Schwäbische Zeitung (Biberach)
„Lasst uns wieder frei!“
Wahrung der Grundrechte: 300 Menschen demonstrieren in Biberach gegen Maskenpflicht und Corona-Regeln
BIBERACH - RundG300 Menschen haben am Samstagnachmittag für die „Wahrung der Grundrechte“auf dem Biberacher Marktplatz demonstriert – und damit deutlich mehr, als die Veranstalter kalkuliert hatten. Nach eigener Aussage hatten sie eine Demo mit 20 Teilnehmern angemeldet und genehmigt bekommen, das bestätigten auch die Mitarbeiter des städtischen Ordnungsamts. Die Kundgebung verlief friedlich, nur einmal hatte die Polizei eingegriffen und einem Passanten einen Platzverweis erteilt.
„Kein Maulkorb für die Demokratie“, „Masken NEIN Danke“, „Ich möchte wieder in den Urlaub“– mit selbst gebastelten Plakaten wie diesen unterstrichen die Teilnehmer ihre Forderungen an diesem regnerischen Nachmittag. Jüngere wie Ältere und Familien mit Kindern waren zusammengekommen, um auf die aus ihrer Sicht zu strikten Einschränkungen der Grundrechte aufmerksam zu machen.
Auch Ina Schmaus aus Mietingen war mit einem selbst gebastelten Plakat mit der Aufschrift „Lasst uns wieder frei!“dabei, zu sehen ist eine junge Frau hinter Gittern: „Ich bin hier, weil ich mir Sorgen um meine Kinder mache“, sagte die 34-Jährige. „Denen wird gerade sehr viel kaputt gemacht, wenn ich ihnen beibringe, sie sollen sich von Menschen fernhalten.“Wie sollten Kinder da in Zukunft soziale Beziehungen aufbauen, zudem hätten sie ein Recht auf Bildung.
Ähnlich sehen das auch David Jocham und Hendrik Hakizimana, sie sind ebenfalls gekommen, um für ihre Rechte zu kämpfen: „Wir haben ein Recht auf Freiheit und darauf, uns frei zu bewegen. Wir wollen nicht mehr eingesperrt sein“, sagt der 25-jährige Hendrik Hakizimana.
Insgesamt dauerte die Kundgebung rund eine Stunde. Immer wieder gab es Liedbeiträge, darunter auch „Die Gedanken sind frei“. Die von den Veranstaltern mitgebrachten 60 Liedzettel reichten bei Weitem nicht. Hauptredner war der Demonstrationsleiter Matthias Kräutle, der mit seiner Partnerin die Demo angemeldet hatte. Sie möchte namentlich nicht in Erscheinung treten.
Er zitierte mehrere Passagen aus dem Grundgesetz und machte dazu persönliche Anmerkungen, inwiefern Bundes- und Landesregierung Grundrechte beschneiden würden. So fühle er sich beim Tragen „eines Maulkorbs“in der Öffentlichkeit entwürdigt, Kinder seien unter „Hausund Medienarrest festgesetzt“, eine Impfpflicht sei für ihn ein „Angriff auf die körperliche Unversehrtheit“und Meinungen würden zensiert.
„Corona ist weder die Pest noch die Cholera“, sagte er ins Mikrofon. Corona sei eine „ernst zu nehmende Grippe-Erkrankung – die 19. – und durchaus auch gefährlich, vielleicht so gefährlich wie die Grippe vor zwei Jahren“. Damals seien 25 000 Menschen gestorben. Auf Nachfrage der „Schwäbischen Zeitung“, wie sein Konzept zur Bekämpfung der Pandemie aussehe, antwortete Matthias Kräutle: „Es geht vorbei.“Er teile nicht die Auffassung von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), wonach Deutschland erst am Anfang der Pandemie stehe: „Sie ist schon längst wieder am Abklingen.“
Seine Aussagen ähnelten denen der Mediziner Wolfgang Wodarg, Sucharit Bhakdi oder Bodo Schiffmann. Sie sorgen in sozialen Netzwerken mit fragwürdigen Äußerungen für Aufsehen, in denen sie die Pandemie mindestens verharmlosen. So hält beispielsweise auch Wodarg die „Corona-Panik“für unbegründet und bezweifelt, dass das neuartige Virus gefährlicher ist als die Grippe.
Doch solche Vergleiche gelten unter Experten als unseriös. Über die genau Sterblichkeit an Covid-19 ist bislang zu wenig bekannt. Zudem gibt es bei der Grippe Impfungen und Medikamente, was bei SARS-CoV-2 noch fehlt. Besucher der Demo in Biberach hielten ein Banner mit der Aufschrift „Widerstand2020.de“hoch. Der Link führt zur Partei, die Bodo Schiffmann mitgegründet hat.
Einer, den die Demonstration wütend machte, war der 19-jährige Willi Glück. Er ging ans Mikrofon und machte seinem Ärger Luft. Dafür wurde er ausgebuht, beschimpft und schließlich von der Polizei des Platzes verwiesen. „Es ist eine Sauerei, was die Leute hier machen“, sagte er im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“. „Es geht eine tödliche Pandemie um und die Leute tun hier so, als wäre das nur ein Schnupfen.“
Für Demonstrationen gibt es derzeit wegen des Infektionsschutzes strengere Auflagen mit Mindestabstand und Hygienemaßnahmen als sonst. Darauf machte Demonstrationsleiter Kräutle die Teilnehmer zu Beginn aufmerksam und dankte Polizei sowie Ordnungsamt für die Genehmigung. Immer wieder war deutlich Gelächter aus den Reihen des Publikums zu hören, als es um die Schutzmaßnahmen ging.
Kräutle wies auch darauf hin, dass sich Teilnehmer wegen einer möglichen Kontaktpersonennachverfolgung in eine Liste eintragen sollten. Die Liste lag am Rande des Demonstrationsgeschehens vor einem Café aus. Augenscheinlich dürfte sich nur