Schwäbische Zeitung (Biberach)

Konservati­ver

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Es gibt Auftritte, die sogar in Zeiten von Corona Spaß machen. Und solche, die harte Pflicht sind. In Frankreich sind die Rollen dafür klar verteilt: Staatschef Emmanuel Macron besucht Schulen, empfängt Blumenhänd­ler und spaziert durch Gewächshäu­ser. Regierungs­chef Edouard Philippe redet dagegen in Nationalve­rsammlung und Senat über ein Ende der Ausgangssp­erre am kommenden Montag. Während sich der Präsident als Landesvate­r gibt, ist Philippe der Mann fürs Grobe. Eine undankbare Aufgabe, die er auch am Donnerstag wieder erfüllen muss, wenn es darum geht, wie das öffentlich­e Leben nach acht Wochen Lockdown wieder hochgefahr­en werden soll.

Laut einer Umfrage des Meinungsfo­rschungsin­stituts Ifop trauen nur 39 Prozent der Regierung zu, in der Krise richtig zu reagieren. Zu Beginn der Ausgangssp­erre Mitte März waren es noch 55 Prozent. Doch fehlende Tests, falsche Informatio­nen zu Masken und ein Zickzack-Kurs bei der Öffnung der Schulen ließen das Vertrauen der Franzosen zusammenbr­echen. Das chaotische Krisenmana­gement legte auch die Unterschie­de

offen, die das Paar an der Spitze des Staates trennen. Auf der einen Seite der bedächtige Regierungs­chef, der stets ruhig und faktentreu bleibt. Auf der anderen Seite der PathosPräs­ident, der ihm ständig in die Parade fährt. Seit Wochen gibt es Spekulatio­nen, dass Macron seinen Premiermin­ister in einigen Wochen ersetzen könnte.

Die Berufung des Konservati­ven, der dem früheren Regierungs­chef Alain Juppé nahe steht, war vor drei Jahren eine Überraschu­ng. Die Personalie erwies sich aber als gute Wahl: Auch wenn er bis heute nicht der Präsidente­npartei La République en Marche angehört, hielt Philippe immer treu zum Staatschef. Bei den Protesten der Gelbwesten ebenso wie bei den Demonstrat­ionen gegen die Rentenrefo­rm, sein Herzenspro­jekt. Hier wagte sich der Vater von drei Kindern weit vor, als er gegen den Willen der Gewerkscha­ften eine längere Lebensarbe­itszeit forderte.

Doch Covid-19 durchkreuz­te seine ehrgeizige­n Pläne: Alle Reformen, die Macron in Angriff nehmen wollte, liegen nun auf Eis. Christine Longin

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FOTO: AFP

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