Schwäbische Zeitung (Biberach)
Ravensburger Kreistag lehnt Ein-Euro-Ticket ab
Dieter Krattenmacher: Einnahmen bei den Fahrscheinen sind unverzichtbar – Neue Regiobus-Linie geplant
RAVENSBURG – Ein-Euro-Ticket, Jahres-Netzkarte für 365 Euro, neue Regiobusse, Ausweitung des Tarifgebiets auf Memmingen: Im Ausschuss für Umwelt und Mobilität des Kreistags gab es am Dienstag viel zu diskutieren.
Einen Euro für eine Einzelfahrkarte und 365 Euro für das ganze Jahr: Solche Tickets haben die Kreistagsfraktionen der SPD und der ÖDP vorgeschlagen. Nach Berechnungen des Bodensee-Oberschwaben-Verkehrsverbunds (Bodo) würden diese Tickets dazu führen, dass der Verbund pro Jahr zehn Millionen Euro weniger einnimmt. Einen Ausgleich durch mehr Fahrgäste sieht man bei Bodo nicht kommen: In den nachfragestarken Zeiten seien die Kapazitäten von Bus und Bahn bereits ausgelastet. Deshalb ist der Ausschuss dem Vorschlag der Kreisverwaltung gefolgt, zunächst Angebot und Qualität des öffentlichen Nahverkehrs zu verbessern. Und dann in einem zweiten Schritt über vergünstigte Fahrscheine nachzudenken.
„Diesem Vorgehen kann man sich wohl nicht verschließen“, sagt denn auch SPD-Kreisrat Rudolf Bindig. Sein Ratskollege Max Scharpf von der ÖDP berichtet jedoch, dass vielen Familien in Landgemeinden wie Horgenzell oder Vogt der Bus zu teuer sei: Um zum Beispiel am Samstag zusammen nach Ravensburg zu fahren, würden sie doch wieder das Auto nehmen.
„Wir zahlen gern mehr für den öffentlichen Nahverkehr, wenn die Leute dann nicht ins Auto hocken“, sagt Scharpf. Es bringe nicht viel, wenn alle nur von Diesel- auf Elektroautos umsteigen würden: „Verkehr und Parkplatzprobleme bleiben dann gleich.“
Kreisrätin Doris Zodel (Bündnis 90/Die Grünen) wendet sich gegen das Ein-Euro-Konzept. „Leistung muss man bezahlen“, sagt sie. Ein Euro sei als Fahrpreis zu wenig. Ebenso wie die kostenlose Beförderung von Fahrrädern nicht richtig sei. Axel Müller (CDU) hat sich bei Busunternehmern erkundigt. Sein
Fazit: „Nur vom Preis allein kommt der Umstieg nicht.“Nach Erkenntnissen von Dieter Krattenmacher (CDU) eignet sich das 365-EuroJahresticket nur für Verdichtungsräume mit mehreren 100 000 Einwohnern. „Diese Struktur werden wir hier hoffentlich nie erreichen“, sagt er. „Sonst wäre der Landkreis von Eschach bis Bad Waldsee komplett besiedelt.“
Krattenmacher warnt vor einem Finanzeinbruch nach der CoronaKrise. Schon die geplanten Verbesserungen des Angebots im Nahverkehr würden viel Geld verschlingen. Da könne es sich der Kreis nicht leisten, auch noch auf Einnahmen bei den Fahrscheinen zu verzichten. Das sieht Kreiskämmerer Franz Baur genauso: „Wir können nicht nahtlos an die Diskussion vom Vorjahr anknüpfen“, sagt er. „Das ist eine andere Welt, die wir jetzt haben.“Der Kämmerer rät zur Doppelstrategie: „Alle Planungen mit Vollgas vorantreiben, aber keine Beschlüsse fassen, die Mehrkosten verursachen.“
Für Verbesserungen im Nahverkehrsnetz hat der Kreistag für die Jahre 2020 bis 2022 auf Antrag der FWV-Fraktion jeweils eine Million Euro im Haushalt eingeplant. Ein Teil dieser Mittel soll nach dem Willen des Ausschusses für Umwelt und Mobilität in Regiobus-Linien fließen. Die Regiobus-Linie Konstanz-Ravensburg ist bereits beschlossen. Sie hätte zum 3. April den Betrieb aufnehmen sollen – das hat sich wegen der Corona-Krise auf unbestimmte Zeit verschoben.
Die nächste Regiobus-Linie ist auf der Achse Ravensburg-Wangen-Isny geplant. Die CDU-Fraktion im Kreistag fordert, dass das Land Baden-Württemberg die Förderrichtlinien für Regiobusse flexibler gestaltet. Vor allem der starre Stundentakt passe nicht immer.
Die CDU-Fraktion setzt sich weiter dafür ein, das Bodo-Gebiet bis Memmingen zu erweitern. Das wird nach Auskunft der Kreisverwaltung bereits angestrebt - zum Dezember 2021. Über weitere Verbesserungen im öffentlichen Nahverkehr und ein neues Gesamtkonzept soll im Herbst beraten werden.