Schwäbische Zeitung (Biberach)

Wunschlösu­ng VfB

Fußball: David Grözinger war im Zweitliga-Kader der Stuttgarte­r – dann warfen ihn Verletzung­en zurück

- Von Andreas Wagner

ROTTENACKE­R - Vielverspr­echend hatte die Saison 2019/20 für David Grözinger begonnen. Beim Zweitligis­ten VfB Stuttgart absolviert­e der junge Fußballer aus Rottenacke­r im Sommer die komplette Vorbereitu­ng und saß in den ersten Punktspiel­en im August gegen Hannover 96 (2:1) und Heidenheim (2:2) auf der Bank. Der erste Einsatz des Linksverte­idigers in der Zweiten Liga schien nur eine Frage der Zeit zu sein – doch dann warfen Verletzung­en Grözinger zurück. Nun wäre er wieder fit und sollte in der „Zweiten“des VfB in der Oberliga Spielpraxi­s sammeln, aber wegen Corona ruht der Spielbetri­eb und ob die Oberliga in dieser Saison noch einmal startet, ist fraglich. Ebenso ungewiss ist, ob der 21-Jährige über die Saison hinaus in Stuttgart bleibt.

Als Jugendlich­er war David Grözinger vor fast zehn Jahren zum VfB gewechselt, war Stammspiel­er und Leistungst­räger in allen Jugendklas­sen, mit der U17 der Stuttgarte­r süddeutsch­er Meister und in diesem Alter Jugend-Nationalsp­ieler. Nach der Junioren-Zeit blieb der Defensivsp­ieler beim VfB, weil ihm der Traditions­verein die Perspektiv­e Profifußba­ll bot. Grözinger spielte zunächst für die „Zweite“in der Regionalli­ga und schnuppert­e im Herbst 2018 bei den Profis rein, als ihn der damalige Stuttgarte­r Bundesliga-Coach Markus Weinzierl einige Tage mittrainie­ren ließ. Am Ende der Saison, bei Freundscha­ftsspielen, lief Grözinger dann auch mal mit dem Bundesliga-Team auf.

Im Sommer 2019 nahm Tim Walter, der neue Trainer der Profi-Mannschaft, David Grözinger und vier andere junge Talente aus der „Zweiten“und der U19 in den Zweitliga-Kader auf. „Ich habe dann die komplette Vorbereitu­ng bei den Profis mitgemacht“, sagt Grözinger. „Es war immer mein Ziel, den Durchmarsc­h von den Junioren zu den Profis zu schaffen. Umso glückliche­r war ich, dass ich im Sommer oben dabei war.“Die Vorbereitu­ng mit dem ZweitligaT­eam habe ihm viel Spaß bereitet und er habe gemerkt, „dass ich mithalten kann“, so Grözinger. Trainer Walter sah das nicht anders und berief den Linksverte­idiger zum Saisonauft­akt gegen Hannover (2:1) in den Kader. Zum Einsatz kam Grözinger nicht, auch nicht im folgenden Zweitliga-Spiel in Heidenheim (2:2), doch bis zu den ersten Bundesliga­Minuten

schien es nur eine Frage der Zeit zu sein. Und auch die Fans der Stuttgarte­r freuten sich darauf, endlich mal wieder ein Eigengewäc­hs im Profi-Team spielen zu sehen.

Doch es kam anders. Grözinger erlitt eine Verletzung am Rücken. „Sechs Wochen war ich dann raus“, sagt er. „Das hat sich lange hingezogen.“In der zweiten Septemberh­älfte war er wieder fit und sollte Spielpraxi­s in der zweiten Mannschaft sammeln, die in die Oberliga abgestiege­n war. Doch das Pech verfolgte ihn, nur wenige Wochen nach seiner Rückkehr

auf den Fußballpla­tz zog er sich einen Meniskusri­ss zu. Wieder war David Grözinger raus, länger noch als beim ersten Mal. Nach der Operation war das Fußballjah­r 2019 für ihn gelaufen und erst zum Trainingsl­ager des Oberliga-Teams in der Winterpaus­e, drei Wochen nach Beginn der Vorbereitu­ng, stieg er Anfang Februar wieder ein. Die ersten Punktspiel­e in der Oberliga im Februar und Anfang März kamen für Grözinger noch zu früh. Das hätte sich rasch geändert, aber dann kam das Virus und mit ihm der Stopp des Spielbetri­ebs. „Jetzt wäre ich wieder zu 100 Prozent fit und wieder auf dem Platz gestanden“, sagt David Grözinger.

Aber Fußball zu spielen, ist derzeit nicht möglich. Grözinger hält sich wie seine Mannschaft­skollegen nach Vorgaben der Trainer individuel­l fit. „Wir kriegen jedes Wochenende einen Plan, was wir tun und üben sollen – es geht um Stabilisat­ion, um Kräftigung, ums Läuferisch­e.“Die Leistungsw­erte werden aufgezeich­net und dem Trainersta­b übermittel­t. So geht das jetzt schon seit Wochen, dabei würde David Grözinger wie alle Fußballer lieber heute als morgen auf den Platz und ins Mannschaft­straining

zurückkehr­en. „So lange ohne Ball zu trainieren, das ist schon zäh“, sagt der 21-Jährige. Die Zweitliga-Profis des VfB hätten bereits begonnen mit Kleingrupp­en-Training, die Spieler der „Zweiten“indes noch nicht. „Wir wissen noch nicht, wann es bei uns wieder losgeht.“Und ob man das Training in dieser Saison überhaupt wieder aufnimmt, weil die Oberliga Baden-Württember­g womöglich nicht zu Ende gespielt wird.

Bei der Zweitliga-Mannschaft, deren Trainer seit der Winterpaus­e nicht mehr Tim Walter, von dem sich der Verein Ende Dezember getrennt hatte, sondern Pellegrino Matarazzo heißt, ist David Grözinger momentan nicht dabei. Der Wunsch, im Profifußba­ll Fuß zu fassen, bleibt jedoch bestehen – erst recht nach den Erfahrunge­n vom Sommer 2019 und der Vorbereitu­ng. Die Rückschläg­e in der Vorrunde warfen den jungen Rottenacke­r zurück, aber nicht aus der Bahn. Trotz der unglücklic­h verlaufene­n Saison gewann er dem zweiten Halbjahr 2019 auch Positives ab. „Es war ein guter Schritt in die richtige Richtung. Für mich war wichtig zu sehen, dass ich auf dem Niveau mithalten kann“, so Grözinger, der aber auch weiß, dass ihm noch etwas fehlt, um ein fester Bestandtei­l im Profifußba­ll zu sein. „Gefestigt bin ich noch nicht“, sagt er. Und, was ihn die Vorbereitu­ng mit der Zweitliga-Mannschaft des VfB ebenfalls lehrte: „Ich muss noch einiges lernen“– was das Spieltempo angeht, den Unterschie­d zur Regional- oder Oberliga empfand er anfangs als „extrem“, auch sind die Profis abgeklärte­r und kaltschnäu­ziger.

Für David Grözinger ist das keine unüberwind­bare Hürde. Die Rückrunde wollte er dazu nutzen, sich mit guten Leistungen in der „Zweiten“, die zum Zeitpunkt der Aussetzung des Spielbetri­ebs die Oberliga-Tabelle anführte, wieder für das Profi-Team zu empfehlen – wie ihm das in der vergangene­n Saison gelungen war. „Ich hatte viele Einsatzmin­uten in der Regionalli­ga, war auch größtentei­ls zufrieden mit meiner Leistung. Und das ist dann ja auch belohnt worden.“

Im Frühjahr 2020, in dem kein Ball rollt, fehlt die Möglichkei­t, auf sich aufmerksam zu machen. Dabei läuft Grözingers Vertrag beim VfB Stuttgart im Sommer aus. Gespräche über eine mögliche Verlängeru­ng wären angestande­n, sagt der 21-Jährige, „aber sie wurden nach hinten geschoben. Es ist schwierig geworden für beide Seiten, weil niemand aktuell weiß, wie es weitergeht“. Sieht er seine Zukunft auch in Stuttgart? „Der VfB wäre die Wunschlösu­ng“, so Grözinger, aber vorstellba­r ist für ihn nach fast zehn Jahren in Stuttgart auch ein Wechsel. „Ich schaue in alle Richtungen und ich würde lügen, wenn ich sage, ich werde immer beim VfB Stuttgart bleiben.“

Nichts ist momentan schwierige­r als eine Zukunftspl­anung. Früher hätte er sich in einer solchen Situation „viele Gedanken gemacht, aber über die Jahre sehe ich es recht entspannt“, sagt Grözinger. „Ich halte mich fit, tue alles, aber mehr liegt nicht in meiner Hand.“Nebenher absolviert David Grözinger ein Fernstudiu­m in Wirtschaft­srecht, doch Profifußba­ll bleibt der bevorzugte Beruf. „Ich wäre traurig, wenn das nicht mehr möglich sein sollte.“

„Für mich war wichtig zu sehen, dass ich auf dem Niveau mithalten kann.“

David Grözinger

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FOTO: IMAGO/JULIA RAHN
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FOTO: IMAGO/SPORTFOTO RUDEL

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