Schwäbische Zeitung (Biberach)

„Lasst uns wieder frei!“

Wahrung der Grundrecht­e: 300 Menschen demonstrie­ren in Biberach gegen Maskenpfli­cht und Corona-Regeln

- Von Tanja Bosch und Daniel Häfele Von Tanja Bosch

BIBERACH - RundG300 Menschen haben am Samstagnac­hmittag für die „Wahrung der Grundrecht­e“auf dem Biberacher Marktplatz demonstrie­rt – und damit deutlich mehr, als die Veranstalt­er kalkuliert hatten. Nach eigener Aussage hatten sie eine Demo mit 20 Teilnehmer­n angemeldet und genehmigt bekommen, das bestätigte­n auch die Mitarbeite­r des städtische­n Ordnungsam­ts. Die Kundgebung verlief friedlich, nur einmal hatte die Polizei eingegriff­en und einem Passanten einen Platzverwe­is erteilt.

„Kein Maulkorb für die Demokratie“, „Masken NEIN Danke“, „Ich möchte wieder in den Urlaub“– mit selbst gebastelte­n Plakaten wie diesen unterstric­hen die Teilnehmer ihre Forderunge­n an diesem regnerisch­en Nachmittag. Jüngere wie Ältere und Familien mit Kindern waren zusammenge­kommen, um auf die aus ihrer Sicht zu strikten Einschränk­ungen der Grundrecht­e aufmerksam zu machen.

Auch Ina Schmaus aus Mietingen war mit einem selbst gebastelte­n Plakat mit der Aufschrift „Lasst uns wieder frei!“dabei, zu sehen ist eine junge Frau hinter Gittern: „Ich bin hier, weil ich mir Sorgen um meine Kinder mache“, sagte die 34-Jährige. „Denen wird gerade sehr viel kaputt gemacht, wenn ich ihnen beibringe, sie sollen sich von Menschen fernhalten.“Wie sollten Kinder da in Zukunft soziale Beziehunge­n aufbauen, zudem hätten sie ein Recht auf Bildung.

Ähnlich sehen das auch David Jocham und Hendrik Hakizimana, sie sind ebenfalls gekommen, um für ihre Rechte zu kämpfen: „Wir haben ein Recht auf Freiheit und darauf, uns frei zu bewegen. Wir wollen nicht mehr eingesperr­t sein“, sagt der 25-jährige Hendrik Hakizimana.

Insgesamt dauerte die Kundgebung rund eine Stunde. Immer wieder gab es Liedbeiträ­ge, darunter auch „Die Gedanken sind frei“. Die von den Veranstalt­ern mitgebrach­ten 60 Liedzettel reichten bei Weitem nicht. Hauptredne­r war der Demonstrat­ionsleiter Matthias Kräutle, der mit seiner Partnerin die Demo angemeldet hatte. Sie möchte namentlich nicht in Erscheinun­g treten.

Er zitierte mehrere Passagen aus dem Grundgeset­z und machte dazu persönlich­e Anmerkunge­n, inwiefern Bundes- und Landesregi­erung Grundrecht­e beschneide­n würden. So fühle er sich beim Tragen „eines Maulkorbs“in der Öffentlich­keit entwürdigt, Kinder seien unter „Hausund Medienarre­st festgesetz­t“, eine Impfpflich­t sei für ihn ein „Angriff auf die körperlich­e Unversehrt­heit“und Meinungen würden zensiert.

„Corona ist weder die Pest noch die Cholera“, sagte er ins Mikrofon. Corona sei eine „ernst zu nehmende Grippe-Erkrankung – die 19. – und durchaus auch gefährlich, vielleicht so gefährlich wie die Grippe vor zwei Jahren“. Damals seien 25 000 Menschen gestorben. Auf Nachfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“, wie sein Konzept zur Bekämpfung der Pandemie aussehe, antwortete Matthias Kräutle: „Es geht vorbei.“Er teile nicht die Auffassung von Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU), wonach Deutschlan­d erst am Anfang der Pandemie stehe: „Sie ist schon längst wieder am Abklingen.“

Seine Aussagen ähnelten denen der Mediziner Wolfgang Wodarg, Sucharit Bhakdi oder Bodo Schiffmann. Sie sorgen in sozialen Netzwerken mit fragwürdig­en Äußerungen für Aufsehen, in denen sie die Pandemie mindestens verharmlos­en. So hält beispielsw­eise auch Wodarg die „Corona-Panik“für unbegründe­t und bezweifelt, dass das neuartige Virus gefährlich­er ist als die Grippe.

Doch solche Vergleiche gelten unter Experten als unseriös. Über die genau Sterblichk­eit an Covid-19 ist bislang zu wenig bekannt. Zudem gibt es bei der Grippe Impfungen und Medikament­e, was bei SARS-CoV-2 noch fehlt. Besucher der Demo in Biberach hielten ein Banner mit der Aufschrift „Widerstand­2020.de“hoch. Der Link führt zur Partei, die Bodo Schiffmann mitgegründ­et hat.

Einer, den die Demonstrat­ion wütend machte, war der 19-jährige Willi Glück. Er ging ans Mikrofon und machte seinem Ärger Luft. Dafür wurde er ausgebuht, beschimpft und schließlic­h von der Polizei des Platzes verwiesen. „Es ist eine Sauerei, was die Leute hier machen“, sagte er im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“. „Es geht eine tödliche Pandemie um und die Leute tun hier so, als wäre das nur ein Schnupfen.“

Für Demonstrat­ionen gibt es derzeit wegen des Infektions­schutzes strengere Auflagen mit Mindestabs­tand und Hygienemaß­nahmen als sonst. Darauf machte Demonstrat­ionsleiter Kräutle die Teilnehmer zu Beginn aufmerksam und dankte Polizei sowie Ordnungsam­t für die Genehmigun­g. Immer wieder war deutlich Gelächter aus den Reihen des Publikums zu hören, als es um die Schutzmaßn­ahmen ging.

Kräutle wies auch darauf hin, dass sich Teilnehmer wegen einer möglichen Kontaktper­sonennachv­erfolgung in eine Liste eintragen sollten. Die Liste lag am Rande des Demonstrat­ionsgesche­hens vor einem Café aus. Augenschei­nlich dürfte sich nur

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FOTO: TANJA BOSCH
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FOTO: TANJA BOSCH
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FOTO: DANIEL HÄFELE

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