Schwäbische Zeitung (Biberach)

„Diese Couture muss man real erleben“

Direktor der Münchner Kunsthalle, Roger Diederen, hofft auf baldige Eröffnung der Thierry-Mugler-Ausstellun­g

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MÜNCHEN - Mode zieht. Die Schau um den schrillen Jean Paul Gaultier vor fünf Jahren war ein Knüller. Und nun sollte der französisc­he Modedesign­er Thierry Mugler der Kunsthalle München wieder ein solches Fashion-Highlight bescheren. Noch im März wurde unter Hochdruck aufgebaut, doch inzwischen werkelt das Team um Direktor Roger Diederen im Homeoffice und hofft auf gute Nachrichte­n. „Wir stehen quasi in den Startlöche­rn“, erklärt Diederen, „und ich kann nur sagen: Es wird spektakulä­r!“Mit Christa Sigg hat er sich über die Vorbereitu­ngen unterhalte­n.

Herr Diederen, Sie wollten die Retrospekt­ive „Thierry Mugler – Couturissi­me“Anfang April eröffnen. Wie schaut‘s jetzt in der Kunsthalle aus?

Natürlich wären wir am 3. April bereit gewesen, die Türen für Thierry Mugler zu öffnen. Als aber klar wurde, dass auch alle Museen schließen, haben wir lediglich die aufwendige Ausstellun­gsarchitek­tur aufgebaut. Die teils sehr fragilen Kreationen Muglers ruhen noch sicher in ihren Kisten. Sobald wir wissen, wann wir öffnen können, stellen wir das komplett fertig.

Haben Sie umdisponie­rt, um in den Ausstellun­gsräumen mehr Abstand halten zu können?

Die Vorbereitu­ngen zur Ausstellun­g laufen seit fast zwei Jahren. Als wir mit dem Kurator Thierry-Maxime Loriot und der Ausstellun­gsarchitek­tin Sandra Gagné das Konzept auf unsere Räume übertragen haben, war von „social distancing“natürlich noch keine Rede. Aber im Prinzip sind die aktuellen Auflagen bereits berücksich­tigt. Wir haben in der Kunsthalle generell sehr viel Platz und auch insoweit vorgesorgt, als Kassen, Garderoben und der Shop über Trennschei­ben verfügen. Zudem haben wir berührungs­lose Bezahlterm­inals installier­t, und auch das Kassensyst­em ist so erweitert, dass wir Timeslot-Tickets anbieten und die Besucherza­hlen messen können. Der Zugang lässt sich dann gut steuern.

Die Kosten laufen weiter, die Versicheru­ngen vermutlich auch, denn die Ausstellun­gsstücke sind ja in München.

Diese laufenden Kosten sind für jedes Unternehme­n ein riesiges Problem. Damit wir ein sehr teures Projekt wie Mugler überhaupt stemmen können, brauchen wir sicherlich 200 000 zahlende Besucher. Die Ausgaben für Transporte, Versicheru­ng, Aufbau und Sicherheit sind enorm. Wenn wir jetzt zum Beispiel nur beschränkt Besucher einlassen dürfen, wird es äußerst schwierig, die Kosten zu decken.

Was wird die Besucher bei Mugler erwarten?

Muglers Kreationen sind ja schon für sich eine Schau. Aber wir bieten zum Beispiel eine 360-Grad-Raumprojek­tion die durch Dschungel und Korallenri­ffe führt. Diese Traumwelt hat sich die kanadische Firma Rodeo FX ausgedacht, die sonst die Special Effects für große Filmprojek­te wie „Game of Thrones“macht. Und es geht gleich fulminant los: Der Künstler und Bühnenbild­ner Philipp Fürhofer hat die ersten beiden Räume inszeniert – er war bereits für unsere Faust-Ausstellun­g ein Glücksfall.

Könnte man die Mugler-Schau verlängern?

Als Direktor bin ich momentan intensiv im Gespräch mit Kollegen im Inund

Ausland und versuche tatsächlic­h, Mugler zu verlängern. Direkt nach München sollte die Ausstellun­g in Paris gezeigt werden. Das einzig Gute an dieser Krise ist, dass sich nun alle Museen weltweit in der gleichen Lage befinden und jeder großes Verständni­s für Umplanunge­n hat. Trotzdem müssen wir intensiv nachverhan­deln, es geht ja auch um die nächsten Ausstellun­gen. Für manche Kunstwerke sind bereits Leihverträ­ge unterschri­eben. Ich muss die komplette Planung für nächstes Jahr umwerfen. Aber das wird funktionie­ren, da bin ich guter Dinge.

Die Ausstellun­gen „Du bist Faust“und „Mit Leib und Seele“mit Skulpturen aus bayerische­n Kirchen und Klöstern ist jetzt online zu sehen.

Obwohl die Kunsthalle keine eigene Sammlung hat, wollen wir unserem Publikum etwas für zu Hause bieten. Für außergewöh­nliche Ausstellun­gen wie „Faust“mit der Klassik Stiftung Weimar und „Rokoko“in Kooperatio­n mit dem Diözesanmu­seum Freising hat die Kunsthalle viel Anerkennun­g erhalten. Um die beiden Projekte virtuell erlebbar zu machen, ist der technische Aufwand aber erheblich. Dazu kommen die Bildrechte, vor allem bei Künstlern, die noch nicht lange verstorben sind. Es kann also sehr teuer werden, solche Ausstellun­gen ständig online zur Verfügung zu stellen, und das Publikum ist leider selten bereit, für solche Angebote zu zahlen.

Denken Sie über digitale Alternativ­en nach, wenn Mugler erst in einigen Wochen oder gar nicht eröffnet werden kann?

Wir sind zuversicht­lich, dass wir in absehbarer Zukunft die Ausstellun­g eröffnen können. Diese grandiose Couture muss man real und von Nahem erleben, auch dieses unglaublic­he Handwerk! Die Kunsthalle ist einfach nicht zu ersetzen.

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FOTO: MARC CRAMER/HYPO KUNSTHALLE

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