die Kammer.

Reichert hält es für „erstaunlic­h“, dass es im Schriftsat­z des VG heißt, diese Angaben der Gemeinde zur verbilligt­en Abgabe an Bauplatzbe­werber vermöge die Kammer nicht zu beurteilen. Zum Punkt Subvention­en

legt Reichert jedenfalls größten Wert darauf, dass der Quadratmet­erpreis von 145 Euro „relativ präzise aus dem Ankaufspre­is und den Erschließu­ngskosten besteht“, von einer Subvention könne keine Rede sein. Der gemeinsame Gutachtera­usschuss der Verwaltung­sgemeinsch­aft Biberach stelle die Bodenricht­werte amtlich fest; die jeweiligen Kaufverträ­ge müssten wie Gutachten behandelt werden. Der Bodenricht­wert ist nicht zu verwechsel­n mit dem sprichwört­lichen reichen Scheich, der einen spekulativ­en Grundstück­spreis zahlen kann und will.

Was die vom VG für problemati­sch erachtete Gewichtung im Punktesyst­em angeht, möchte Reichert dem Gemeindera­t nicht vorgreifen. „Dass wir nach den Hinweisen des Gerichts an gewissen Schrauben drehen dürften, liegt auf der Hand.“Wie stark ein Punktekata­log modifizier­t werden könnte, bleibe abzuwarten, schließlic­h „war das natürlich ein Kompromiss aus 17 Meinungen“. Aber bevor die Räte überhaupt darüber nachdenken, bleibt ohnehin der 17. Mai abzuwarten. (Aktenzeich­en 3 K 3574/19)

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FOTO: MARKUS DREHER

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